Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Woher Goch seine hohen Schulden hat
In der Statistik der Schuldenlast steht Goch nach den Zahlen im Kreis-Vergleich besonders schlecht da. Kämmerin Bettina Gansen erklärt die Hintergründe.
GOCH Es war dem Bürgermeister im Hauptausschuss sichtlich schwer gefallen, den Lokalpolitikern von seinem Vorhaben zu berichten, für den Straßenbau neue Kredite aufzunehmen. Denn Ulrich Knickrehm vom BFG war 2015 nicht zuletzt als Bürgermeisterkandidat angetreten, um die Verschuldung seiner Heimatstadt zurückzuführen. Schon als Fraktionsvorsitzender seiner Wählergemeinschaft hatte er seinen Vorgänger im Amt scharf dafür kritisiert, zu leichtfertig neue Kredite aufzunehmen.
Die Kursänderung ist keine grundsätzliche, sondern dient allein dem Ausbau des Straßennetzes und kann mit dem derzeit außergewöhnlichen Niedrigzins begründet werden, betont Kämmerin Bettina Gansen. Auch andere Kommunen wie Kleve erlauben sich jetzt, neue Schulden zu machen. Die jüngsten Zahlen
des statistischen Landesamts rufen dabei einmal mehr in Erinnerung, dass die Finanzlage weiterhin schwierig ist.
Bettina Gansen hat sich für die Rheinische Post die Entwicklung der Situation, die sie seit 2008 maßgeblich begleitet, nochmal genau angesehen. Es sind vor allem die Altschulden, die das Problem ausmachen. Ein intensiver Blick auf die vergangenen zehn bis zwölf Jahre zeigt, woher die Schulden stammen und auch, dass sie nicht Ergebnis unsoliden Wirtschaftens sind, so die Fachfrau. Auch die Vorgänger an der Stadtspitze hätten keine spekulativen Geschäfte gemacht und eine seriöse Finanzwirtschaft betrieben. Das werden auch die Zuständigen in Emmerich sagen, und doch sieht rückblickend manche kommunale wirtschaftliche Entscheidung zumindest mutig aus.
Bettina Gansen erinnert sich daran, dass 2009, als sie neu in der Kämmerei war, die Stadt „null Euro“Kassenkredit zu bedienen hatte. „Der Haushalt verschlechterte sich rapide im Jahr 2010, als uns die Gewerbesteuereinnahme wegbrach, sie betrug damals unter zehn Millionen Euro. Zum Vergleich: Heute werden in diesem Bereich gut 17 Millionen Euro eingenommen.“Als „Katastrophenjahr“bezeichnet sie 2014, als der Haushalt ein Negativergebnis von rund sieben Millionen Jahr auswies. „Da fehlte dann tatsächlich das Geld, um die laufenden Kosten zu decken, und es mussten Kassenkredite aufgenommen werden. Damals kamen wir auf ein Kassenkredit-Volumen von 21,5 Millionen Euro.“
Allerdings müsse man sehen, dass Goch in jenen Jahren auch extrem viel investiert habe: 2006 wurde das Rathaus größtenteils neu gebaut und der Altbau saniert, in den 2000-er Jahren wurde das Gymnasium neu und das alte Gymnasium zur Gesamtschule umgebaut, Hauptschulen (früher zwei) und Realschule wurden modernisiert, auch die Grundschulen wurden nicht vergessen. Es gab teure Straßenbauprojekte. Und neue Kanäle.
Wenn von den Gocher Schulden gesprochen wird, muss man wissen, dass ein Großteil der bilanzierten Kosten – 81 Millionen Euro – in den ausgelagerten Betrieben angesiedelt ist. 49 Millionen Euro Schulden liegen beim Vermögensbetrieb, 32 Millionen beim Abwasserbetrieb. Goch habe in den vergangenen zehn Jahren 21 Millionen Euro in Kanäle, Rückhaltebecken und Anlagen investiert und dafür natürlich auch Kredite aufnehmen müssen. Allerdings wird dieser Bereich ja weitgehend durch die Gebührenzahler refinanziert. Rund 19 Millionen Euro an „Miesen“stehen im Kernhaushalt. „In den Zahlen des Landesamts sind die fünf Millionen Euro, die wir 2020 getilgt haben, noch nicht enthalten“, ergänzt Gansen. Entsprechend seien es unterm Strich nicht 101 Millionen Euro, wie die NRW-Statistik für 2019 ausweist, sondern etwa 96 Millionen Euro. Im übrigen habe Goch auch in den vergangenen zehn Jahren getilgt: rund zehn Millionen Euro. Dennoch sei investiert worden: im Schnitt vier Millionen Euro pro Jahr.
Bettina Gansen erklärt, dass ein Teil der Schulden auch nur rein buchhalterisch Schulden seien. So müsse sie die Beträge aus dem Förderprogramm „Gute Schulen“entsprechend ausweisen. Nach ihrer Rechnung stehen im Haushalt aktuell 15,5 Millionen echtes Kassenkreditvolumen. In den Jahren 2014/15 seien es 21,5 Millionen gewesen – die Tendenz weise also in die richtige Richtung.
Schwer abzuschätzen ist für alle Kommunen, wie sich die Corona-Pandemie auf die städtischen Finanzen auswirken wird. Wie entwickeln sich die Steuereinnahmen, wie geht es im Sozialbereich und mit den Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften weiter, wie teuer wird der Bereich Jugend und Familie? Die Kommunen können mit Hilfe des neuen NKF-Covid19-Isolierungsgesetzes ihre Belastungen durch die Pandemie in einem Nebenhaushalt über 50 Jahre abschreiben. Wie genau mit dem Thema umgegangen wird, darüber wird der Gocher Rat 2024 entscheiden.