Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Borussia und das Spielglück des Tüchtigen
Marco Roses Mannschaft ist oft nah dran an einem Erfolgserlebnis und verliert meistens dennoch verdient.
Borussia steckt in der längsten Sieglos-Serie seit Ende 2016. Von den vergangenen sieben Spielen mag Marco Roses Mannschaft keines gewonnen haben, doch untergangen, auseinandergebrochen, demontiert worden – so die gängigen Wendungen – ist sie in keinem davon. 4:11 Tore und nur eine Pleite mit mehr als einem Gegentor – diese Krise ist auch deshalb so zehrend, weil Borussia ergebnismäßig nicht weit weg ist von Erfolgserlebnissen, ihr in dieser Phase aber auch keine himmelschreienden Ungerechtigkeiten widerfahren sind. Das ist die Konstellation, in der Trainer gerne fehlendes „Spielglück“beklagen.
„Ich habe es bewusst nicht in den Mund genommen, weil ich es nicht überstrapazieren will“, sagte Rose zuletzt, noch vor dem 0:1 gegen Bayer Leverkusen, als unsere Redaktion ihn darauf ansprach. „Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir zu wenig Spielglück haben. Das Spielglück muss man sich erkämpfen und erarbeiten, über selbstbewusstes Handeln ist das möglich.“Man könnte es auch „das Spielglück des Tüchtigen“nennen.
Borussia ist jedoch längst drin in einem Negativstrudel, in dem es leichter gesagt, als getan ist, mit dem nötigen Glauben an die eigene Stärke aufzutreten. Gegen Leverkusen ging es mit 3:7 Torschüssen und 35
Prozent Ballbesitz torlos in die Kabine, auch eine Form des Spielglücks. Danach hatte Gladbach seine beste Phase. Die mündete beinahe in einem Elfmeter, doch Valentino Lazaro hatte bei seinem missglückten Fallrückzieher, der beim gefoulten Marcus Thuram gelandet war, im Abseits gestanden. Spielglück hat auch etwas von Fügung, der Spielverlauf legt einer Mannschaft beruhigend die Hand auf die Schulter.
Rose nannte seine Definition des Begriffs und ein paar Beispiele: „Du kannst es an vielen Kleinigkeiten festmachen in Phasen, in denen du keine Ergebnisse holst. Oft sind es Situationen, bei denen du denkst: Das hätte aber auch in die andere Richtung gehen können“, so der 44-Jährige. „Wolfsburgs Weghorst rutscht beim Elfmeter weg, am Ende zieht Leipzig ins Pokal-Halbfinale ein. Bei uns steht Marcus Thuram gegen Dortmund bei einem sehr schönen Angriff einen Fuß breit im Abseits. Gegen Mainz schlägt das Ding aus spitzem Winkel gegen den Innenpfosten ein.“Aber, und Rose war es wichtig, das zu betonen: „Das Spielglück an dem Tag hatte Mainz sich verdient.“
Genauso gab es Situationen in der jüngeren Vergangenheit, in denen es das Spielglück gut meinte mit Borussia. Die Abgrenzung zum reinen Glück ist dabei manchmal schwierig: Wie ist es zu nennen, wenn Florian
Neuhaus direkt nach dem frühen Rückstand gegen Köln von der Strafraumgrenze abzieht und sein Schuss unhaltbar abgefälscht wird? Wie wenig Borussia anschließend daraus zog, war ein erstes Alarmsignal.
Gegen Leverkusen hätte das Spiel, als es längst nach einem 0:0 roch, nicht mehr in Richtung der Gäste kippen müssen. Doch Borussia gewährte dem Gegner eben noch einmal einen Konter nach Ballverlust im Mittelfeld, den einen zu viel. Immer nah dran zu sein und trotzdem nicht zu punkten, ist eine Frage des Spielglücks. Aber nicht die drängendste bei Rose und seinem Team.