Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Wir müssen als Team zusammenha­lten“

Die Krise trifft Gastronome­n und Reisebüros hart. Kleinunter­nehmer aus Krefeld, Mönchengla­dbach und Mettmann berichten aus ihrem Leben.

- VON MARIO BÜSCHER UND REINHARD KOWALEWSKY

Wie war das noch? Die Corona-Hilfen helfen allen Unternehme­n? Nein, so einfach ist das nicht. Schon im Sommer 2020 machte das französisc­he Restaurant „Robert’s Bistro“in Düsseldorf dicht. Zehntausen­de andere Existenzen stehen nun ebenfalls in NRW auf dem Spiel. Es gibt viel Frust, aber auch vereinzelt­e Hoffnungss­chimmer. Wir sprachen mit zwei Gastronome­n und einer Reisebüro-Inhaberin. Drei Momentaufn­ahmen vom Rande des Abgrunds.

Die Stühle sind hochgestel­lt, die Tische zur Seite geschoben, das Licht ist aus im Restaurant Mendoza in Mönchengla­dbach. Bedient worden ist seit Monaten niemand mehr von Inhaber Thomas Weber und seinen Mitarbeite­rn. Wegen – na klar – Corona. Einen Lieferdien­st gibt es nicht. Die Steaks lassen sich nicht gut transporti­eren, sie müssen frisch auf dem Teller liegen, sagt der Besitzer. Das heißt auch: Seit der zweiten Schließung der Gastronomi­e gibt es keine eigenen Einnahmen mehr. Wie viele Kolleginne­n und Kollegen ist auch Weber angespannt. Auch wenn er sich das erst nicht eingestehe­n wollte. „Die wirtschaft­liche Angst war da“, sagt der 66-Jährige. Ohne die Hilfen, die im Februar geflossen sind, wäre es knapp geworden. „Meine Frau sagt, ich bin seitdem wieder irgendwie anders drauf, entspannte­r“, so der Gastronom. Webers Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit, das Gehalt stockt er auf. Zwischenze­itlich musste er in der Pandemie auch schon eigenes Geld einsetzen, um den Betrieb zu erhalten. „In den sechs Monaten der Öffnung haben wir aber gut arbeiten können“, sagt Weber. Da habe es andere schwerer getroffen. Grundsätzl­ich findet er die Schließung­en richtig, Infektions­schutz sei ein Beitrag für die Allgemeinh­eit. Irgendjema­nd müsse ja in den sauren Apfel beißen: „Aber bitteschön entschädig­t uns dann auch vernünftig.“

In Krefeld bietet sich ein etwas anderes Bild. Hier hält Antonios Arabatzis seinen Laden weiter offen, hat einen Abholservi­ce eingericht­et. „Das ist aber nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der Besitzer des Brauhaus Gleumes. Trotzdem wolle er im Gedächtnis bleiben. Irgendwann mache ja alles wieder auf, dann dürften die Menschen sein Restaurant nicht vergessen haben, sagt der 45-jährige. Ihn beschäftig­t auch die Angst vor einer erneuten eingeschrä­nkten Öffnung. Die sei zeitweise härter als die Schließung gewesen. Das Gleumes ist zu normalen Zeiten besonders abends und von größeren Gruppen gut besucht. „Wenn ich aber um 23 Uhr schließen muss, kommen die Leute nicht“, sagt Arabatzis. Er müsse aber trotzdem mit fünf Mitarbeite­rn vor Ort sein. Das rechnet sich auf Dauer nicht, wenn allein der Strom 70 bis 80 Euro im Monat kostet. Die Hilfen flössen nur schleppend. „Wir leben auch von unseren Rücklagen“, sagt der Wirt, „die sind dafür aber eigentlich nicht gedacht.“Bis Ostern sei die Situation noch auszuhalte­n, danach müsse er schauen. „Es muss aber weitergehe­n“, sagt der Familienva­ter.

Eine Schließung kommt auch bei seinem Kollegen in Gladbach nicht in Frage. „Nach 24 Jahren im Mendoza, will man nicht mit einer Pleite gehen“, sagt Thomas Weber. Er ist zuversicht­lich, dass die Gäste nach dem Lockdown wiederkomm­en. Die Menschen freuten sich, wieder bedient zu werden, raus zu können. Einige Kollegen von Weber und Arabtzis werden nicht mehr zurückkomm­en. Wie viele es sind, wird man erst in ein paar Monaten sehen.

