Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
So kämpft sich Holland durch die Krise
Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt im Nachbarland deutlich höher als bei uns. Zwar kommt die Impfkampagne langsam in Schwung, doch die Sperrstunde ab 21 Uhr bleibt noch bis Ende März. Geschäfte dürfen unter Voraussetzungen öffnen.
NIMWEGEN Bevorstehende Parlamentswahlen, Proteste gegen die Sperrstunde und ein verpatzter Start der Impfkampagne. Die Corona-Krise hält das Königreich weiter in Atem. Doch wie ist die Situation aktuell jenseits der Grenze? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie entwickeln sich die Corona-Zahlen? Zuletzt war in den Niederlanden durchaus ein positiver Trend zu erkennen. Seit Ende Dezember sank die Zahl der Neuinfektionen kontinuierlich, erst seit Ende Februar scheint das Virus wieder an Geschwindigkeit zu gewinnen. Die Ursache auch dort: Mutanten. Zuletzt wurden täglich etwa 4500 Neuinfektionen gemeldet, die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 185 pro 100.000 Einwohner.
Wie schaut es in den Grenzstädten aus? In der Gemeinde Bergen, die an Goch und Weeze grenzt und zu der auch Siebengewald gehört, hat sich die Lage mittlerweile entspannt. Zwischenzeitlich galt die Kommune in Limburg als Hotspot. In den vergangenen sieben Tagen (Stand: Dienstagvormittag) aber kamen insgesamt nur sechs neue Fälle hinzu, das entspricht einer Inzidenz von 45,6. Schwerer betroffen sind weiterhin die Großstädte. In Nimwegen liegt die Inzidenz bei 113,5, in Arnheim bei 120,3 pro 100.000 Einwohner.
Bis wann gilt die Sperrstunde noch? Das Kabinett hat die sogenannte Avondklok, die von 21 bis 4.30 Uhr gilt, bis zum 30. März verlängert. Das gab Ministerpräsident Mark Rutte Montagabend bekannt. Zuvor hatte sich die Maßnahme einer aufwendigen juristischen Prozedur unterzogen: Ein Gericht hatte die Sperrstunde gekippt, daraufhin konkretisierte die Regierung das Gesetz, nun gibt es Rechtssicherheit. Und offenkundig ist der Rückhalt für die Sperrstunde noch immer groß. Vor einigen Tagen sprachen sich 60 Prozent der
Niederländer in einer Umfrage für die Verlängerung aus.
Wie steht es um die übrigen Maßnahmen? Der Einzelhandel darf nach Terminabsprache (mindestens vier Stunden zuvor) wieder Kunden empfangen. Pro 25 Quadratmeter ist eine Person erlaubt. Manche Geschäfte, wie zum Beispiel auch IKEA, haben aber entschieden, trotzdem noch nicht zu öffnen. Zumindest beim schwedischen Möbelhaus gibt es aber einen Abhol-Service. In den eigenen vier Wänden darf man höchstens eine Person pro Tag empfangen. Menschen bis 27 Jahre dürfen auch wieder Teamsportarten betreiben. Die Außengastronomie wird voraussichtlich ab April geöffnet. Doch die Auflagen werden hoch sein: Eine vorherige Registrierung, ein Kontrollgespräch mit dem Kunden und eine Platzanweisung sind Pflicht. Weitere Öffnungen sind zudem erstmal nicht in Sicht. „Mehr zu tun wäre nicht klug. Die Zahl der Infektionen und die Belegung der Krankenhäuser ist immer noch zu hoch“, sagte Mark Rutte.
Wie läuft die Impfkampagne an? Sie war bemerkenswert schlecht gestartet. Der erste Impfstoff wurde in den Niederlanden erst am 6. Januar gespritzt. Gesundheitsminister Hugo de Jonge geriet so zunehmend in die Kritik. Mittlerweile aber läuft es. 1,6 Millionen Dosen wurden bereits gespritzt. Die Regierung geht davon aus, dass dieser Tage etwa 40.000 Impfungen pro Tag stattfinden. Die Impfquote der über 80-Jährigen ist bereits hoch. Eine Impflicht gibt es im Nachbarland nicht. Allerdings erklärte de Jonge jüngst „kein Verständnis, null Verständnis” für Menschen zu haben, die sich nicht impfen lassen. Er ruft dazu auf, „jedem zu widersprechen, der die Bedeutung der Impfung untergräbt“.
Welchen Einfluss hat der Wahlkampf? Er sorgt für ein hitziges Klima im Land. Am Mittwoch, 17. März, wählen die Niederländer ein neues Parlament. Klar ist: Es braucht dringend eine neue Regierung. Das Kabinett von Rutte ist seit einigen Wochen nur noch geschäftsführend im Amt. Ein Skandal um fälschlich durch den Staat zurückgeforderte Beihilfen für die Kinderbetreuung, der tausende Familien in den finanziellen Ruin drängte, stürzte die Regierung Ende Januar. Mark Rutte aber, der sich im Wahlkampf als Corona-Premier inszeniert, scheint all das wenig anhaben zu können. In Umfragen liegt seine rechtsliberale VVD uneinholbar vorne.
Dürfen wir Ostern Urlaub in den Niederlanden machen? Wohl eher nicht. Zwar gibt es weiterhin keine Grenzkontrollen, doch das Auswärtige Amt warnt unverändert vor touristischen Reisen ins Nachbarland. Ohnehin müsste man viel Zeit mitbringen, wenn man rund um das höchste christliche Fest gen Zandvoort, Domburg oder Noordwijk fährt. Die ersten zehn Tage des Urlaubs müssen Reisende in häuslicher Quarantäne verbringen. Nach fünf Tagen kann man sich freiwillig testen lassen. Ist der Test negativ, kann die Quarantäne aufgehoben werden.