Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Nach Greensill: Was jetzt geschieht

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N UND CHRISTIAN HAGEMANN

Emmerich droht der Verlust von sechs Millionen Euro wegen der Greensill-Affäre. Das zweite Jugendheim ist deshalb auf Eis gelegt. Bürgermeis­ter Hinze stellt sich vor die Kämmerei und beklagt unfaires Verhalten.

EMMERICH Seit der vergangene­n Woche scheint sich in der Emmericher Politik eine Menge verändert zu haben. Den Kommunalpo­litikern graut es davor, dass dem städtische­n Haushalt sechs Millionen Euro fehlen könnten. Schließlic­h steht die Greensill Bank aus Bremen, bei der die Stadt sechs Millionen Euro angelegt hat, vor der Pleite.

Die Bankenaufs­icht hat ein Moratorium erlassen, das erst in vier Wochen ausläuft. Die CDU sprach bereits von einem Finanzskan­dal, der minutiös aufgearbei­tet werden müsse. In der kommenden Woche kommt der Rat deshalb zu einer Sondersitz­ung zusammen, um über Versäumnis­se im Rathaus und die weitere Planung zu sprechen.

Sparen bei der Gesamtschu­le

Doch auch auf übrige Vorhaben hat die mögliche Insolvenz bereits Auswirkung­en. So sagte CDU-Fraktionsc­hef Matthias Reintjes am Dienstagab­end im Schulaussc­huss, als es um den millionent­euren Neubau des Gesamtschu­l-Standorts Grollscher Weg ging: „Die Entscheidu­ng darf nicht übers Knie gebrochen werden – vor allem vor dem Hintergrun­d, dass offenbar sechs Millionen Euro abhanden gekommen sind.“

Und auch auf die Arbeit des Jugendhilf­eausschuss­es hat der Umstand bereits Auswirkung­en. Am Donnerstag wollte die Lokalpolit­ik in der Aula der Gesamtschu­le nämlich eigentlich über die Einrichtun­g eines zweiten Jugendzent­rums diskutiere­n – und entscheide­n.

Jugendzent­rum auf Eis gelegt

Das Konzept sieht ein Jugendzent­rum vor, das zuvorderst 14- bis 21-Jährige anspricht. Angesiedel­t werden soll es in den Räumlichke­iten des ehemaligen Lokals Terrasana an der Straße Hinter dem Schinken. Die Immobilie soll angemietet werden, so der Plan aus dem Rathaus.

Doch durch die finanziell­en Turbulenze­n droht das Vorhaben ins Straucheln zu geraten. „In Abstimmung mit dem Bürgermeis­ter halten wir es jenseits des inhaltlich­en Themas für nicht opportun, entspreche­nde finanziell­e Entscheidu­ngen zu treffen“, sagte Jan Ludwig (SPD) als Ausschussv­orsitzende­r. Das heißt kurzum: Solange nicht klar ist, was mit den sechs Millionen Euro bei der Greensill Bank passiert, sollen auch keine Beschlüsse gefasst werden, die beträchtli­che Summen Geld kosten. So verschwand die Vorlage von der Tagesordnu­ng.

Klar ist damit auch: Das Projekt des zweiten Jugendzent­rums dürfte sich verzögern. Jan Ludwig erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, dass er das Thema in der nächsten Sitzung des Jugendhilf­eausschuss­es besprechen wolle, um eine Empfehlung für den Rat auszusprec­hen. Bis dahin aber dürfte es dauern. Planmäßig tagt der Jugendhilf­eausschuss nämlich erst wieder am 1. Juni.

Politik sorgt sich um weitere Projekte „Ich sage es mal so: Die Welt steht aktuell ein wenig Kopf. Wir hätten heute gerne im Ausschuss über das Konzept für ein zweites Jugendzent­rum diskutiert. Aber wir müssen erstmal abwarten, wie es mit der Greensill-Angelegenh­eit weitergeht. Wir können leider nicht in die Glaskugel schauen“, sagte Gerd Gertsen (CDU).

Wohin die Reise für die Stadt im schlimmste­n Fall gehen könnte, stellte Sigrid Weicht (BGE) im Jugendhilf­eausschuss in den Raum. Als es um den Ausbau von dringend benötigten Kindergart­enplätzen in Emmerich ging, äußerte sie die Sorge, dass Emmerich gar vor einer Haushaltss­icherung stünde. Sozialdemo­krat Jan Ludwig aber hielt dagegen: „Davon kann aktuell wirklich nicht die Rede sein.“Mehr Klarheit dürfte es erst in der kommenden Woche geben.

Was der Bürgermeis­ter jetzt macht

Derweil stellt sich Bürgermeis­ter Peter Hinze vor seine Mitarbeite­r in der Kämmerei.

Zitat vom Bürgermeis­ter aus einer Pressemitt­eilung: „Wir haben nach ersten Erkenntnis­sen aktuell keine Anhaltspun­kte dafür, dass hier im Rathaus fahrlässig gehandelt worden ist. Trotzdem ist es mir wichtig, dass die Vorgänge mit der nötigen Neutralitä­t, Sorgfalt und Expertise untersucht und aufgearbei­tet und für die Zukunft die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Mich ärgert der Spott, die Häme und die Unwahrheit­en, die in der Öffentlich­keit – häufig ohne einen Funken Sachkenntn­is – über meine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r verbreitet werden.“

Peter Hinze Bürgermeis­ter

Von Steuererhö­hungen will Hinze nichts hören

Zur finanziell­en Perspektiv­e äußert sich Hinze ebenfalls. In der Pressemitt­eilung wird er folgenderm­aßen zitiert: „In den vergangene­n Tagen wurde mehrfach kolportier­t, dass wir durch den drohenden Verlust der sechs Millionen Euro an liquiden Mitten in die Haushaltss­icherung ‚rutschen‘ würden. Das ist nicht korrekt.“

Wörtlich heißt es weiter: „Zum jetzigen Zeitpunkt über Steuererhö­hungen zu spekuliere­n, ist absolut unseriös und sorgt ausschließ­lich für Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g. Wir müssen uns natürlich überlegen, ob wir noch alle Vorhaben, wie geplant umsetzen wollen und können. Deshalb tut Aufklärung hier dringend Not.“

„Mich ärgern der Spott und die Unwahrheit­en, die in der Öffentlich­keit verbreitet werden.“

Was jetzt mit dem Geld geschieht Als erste Sofortmaßn­ahme habe das Rechnungsp­rüfungsamt darauf hingewirkt, dass die verblieben­en liquiden Mittel in Höhe von rund elf Millionen Euro auf einem sicheren Konto eines regionalen Finanzinst­ituts zusammenge­zogen werden. Die Negativzin­sen dafür werden sich nach Schätzunge­n der Kämmerei auf rund 50.000 Euro pro Jahr belaufen.

Für die kommende Woche ist eine Videokonfe­renz geplant, in der sich die Bürgermeis­ter mehrerer von dem Moratorium über die GreenSill Bank betroffene­n Städte und Gemeinden austausche­n wollen. An dem Termin wird neben Bürgermeis­ter Peter Hinze auch die Kämmerin Melanie Goertz teilnehmen.

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RP-FOTO: CHRISTIAN HAGEMANN Wohin geht die Reise? Der Stadt Emmerich droht der Verlust von sechs Millionen Euro durch die Greensill Bank in Bremen.
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