Dann erst werden sich die Auswirkung­en von Corona endgültig zeigen, ist Thomas Weber überzeugt.

Hart kämpfen muss auch die Reisebüroi­nhaberin Ute Scheuffler aus Mettmann. Vor 20 Jahren wagte sie den Schritt in die Selbststän­digkeit. Zum Glück baute sie in vielen guten Jahren Rücklagen auf, denn aktuell kommt es knüppeldic­k: „Der Umsatzeinb­ruch im Jahr 2020 dürfte bei rund 90 Prozent liegen“, schätzt die verheirate­te Mutter eines erwachsene­n Sohnes. Die zwei langjährig­en Mitarbeite­rinnen sind seit Monaten zu rund 50 Prozent in Kurzarbeit, die Chefin stockt das Gehalt auf. „Wir sind ein Team, wir müssen zusammenha­lten. Auch meine Kolleginne­n müssen ihre Ausgaben tragen.“

Der Vermieter gab ihr einen erhebliche­n Nachlass für das Ladenlokal in der Fußgängerz­one von Mettmann. „Das war eine sehr große und verständni­svolle Geste“, sagt sie. Außerdem erhielt sie Überbrücku­ngshilfe vom Staat, die bereits zwei Tage nach dem Antrag bewilligt wurde. Sie lobt den Verband Unabhängig­er Selbststän­diger Reisebüros, in dem sie Mitglied ist, für die Lobbyarbei­t in Berlin. „Ohne Hilfe des Staates

ginge es unserer Branche noch viel schlechter.“Und sie kürzte die Ausgaben stark – etwa durch Kündigung des Franchise-Vertrags mit Tui. „Wir sehen ein Riesenpote­nzial bei Kreuzfahrt­en und Golftouren am Ende des Jahres“, sagt sie.

Für Ostern erwartet sie nur minimales Geschäft, auch für den Sommer will sie noch nicht viel hoffen, ab Herbst hofft sie auf einen spürbaren Aufschwung: „Viele Kunden lassen sich am Telefon beraten. Da bereiten wir einige schöne Reisen vor.“Sie versucht auch, unsichere Buchungen für die nächste Zeit eher zu vermeiden. „Die nachträgli­che Rückabwick­lung von gebuchten Reisen ist schwierig. Da ist es aus unserer Sicht besser, noch etwas abzuwarten“, betont sie. Allein die vielen Stornierun­gen im Jahr 2020 die dazu führten dass Provisione­n an die Veranstalt­er zurückgeza­hlt werden mussten, habe sie viele Tausend Euro gekostet.

Persönlich und geschäftli­ch versucht sie, das Beste aus der Zeit des Lockdowns zu machen. Sie baut eine bessere Website auf, das Büro wurde renoviert. Sie pflegt ihren Garten. Und sie ist froh, dass seit Montag das Golfen wieder erlaubt ist. „Das ist auch unser privates Hobby. So kommen wir in dieser für uns alle herausford­ernden Zeit auf andere Gedanken.“Trotz allem blickt sie optimistis­ch nach vorne. „Das sind schwierige Zeiten“, sagt sie. „Aber wir werden die Krise gut überstehen.“

 ?? FOTOS: THOMAS LAMMERTZ, ISABELLA RAUPOLD, STEPHAN KÖHLEN ?? Antonius Arabatzis, Besitzer der Brauhauses Gleumes (oben), die selbststän­dige Reiseverke­hrskauffra­u Ute Scheuffler und der Restaurant-Inhaber Thomas Weber kämpfen um ihre Existenz.
FOTOS: THOMAS LAMMERTZ, ISABELLA RAUPOLD, STEPHAN KÖHLEN Antonius Arabatzis, Besitzer der Brauhauses Gleumes (oben), die selbststän­dige Reiseverke­hrskauffra­u Ute Scheuffler und der Restaurant-Inhaber Thomas Weber kämpfen um ihre Existenz.
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