Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die Sondernummer
Dänemarks und Österreichs Regierungschefs wollen den Impferfolg in Israel unter die Lupe nehmen – und weichen damit vom europäischen Weg ab.
KOPENHAGEN Als „Misstrauensvotum gegen die EU“wolle sie ihre Reise nach Israel nicht verstanden wissen, beschwichtigte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen. Mit ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz wird sie am Donnerstag Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu treffen, um mehr über den Impferfolg des Landes zu erfahren – mehr als 92 Prozent bekamen in Israel schon die erste Impfung. Zudem wollen die Vertreter der drei Länder eine gemeinsame Produktion
und Entwicklung von Impfstoffen in Gang bringen.
„Wir werden unter anderem besprechen, wie wir beim Impfstoff selbstversorgender werden können“, so die Sozialdemokratin Frederiksen. Sie bekannte gegenüber der Nachrichtenagentur Ritzau, dass sie bereits in Israel Impfstoff gekauft habe, ohne weitere Details preiszugeben. Von allen Ländern, die überschüssigen Impfstoff hätten, wolle Dänemark jetzt welchen kaufen. Dabei wolle sie allein bei der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) zugelassene Stoffe kaufen und nicht etwa den russischen Sputnik V oder chinesische Präparate, wie es etwa Ungarn tut. Dänemarks und Österreichs eigener Weg gilt dennoch als starkes Signal an die EU und ihre Probleme, genügend Impfstoff zu bestellen. Und die Politikerin, die einer von drei Linksparteien tolerierten sozialdemokratischen Minderheitsregierung vorsteht, ist bekannt für resolute und eigenwillige Entscheidungen.
Mitte Februar hatte ihr Gesundheitsminister Magnus Heunicke vollmundig verkündet, ab März Kapazitäten schaffen zu wollen, die das Impfen von theoretisch 400.000 Dänen am Tag ermöglichen. Mitimpfen
sollen dabei neben Medizinern auch Apotheken und Unternehmen, die sich durch ein Auswahlverfahren qualifizieren. Nach Medienberichten sollen Vertreter des Staatlichen Serum-Instituts und der dänischen Arzneimittelbehörde am Silvesterabend versucht haben, mit Pfizer einen Extradeal außerhalb des EU-Abkommens auszuhandeln, als Gegenzug wollte man sich mit Forschungsdaten erkenntlich zeigen. Dank einer zentralen und digitalen Patientenerfassung sowie einer maximalen Ausschöpfung der Dosen konnte das Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern den
Lieferengpass Anfang des Jahres im EU-Vergleich gut meistern und liegt bei über sieben Prozent Erstgeimpften.
Und obwohl die britische Mutante B.1.1.7 seit vergangener Woche in den untersuchten positiven Tests dominiert, die Fallzahlen leicht steigen und aktuell bei 400 bis 500 Neuinfektionen täglich liegen, entschloss sich die Regierung, den Lockdown am vergangenen Montag teils aufzuheben. So wurde die Versammlungsbeschränkung von fünf auf 25 Personen erhöht, ein Teil der Geschäfte darf öffnen, für Präsenzunterricht in den Schulen war in den jeweiligen Regionen der Infektionsanstieg maßgebend.
Ausschlaggebend für diese Entscheidung war auch der Rückgang der Zahl der Todesfälle. So wurden im Januar durchschnittlich 27 Tote täglich gemeldet, am Montag waren es vier. Sollten die Zahlen dies zulassen, würde die Regierung ab dem 15. März weitere Öffnung erlauben. Und auch für die fernere Zukunft gibt es eigenwillige Pläne – sollte eine dritte Impfung nötig werden, etwa im Falle resistenter Mutationen, schloss Frederiksen auch eine Impfstoffproduktion in Dänemark nicht aus.