Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Ohne Xanten hätte es Mallorca nie gegeben“

Vor 30 Jahren wurde im APX die erste Open-air-Show von „Wetten, dass..?“produziert. Der damalige Producer Holm Dressler erklärt im Interview, warum es eine der aufwendigs­ten Ausgaben wurde und wieso es keine Wiederholu­ng in Xanten gab.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE MARKUS WERNING.

XANTEN Den Regen hat Holm Dressler nicht vergessen. 30 Jahre ist es her, dass „Wetten, dass..?“erstmals unter freiem Himmel produziert wurde. Es hatte Bedenken gegeben – wegen des Wetters. Und dann schüttete es tagelang. Aber kurz vor Beginn der Sendung am 19. Juni 1991 im Archäologi­schen Park Xanten (APX) riss der Himmel auf. Holm war damals Producer von „Wetten dass..?“. Im Interview spricht er über die Vorbereitu­ngen, den Regen und die Auswahl der Wetten.

Herr Dressler, wieso wurde „Wetten, dass..?“damals überhaupt in Xanten produziert?

HOLM DRESSLER Zunächst müssen Sie wissen, dass damals eine Show ausgefalle­n war, die in Offenburg geplant gewesen war. Wir waren auch schon angereist, aber wegen der Situation im Nahen Osten waren wir alle besorgt. Der Ausbruch des Golfkriegs drohte, er begann leider auch. Das ZDF sagte die Sendung dann ab, und wir sind alle wieder nach Hause gefahren. Aber der Sender sagte anschließe­nd, dass wir als Ersatz eine Bonus-Show machen durften, und da hatte jemand die Idee, dafür nach draußen zu gehen, nicht in eine Halle. Also wurden wir gefragt, was wir von einer Open-air-Show hielten, und ich kann mich daran erinnern, dass Thomas und wir anderen, die verantwort­lich waren, gar nicht begeistert waren.

Warum nicht?

DRESSLER Wir sagten uns: Wir werden kein Dach über dem Kopf haben, aber in Deutschlan­d regnet es dauernd. Was machen wir, wenn es während der Sendung regnet? Wir können nicht alles überdachen, da können wir gleich in eine Halle gehen. Es gab also im Vorfeld Diskussion­en. Wir fragten uns, ob openair mit diesem Aufwand überhaupt sinnvoll ist. Auf der anderen Seite erkannten wir den Reiz, Wetten unter freiem Himmel zu ermögliche­n, die in einer Halle gar nicht möglich sind. In anderen Sendungen hatten wir zum Beispiel Fallschirm­springer gesehen. Also stand auf der einen Seite die Sorge, dass wir schlechtes Wetter bekommen, auf der anderen haben wir den Reiz erkannt, ein großes Spektakel zu machen. Der Reiz hat dann gewonnen.

Warum fiel die Wahl auf Xanten? DRESSLER Grundsätzl­ich kann ich sagen, dass wir nicht in großen Städten auftreten wollten. Das war Thomas’

Wunsch. Er sagte, dass in großen Städten schon so viele Konzerte und andere Events stattfinde­n. Wir sollten aber ein Ereignis bleiben. Wenn wir in einem Ort aufschluge­n, sollten die Menschen auf uns aufmerksam werden. Aber wo wir dann am Ende auftraten, war keine Entscheidu­ng des Unterhaltu­ngschefs, auch keine Entscheidu­ng von Thomas oder von mir als Redaktions­leiter, sondern vom ZDF. Teilweise waren es auch länderpoli­tische Entscheidu­ngen und wurden dadurch beeinfluss­t, welches Bundesland gerade drängelte.

Wie war Ihr erster Eindruck vom Archäologi­schen Park als Ort für die Show?

DRESSLER Wir hatten im Archäologi­schen Park Xanten eine Vorbesicht­igung, haben uns alles angeschaut und erkannt, dass es nicht reichen wird, nur die Kameras aufzustell­en, sondern dass wir hinter den Kulissen kräftig aufbauen müssen. Wir waren uns auch einig, dass wir auf eine Außenschal­tung nicht verzichten wollten, was eigentlich paradox war, weil wir schon draußen waren, aber es war ein besonderes Element, und uns war klar, dass wir redaktione­ll etwas bieten müssen. Thomas sagte auch: Freunde, lasst mich nicht in große Talk-Runden einsteigen, das ist nicht sinnvoll, wir laden keine Amerikaner ein, die Filme vorstellen, wir laden auch keine Gäste ein, die etwas erzählen wollen.

Warum war Thomas Gottschalk gegen längere Gespräche während der Open-air-Show?

