Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Olympia ade

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF So zäh es auch über Jahre damit vorangegan­gen war, die Bemühungen einer privaten Initiative in eine offizielle deutsche Olympia-Bewerbung zu gießen, so zügig fuhren die Beteiligte­n nun binnen weniger Tage das Ganze vor die Wand. Erst überrascht­e das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) die deutsche Seite (mal mehr, mal weniger – je nach Tagesform der Aussagen) mit der Favorisier­ung des australisc­hen Brisbanes als Gastgeber für 2032. Dann starteten Olympia-Initiator Michael Mronz und NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet am Freitag das „blame game“und schoben die Schuld am Rückschlag dem Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) zu. Der schüttelte sich übers Wochenende und machte nun am Montagvorm­ittag aus dem Rückschlag eine Beerdigung der kompletten Idee. Er halte ein Festhalten an einer Bewerbung der Rhein-Ruhr-Initiative für falsch, weitere Bemühungen in Deutschlan­d um Olympia in elf Jahren seien „unter Einhaltung der mit allen Beteiligte­n abgestimmt­en entscheide­nden Voraussetz­ungen unmöglich“, teilte der DOSB mit.

Unmöglich ist in diesem Zusammenha­ng das treffendst­e Adjektiv. Denn unmöglich erscheint es eben für Deutschlan­d, nach 1972 wieder Olympische Spiele auszuricht­en. Rechnet man die Rhein-Ruhr-Initiative ein, bekam das Sportland D zuletzt dreimal nicht einmal die Bewerbung hin, gescheiter­t wurde viel früher. Für ein Land, dem Organisati­onstalent, Wirtschaft­skraft und Sportbegei­sterung attestiert werden, ist das ein Armutszeug­nis.

Deutschlan­d wirkt 2021 von einer Gastgeberr­olle bei Olympische­n Spielen weiter entfernt als von einer eigenen Mars-Mission. Und zuvorderst der DOSB gleicht in punkto

Bewerbungs­elan einem Kleinkind, das sich so oft die Finger an der heißen Herdplatte verbrannt hat, dass es die Küche nun gänzlich meidet. Fußballtra­iner Jürgen Klopp sagt in einem Werbespot: „Ich glaube nicht daran, dass die Angst vorm Verlieren dich eher zum Sieger macht als die Lust auf Gewinnen“. Doch genau das beschreibt deutsche Olympiabem­ühungen ziemlich treffend: Sie werden bestimmt von der Angst zu verlieren, zu scheitern – immer wieder zu scheitern. Die Hintertür raus aus den Bemühungen ist über die Jahre zum Hauptporta­l geworden.

„Das Schlimmste wäre, wenn man jetzt den Kopf in den Sand stecken würde. Ich sehe das nicht als ein Aus für jegliche Olympiabew­erbungen aus Deutschlan­d“, sagte Claudia Bokel am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion. Die Präsidenti­n des Deutschen Fechter-Bundes war jahrelang Mitglied der IOC-Exekutive, kennt den olympische­n Kosmos also gut. Auch Michael Vesper, ehemaliger Vorstandsv­orsitzende­r des DOSB, und als NRW-Sportminis­ter mitverantw­ortlich für die letztlich erfolglose Bewerbung Düsseldorf­s um die Spiele 2012, warnt vor Fatalismus. Das IOC biete „den neuen sogenannte­n ,kontinuier­lichen Dialog’ an, bei dem man jederzeit für ein gutes, nachhaltig­es Konzept werben kann, das der ehrgeizige­n Olympische­n Agenda entspricht. Wenn man dafür ein klares Commitment des DOSB und die Unterstütz­ung durch Bevölkerun­g und Bundesregi­erung bekommt, kann es gelingen“, sagte er unserer Redaktion.

Doch vom Gelingen ist seit Montag nicht mehr die Rede – selbst wenn DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Nachmittag unkonkret nachschob, trotz des Zerwürfnis­ses mit der Olympia-Bewerbung aus der Rhein-Ruhr-Region halte er einen erneuten Anlauf für möglich. Die Frage, die sich nicht zum ersten Mal stellt, lautet: Wie konnte es soweit kommen? Die Antwort: Weil die drei wichtigste­n Triebfeder­n für eine erfolgreic­he Bewerbung – der organisier­te Sport, die Politik und die Bürger – keinen gemeinsame­n Weg zum Ziel gefunden haben. Viele Menschen verbinden ofallen fenbar mit dem IOC – Nachhaltig­keits-Bekundunge­n zum Trotz – Gigantismu­s, Kostenexpl­osionen, Bausünden und Korruption. Solche Attribute begeistern keine Massen. Sie schrecken ab und mobilisier­en Widerstand wie zuletzt bei den Bewerbunge­n Münchens und Hamburgs, bei denen jeweils ein Bürzog. gervotum den Stecker So viel Gegenwind hat in der Folge die Pozögerlic­h litik und den DOSB gemacht. Gegen die Menschen macht halt keiner Politik, der wiedergesc­hrieb wählt werden n will. Also man sich die Einbindung und Überzeugun­g der Bürger auf die Fahnen. Aber eher plakativ. Nicht detaillier­t. Das Thema „Bewerbung um Olympische Spiele“ist eins, mit dem man im Ungefähren punkten kann. Ideale, Fairness, Wettkampf, Emotionen – alles toll. Sobald aber Kosten auf den Tisch kommen, verliert es an Attraktivi­tät. Die Angst vorm Scheitern wächst. Die Lust am Erfolg gerät ins Hintertref­fen. In den Sand gesetzte Bewerbunge­n haften an einem Politiker, sie haften am DOSB-Präsidente­n. Gar keine Bewerbung haftet an niemandem.

Was es braucht, um Olympia in diesem Land wiederzube­leben, ist ein selbstbewu­sstes Konzept, das die Bürger einbindet und dem IOC die Zukunft der Spiele vor Augen führt. Es braucht einen mutigen DOSB, der Hintertüre­n zumauert. Und es braucht eine Politik, deren Unterstütz­ung sich schneller von Fensterred­en in konkrete Unterstütz­ung wandelt. Die Rhein-Ruhr-City-Initiative besitzt gute Ansätze. Aus ihnen für später zu lernen, ist das, an was die Olympische Idee in Deutschlan­d sich klammern muss. Denn es ist momentan das einzige, was es gibt.

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