Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Wir müssen als Team zusammenhalten“
Die Krise trifft Gastronomen und Reisebüros hart. Kleinunternehmer aus Krefeld, Mönchengladbach und Mettmann berichten aus ihrem Leben.
Wie war das noch? Die Corona-Hilfen helfen allen Unternehmen? Nein, so einfach ist das nicht. Schon im Sommer 2020 machte das französische Restaurant „Robert’s Bistro“in Düsseldorf dicht. Zehntausende andere Existenzen stehen nun ebenfalls in NRW auf dem Spiel. Es gibt viel Frust, aber auch vereinzelte Hoffnungsschimmer. Wir sprachen mit zwei Gastronomen und einer Reisebüro-Inhaberin. Drei Momentaufnahmen vom Rande des Abgrunds.
Die Stühle sind hochgestellt, die Tische zur Seite geschoben, das Licht ist aus im Restaurant Mendoza in Mönchengladbach. Bedient worden ist seit Monaten niemand mehr von Inhaber Thomas Weber und seinen Mitarbeitern. Wegen – na klar – Corona. Einen Lieferdienst gibt es nicht. Die Steaks lassen sich nicht gut transportieren, sie müssen frisch auf dem Teller liegen, sagt der Besitzer. Das heißt auch: Seit der zweiten Schließung der Gastronomie gibt es keine eigenen Einnahmen mehr. Wie viele Kolleginnen und Kollegen ist auch Weber angespannt. Auch wenn er sich das erst nicht eingestehen wollte. „Die wirtschaftliche Angst war da“, sagt der 66-Jährige. Ohne die Hilfen, die im Februar geflossen sind, wäre es knapp geworden. „Meine Frau sagt, ich bin seitdem wieder irgendwie anders drauf, entspannter“, so der Gastronom. Webers Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, das Gehalt stockt er auf. Zwischenzeitlich musste er in der Pandemie auch schon eigenes Geld einsetzen, um den Betrieb zu erhalten. „In den sechs Monaten der Öffnung haben wir aber gut arbeiten können“, sagt Weber. Da habe es andere schwerer getroffen. Grundsätzlich findet er die Schließungen richtig, Infektionsschutz sei ein Beitrag für die Allgemeinheit. Irgendjemand müsse ja in den sauren Apfel beißen: „Aber bitteschön entschädigt uns dann auch vernünftig.“
In Krefeld bietet sich ein etwas anderes Bild. Hier hält Antonios Arabatzis seinen Laden weiter offen, hat einen Abholservice eingerichtet. „Das ist aber nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der Besitzer des Brauhaus Gleumes. Trotzdem wolle er im Gedächtnis bleiben. Irgendwann mache ja alles wieder auf, dann dürften die Menschen sein Restaurant nicht vergessen haben, sagt der 45-jährige. Ihn beschäftigt auch die Angst vor einer erneuten eingeschränkten Öffnung. Die sei zeitweise härter als die Schließung gewesen. Das Gleumes ist zu normalen Zeiten besonders abends und von größeren Gruppen gut besucht. „Wenn ich aber um 23 Uhr schließen muss, kommen die Leute nicht“, sagt Arabatzis. Er müsse aber trotzdem mit fünf Mitarbeitern vor Ort sein. Das rechnet sich auf Dauer nicht, wenn allein der Strom 70 bis 80 Euro im Monat kostet. Die Hilfen flössen nur schleppend. „Wir leben auch von unseren Rücklagen“, sagt der Wirt, „die sind dafür aber eigentlich nicht gedacht.“Bis Ostern sei die Situation noch auszuhalten, danach müsse er schauen. „Es muss aber weitergehen“, sagt der Familienvater.
Eine Schließung kommt auch bei seinem Kollegen in Gladbach nicht in Frage. „Nach 24 Jahren im Mendoza, will man nicht mit einer Pleite gehen“, sagt Thomas Weber. Er ist zuversichtlich, dass die Gäste nach dem Lockdown wiederkommen. Die Menschen freuten sich, wieder bedient zu werden, raus zu können. Einige Kollegen von Weber und Arabtzis werden nicht mehr zurückkommen. Wie viele es sind, wird man erst in ein paar Monaten sehen.
Dann erst werden sich die Auswirkungen von Corona endgültig zeigen, ist Thomas Weber überzeugt.
Hart kämpfen muss auch die Reisebüroinhaberin Ute Scheuffler aus Mettmann. Vor 20 Jahren wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Zum Glück baute sie in vielen guten Jahren Rücklagen auf, denn aktuell kommt es knüppeldick: „Der Umsatzeinbruch im Jahr 2020 dürfte bei rund 90 Prozent liegen“, schätzt die verheiratete Mutter eines erwachsenen Sohnes. Die zwei langjährigen Mitarbeiterinnen sind seit Monaten zu rund 50 Prozent in Kurzarbeit, die Chefin stockt das Gehalt auf. „Wir sind ein Team, wir müssen zusammenhalten. Auch meine Kolleginnen müssen ihre Ausgaben tragen.“
Der Vermieter gab ihr einen erheblichen Nachlass für das Ladenlokal in der Fußgängerzone von Mettmann. „Das war eine sehr große und verständnisvolle Geste“, sagt sie. Außerdem erhielt sie Überbrückungshilfe vom Staat, die bereits zwei Tage nach dem Antrag bewilligt wurde. Sie lobt den Verband Unabhängiger Selbstständiger Reisebüros, in dem sie Mitglied ist, für die Lobbyarbeit in Berlin. „Ohne Hilfe des Staates
ginge es unserer Branche noch viel schlechter.“Und sie kürzte die Ausgaben stark – etwa durch Kündigung des Franchise-Vertrags mit Tui. „Wir sehen ein Riesenpotenzial bei Kreuzfahrten und Golftouren am Ende des Jahres“, sagt sie.
Für Ostern erwartet sie nur minimales Geschäft, auch für den Sommer will sie noch nicht viel hoffen, ab Herbst hofft sie auf einen spürbaren Aufschwung: „Viele Kunden lassen sich am Telefon beraten. Da bereiten wir einige schöne Reisen vor.“Sie versucht auch, unsichere Buchungen für die nächste Zeit eher zu vermeiden. „Die nachträgliche Rückabwicklung von gebuchten Reisen ist schwierig. Da ist es aus unserer Sicht besser, noch etwas abzuwarten“, betont sie. Allein die vielen Stornierungen im Jahr 2020 die dazu führten dass Provisionen an die Veranstalter zurückgezahlt werden mussten, habe sie viele Tausend Euro gekostet.
Persönlich und geschäftlich versucht sie, das Beste aus der Zeit des Lockdowns zu machen. Sie baut eine bessere Website auf, das Büro wurde renoviert. Sie pflegt ihren Garten. Und sie ist froh, dass seit Montag das Golfen wieder erlaubt ist. „Das ist auch unser privates Hobby. So kommen wir in dieser für uns alle herausfordernden Zeit auf andere Gedanken.“Trotz allem blickt sie optimistisch nach vorne. „Das sind schwierige Zeiten“, sagt sie. „Aber wir werden die Krise gut überstehen.“