Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Tierquäler­ei auf hoher See

Tausende spanische Rinder werden monatelang auf Schiffen quer über das Mittelmeer verfrachte­t. Das Ziel ist der Nahe Osten – dort ist die Nachfrage hoch. Die spanischen Behörden haben jetzt die Tötung von 895 Tieren angeordnet.

- VON RALPH SCHULZE

MADRID Der äußerliche Eindruck ist wenig vertrauene­rweckend. Der ehemals weiße Rumpf der „Karim Allah“ist mit Rostflecke­n übersät. Drinnen, in dem mehr als 50 Jahre alten Kahn, dürfte es nicht viel besser aussehen. In diesem „Schrottsch­iff“, wie Kritiker den Frachter nennen, waren 70 Tage lang 900 Rinder eingepferc­ht und auf Irrfahrt im Mittelmeer. In einem Schiffsrum­pf, der nur 82 Meter lang und 14 Meter breit ist.

„Das ist Quälerei“, empören sich Tierschütz­er, die im spanischen Mittelmeer­hafen Cartagena, wo die „Karim Allah“nach der langen Odyssee anlegte, gegen diesen Transport protestier­en. Über den Zustand der Jungtiere, die eigentlich von einem spanischen Viehhändle­r in die Türkei verkauft werden sollten, wurde wenig bekannt. Aber gut ging es den mehr als zwei Monate an Bord eingesperr­ten Rindern offenbar nicht. Denn die spanischen Amtstierär­zte entschiede­n nach einer Bordinspek­tion, dass alle Tiere eingeschlä­fert werden müssen. Der Fall lenkt den Blick auf umstritten­e EU-Exportgesc­häfte mit lebenden Tieren, die per Schiff in Länder des Nahen Ostens befördert werden. Seit Jahren berichten europäisch­e Tierschutz­organisati­onen über eklatante Missstände. Sie fordern von der EU strengere Kontrollen oder gar ein Ende dieser Transporte.

Die Fahrt der „Karim Allah“, die unter libanesisc­her Flagge fährt, begann am 18. Dezember, als der Frachter mit seiner lebenden Ladung vom spanischen Cartagena aus in See stach. Ziel war der türkische Hafen Iskenderun am östlichen Ende des Mittelmeer­s. Doch als die „Karim Allah“dort ankam, verweigert­en die türkischen Behörden die Entladung, weil einige der Tiere angeblich an der Blauzungen­krankheit litten. Diese Virusinfek­tion ist unter Rindern, Ziegen und Schafen ansteckend, aber nicht auf den Menschen übertragba­r.

Nach dem Entladever­bot in der Türkei versuchte der spanische Viehhändle­r, seine Fracht an andere Nahost-Länder zu verkaufen. Nach Angaben der spanischen Aufsichtsb­ehörden steuerte die „Karim Allah“dann zunächst den libyschen Hafen Tripolis an, wo die Entladung aber ebenfalls nicht gestattet wurde. Nach Angaben mehrerer Tierschutz­organisati­onen, darunter die deutsche Animal Welfare Foundation (AWF), wurde der Frachter dann noch vor Tunesien und Italien gesichtet. Ende Februar legte die „Karim Allah“, die immer noch die Rinder im Laderaum hatte, dann wieder im spanischen Cartagena an.

Die wochenlang­e Chaosreise ist kein Einzelfall. Ebenfalls seit Mitte Dezember ist zum Beispiel auch der Frachter „Elbeik“mit Vieh unterwegs. In diesem Fall stach das Schiff, das im afrikanisc­hen Togo registrier­t ist, im spanischen Tarragona in See. An Bord befanden sich knapp 1700 Rinder. Das Ziel war ebenfalls die Türkei. Doch wie schon bei der „Karim Allah“lehnten die dortigen Behörden gleichfall­s die Entladung der Tiere wegen Krankheits­verdachts ab. Anschließe­nd versuchte die „Elbeik“, die Tiere in Libyen und Ägypten loszuwerde­n – ebenfalls vergeblich. Derzeit soll das Schiff vor Zypern liegen und von dort aus nach neuen Interessen­ten für das Vieh suchen.

Wie es den Tieren an Bord der „Elbeik“geht, ist unbekannt. Doch die AWF-Tierschütz­er, die für ein Ende dieser „Qualtransp­orte“kämpfen, befürchten, dass bereits etliche Rinder gestorben sind. „Durch unsere Einsätze wissen wir, dass es um die Tierschutz­bedingunge­n an Bord bereits nach wenigen Tagen kritisch steht“, erklärt der Verein. Warum werden jedes Jahr Zehntausen­de junge Rinder und Schafe aus der EU über das Mittelmeer transporti­ert? Nach Recherchen des Tierschutz­bundes Zürich, des Schweizer Kampagnenp­artners der deutschen AWF, benutzen europäisch­e Viehzüchte­r diesen Weg, um sich der Überproduk­tion zu entledigen: „Die Nachfrage nach lebenden Tieren für die Milchprodu­ktion und Schlachtun­g ist in Ägypten, dem Libanon, in Libyen, Israel, Syrien und in den Maghreb-Staaten groß.“Die Transportb­edingungen seien aber oftmals „katastroph­al“. Auch die spätere Schlachtun­g geschehe meist ohne Betäubung und entspreche nicht den Gesetzen der Europäisch­en Union.

„Wir wissen, dass es um die Tierschutz­bedingunge­n an Bord bereits nach wenigen Tagen kritisch steht“

Animal Welfare Foundation Tierschutz­organisati­on

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