Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Nach Greensill: Was jetzt geschieht
Emmerich droht der Verlust von sechs Millionen Euro wegen der Greensill-Affäre. Das zweite Jugendheim ist deshalb auf Eis gelegt. Bürgermeister Hinze stellt sich vor die Kämmerei und beklagt unfaires Verhalten.
EMMERICH Seit der vergangenen Woche scheint sich in der Emmericher Politik eine Menge verändert zu haben. Den Kommunalpolitikern graut es davor, dass dem städtischen Haushalt sechs Millionen Euro fehlen könnten. Schließlich steht die Greensill Bank aus Bremen, bei der die Stadt sechs Millionen Euro angelegt hat, vor der Pleite.
Die Bankenaufsicht hat ein Moratorium erlassen, das erst in vier Wochen ausläuft. Die CDU sprach bereits von einem Finanzskandal, der minutiös aufgearbeitet werden müsse. In der kommenden Woche kommt der Rat deshalb zu einer Sondersitzung zusammen, um über Versäumnisse im Rathaus und die weitere Planung zu sprechen.
Sparen bei der Gesamtschule
Doch auch auf übrige Vorhaben hat die mögliche Insolvenz bereits Auswirkungen. So sagte CDU-Fraktionschef Matthias Reintjes am Dienstagabend im Schulausschuss, als es um den millionenteuren Neubau des Gesamtschul-Standorts Grollscher Weg ging: „Die Entscheidung darf nicht übers Knie gebrochen werden – vor allem vor dem Hintergrund, dass offenbar sechs Millionen Euro abhanden gekommen sind.“
Und auch auf die Arbeit des Jugendhilfeausschusses hat der Umstand bereits Auswirkungen. Am Donnerstag wollte die Lokalpolitik in der Aula der Gesamtschule nämlich eigentlich über die Einrichtung eines zweiten Jugendzentrums diskutieren – und entscheiden.
Jugendzentrum auf Eis gelegt
Das Konzept sieht ein Jugendzentrum vor, das zuvorderst 14- bis 21-Jährige anspricht. Angesiedelt werden soll es in den Räumlichkeiten des ehemaligen Lokals Terrasana an der Straße Hinter dem Schinken. Die Immobilie soll angemietet werden, so der Plan aus dem Rathaus.
Doch durch die finanziellen Turbulenzen droht das Vorhaben ins Straucheln zu geraten. „In Abstimmung mit dem Bürgermeister halten wir es jenseits des inhaltlichen Themas für nicht opportun, entsprechende finanzielle Entscheidungen zu treffen“, sagte Jan Ludwig (SPD) als Ausschussvorsitzender. Das heißt kurzum: Solange nicht klar ist, was mit den sechs Millionen Euro bei der Greensill Bank passiert, sollen auch keine Beschlüsse gefasst werden, die beträchtliche Summen Geld kosten. So verschwand die Vorlage von der Tagesordnung.
Klar ist damit auch: Das Projekt des zweiten Jugendzentrums dürfte sich verzögern. Jan Ludwig erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, dass er das Thema in der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses besprechen wolle, um eine Empfehlung für den Rat auszusprechen. Bis dahin aber dürfte es dauern. Planmäßig tagt der Jugendhilfeausschuss nämlich erst wieder am 1. Juni.
Politik sorgt sich um weitere Projekte „Ich sage es mal so: Die Welt steht aktuell ein wenig Kopf. Wir hätten heute gerne im Ausschuss über das Konzept für ein zweites Jugendzentrum diskutiert. Aber wir müssen erstmal abwarten, wie es mit der Greensill-Angelegenheit weitergeht. Wir können leider nicht in die Glaskugel schauen“, sagte Gerd Gertsen (CDU).
Wohin die Reise für die Stadt im schlimmsten Fall gehen könnte, stellte Sigrid Weicht (BGE) im Jugendhilfeausschuss in den Raum. Als es um den Ausbau von dringend benötigten Kindergartenplätzen in Emmerich ging, äußerte sie die Sorge, dass Emmerich gar vor einer Haushaltssicherung stünde. Sozialdemokrat Jan Ludwig aber hielt dagegen: „Davon kann aktuell wirklich nicht die Rede sein.“Mehr Klarheit dürfte es erst in der kommenden Woche geben.
Was der Bürgermeister jetzt macht
Derweil stellt sich Bürgermeister Peter Hinze vor seine Mitarbeiter in der Kämmerei.
Zitat vom Bürgermeister aus einer Pressemitteilung: „Wir haben nach ersten Erkenntnissen aktuell keine Anhaltspunkte dafür, dass hier im Rathaus fahrlässig gehandelt worden ist. Trotzdem ist es mir wichtig, dass die Vorgänge mit der nötigen Neutralität, Sorgfalt und Expertise untersucht und aufgearbeitet und für die Zukunft die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Mich ärgert der Spott, die Häme und die Unwahrheiten, die in der Öffentlichkeit – häufig ohne einen Funken Sachkenntnis – über meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbreitet werden.“
Peter Hinze Bürgermeister
Von Steuererhöhungen will Hinze nichts hören
Zur finanziellen Perspektive äußert sich Hinze ebenfalls. In der Pressemitteilung wird er folgendermaßen zitiert: „In den vergangenen Tagen wurde mehrfach kolportiert, dass wir durch den drohenden Verlust der sechs Millionen Euro an liquiden Mitten in die Haushaltssicherung ‚rutschen‘ würden. Das ist nicht korrekt.“
Wörtlich heißt es weiter: „Zum jetzigen Zeitpunkt über Steuererhöhungen zu spekulieren, ist absolut unseriös und sorgt ausschließlich für Verunsicherung in der Bevölkerung. Wir müssen uns natürlich überlegen, ob wir noch alle Vorhaben, wie geplant umsetzen wollen und können. Deshalb tut Aufklärung hier dringend Not.“
„Mich ärgern der Spott und die Unwahrheiten, die in der Öffentlichkeit verbreitet werden.“
Was jetzt mit dem Geld geschieht Als erste Sofortmaßnahme habe das Rechnungsprüfungsamt darauf hingewirkt, dass die verbliebenen liquiden Mittel in Höhe von rund elf Millionen Euro auf einem sicheren Konto eines regionalen Finanzinstituts zusammengezogen werden. Die Negativzinsen dafür werden sich nach Schätzungen der Kämmerei auf rund 50.000 Euro pro Jahr belaufen.
Für die kommende Woche ist eine Videokonferenz geplant, in der sich die Bürgermeister mehrerer von dem Moratorium über die GreenSill Bank betroffenen Städte und Gemeinden austauschen wollen. An dem Termin wird neben Bürgermeister Peter Hinze auch die Kämmerin Melanie Goertz teilnehmen.