DRESSLER Wir hatten ja schon Open-air-Erfahrung. Alle zwei Jahre auf der Internatio­nalen Funkausste­llung in Berlin machten Thomas und ich eine Show unter freiem Himmel. Er war also darauf trainiert. Aber er hatte die Sorge, dass in einer Arena ein Talk nicht funktionie­rt, obwohl „Wetten, dass..“auf diesen drei Beinen stand: Talk, Wetten, Show. Aber wir dachten uns: In einer Open-air-Situation, in einer Arena unterhält sich das Publikum untereinan­der, will Action erleben, aber nicht konzentrie­rt einem Gespräch unten in der Arena folgen. Deshalb war Thomas’ Wunsch, dass wir diesmal keine Gäste einladen, die etwas erzählen wollen, sondern andere Moderatore­n, weil er sagte: Wenn etwas schiefgeht, dann sind wir zusammen acht Moderatore­n, und die anderen wissen, wie es mir geht.

Wie liefen die Vorbereitu­ngen? Sie sprachen einmal davon, dass es eine der aufwendigs­ten „Wetten, dass.?“-Shows war.

DRESSLER Das ZDF nahm sich für die Open-air-Sendung mehr Zeit als sonst. Wenn wir mit „Wetten, dass..?“in eine Halle gingen, buchten wir sie für eine Woche. Dann hatten wir vier Tage für den Aufbau, drei Tage für die Proben. Für die Openair-Show reiste das ZDF schon zwei Wochen vorher an. Durch die Vorbesicht­igung wussten wir, dass wir hinter den Kulissen Zelte aufbauen mussten für die Maske, die Garderobe, das Lager. Wir mussten auch die Arena zum Teil umbauen, wir brauchten Bühnen für die Showteile, für die Scorpions, Herbert Grönemeyer und Heinz Rudolf Kunze. Da wir dieses Mal außerdem sieben statt vier Wetten hatten, mussten wir auch viel mehr Fragen vorher klären. Wo lagern wir die Autos, die ein Kandidat umwerfen sollte? Wann muss der Hubschraub­er mit den Fallschirm­springern starten? Wir mussten an so viele Dinge denken. Deshalb ist die Open-air-Sendung in Xanten bis heute eine der aufwendigs­ten „Wetten, dass..?“Shows. Nicht, weil wir teure Stars hatten, sondern weil diese Vorbereitu­ngszeit, der Aufbau, der Backstage-Bereich, die ganze Leitungsüb­ertragung mit entspreche­nd vielen Menschen notwendig waren.

Wie haben Sie die Wetten ausgesucht?

DRESSLER Sie müssen wissen, dass uns zirka 2500 Menschen angeschrie­ben und Wetten vorgeschla­gen haben, wenn wir einen Wett-Aufruf gestartet hatten. Das bedeutet, man musste 2500 Briefe lesen. Dafür gab es eine Extra-Redaktion unter meiner Leitung. Nicht jeder Vorschlag war ein Treffer. Von den 2500 Wetten blieben vielleicht 250 in der engeren Auswahl. Aber auch 250 Wetten kann man nicht erst testen, um dann die Wetten für die Show auszuwähle­n. Also haben wir die Leute angerufen und gefragt, wie sie sich ihre Wette vorstellen. Danach blieben 25 übrig, und man sprach noch einmal mit den Leuten, bis es nur noch zehn Wetten waren, die dann getestet wurden. Dafür fuhr ich zu den Kandidaten oder die Kandidaten kamen zu uns, und ich habe mir die Wette angesehen. In einigen Fällen sagte ich dann: Prima, wir wollen es haben. In anderen Fällen sagte ich: Der Ansatz ist gut, aber wir müssen redaktione­ll etwas ändern. Und ein Drittel der Wetten war nichts für uns, selbst wenn sie klappten. Denn eine wesentlich­e Sache bei einer Wette war, dass sie auch dann spannend war, wenn sie nicht klappte. Das war mir als Redaktions­leiter wichtig. Ich habe mich immer gefragt: Was sehe ich, wenn die Wette verloren geht? Was passiert dann? Nicht nur eine gewonnene Wette muss großartig sein, sondern auch eine knapp verlorene. Viele Kandidaten dachten, ihre Wette muss klappen, und haben sich beschwert, wenn wir es für sie schwierige­r gemacht haben. Aber der Sinn einer Wette ist der offene Ausgang. Diese Spannung muss sein.

Wann haben Sie die Wetten in Xanten geprobt?

DRESSLER Ab Mittwoch vor der Show haben wir uns alle Wetten vorführen lassen. Dabei ging es aber nicht darum, ob die Wette gewonnen wird, sondern darum, ob die Kameras alles erfassen, das war gerade bei den Fallschirm­springern nicht ganz einfach. Wo ist der Punkt, an dem sie sichtbar sind, welche Objektive brauchen wir? Auch die Außenwette­n haben wir geprobt, alles mit dem Ziel, dass am Samstag, 20.15 Uhr, alles läuft. Aber wir wussten: Zur Not haben wir Thomas, wenn wir zwischendu­rch überbrücke­n mussten. Wer, wenn nicht Thomas, schafft das? In solchen Momenten haben wir uns auf ihn verlassen.

Wie haben Sie selbst die Sendung erlebt?

DRESSLER Ich war in der Arena. Mein Prinzip als verantwort­licher Redakteur und später Produzent war es, während der Sendung in Sichtweite des Moderators zu sein. Nur dort konnte ich noch Einfluss nehmen und helfen. Wenn gerade Luft war, konnte ich zum Moderator gehen und sagen, dass alles gut läuft oder dass etwas korrigiert werde muss. Und wenn der Moderator Fragen hatte, konnte ich ihm die Antworten geben. Die Kollegen sind immer in den Übertragun­gswagen gegangen, aber dort sitzt der Regisseur, dort braucht es mich nicht. Ich war immer der direkte, sichtbare Partner für den Moderator, der neben der Hauptkamer­a stand, auch in Xanten.

Während der Proben in Xanten hat es geregnet, bis kurz vor der Sendung. Haben Sie befürchtet, dass die Sendung schiefgehe­n kann? DRESSLER Dass etwas schiefgehe­n kann, gehört zum Wesen einer Live-Sendung dazu. Wenn man das nicht möchte, darf man keine LiveShow machen. Wir gaben uns alle Mühe, um zu vermeiden, dass etwas nicht klappt, aber man konnte es natürlich nie ausschließ­en. Als es dann in Xanten so fürchterli­ch regnete und der Wetterberi­cht auch keine Besserung voraussagt­e, haben wir uns schon Gedanken gemacht, genauso wie die Kandidaten. Der Mann, der die Autos umwerfen sollte, war gelassen, der konnte seine Wette bei Wind und Wetter machen. Aber die Fallschirm­springer sagten: Wir müssen zumindest die Arena durch die Wolken sehen können. Immer wieder ging dann unser Blick zum Himmel, immer wieder haben wir das Wetteramt angerufen, während die Sendung näher rückte und schon ein Teil des Publikums in Regenjacke in der Arena saß. Aber wir haben uns Mut zugesproch­en, vom Naturell her waren wir optimistis­ch und haben uns gedacht: Das wird schon. Am Ende haben wir immer noch den Thomas, der mit jeder Situation zurechtkom­mt. Als dann 20 Minuten vor Beginn der Show der Himmel aufriss, die Sonne hervorkam und später noch der Opernsänge­r Giuseppe di Stefano vorm Sonnenunte­rgang „O Sole Mio“sang, haben wir gesagt, das glaubt uns doch keiner, dass wir diese Dramaturgi­e nicht inszeniert haben. Nach der Sendung fielen wir uns dann in die Arme und waren erleichter­t. Wir haben auch Glück gehabt, machen wir uns nichts vor.

Noch während der Show sagte Gottschalk, dass man wieder nach Xanten komme, sollte es noch einmal eine Open-air-Show geben. DRESSLER Das war in dem Moment bestimmt ernst gemeint. Der Thomas war natürlich auch froh, dass alles gut gelaufen war, und er ist jemand, der ehrlich und spontan sagt, was er denkt. Zunächst war die Open-air-Sendung aber nur als eine Ausnahme gedacht gewesen. Als dann Xanten hinter uns lag, die Haut wieder trocken war, haben wir uns gesagt: Draußen war schon geil, weil es Ereignis-Fernsehen war, worüber die Menschen gesprochen haben, und am Ende zählt das Publikum. Daraus ist dann die Idee geworden, weitere Open-air-Sendungen zu machen. Nur die Auswahl der Spielorte bestimmen am Ende andere, und es wurde dann gesagt: Lasst uns dorthin gehen, wo die Sonne scheint. Die zweite Open-airShow war dann in der Türkei, später wurde Mallorca als Ort gewählt, weil die Wahrschein­lichkeit für ein gutes Wetter größer war als in Deutschlan­d. Aber man kann schon sagen, dass es Mallorca ohne Xanten nie gegeben hätte.

Dressler hat eine Aufzeichnu­ng der Sendung auf Youtube veröffentl­icht: www. youtube.com/watch?v=LMXzeS-2oII

 ?? RP-FOTOS (6): ARMIN FISCHER ?? Wettkönig wurde Landwirt Rupert Ebner, der mit seinem Traktor einen Turm hochfuhr, oben wendete und wieder hinunterfu­hr.
RP-FOTOS (6): ARMIN FISCHER Wettkönig wurde Landwirt Rupert Ebner, der mit seinem Traktor einen Turm hochfuhr, oben wendete und wieder hinunterfu­hr.
 ??  ?? Thomas Gottschalk im Regencape: Während der Proben regnete es in Strömen. Erst kurz vor Beginn der Live-Sendung kam die Sonne hervor.
Thomas Gottschalk im Regencape: Während der Proben regnete es in Strömen. Erst kurz vor Beginn der Live-Sendung kam die Sonne hervor.
 ??  ?? Holm Dressler während der Proben in Xanten: Der heute 72-Jährige ist Autor, Regisseur und Produzent von vielen bekannten Sendungen, Filmen und Serien.
Holm Dressler während der Proben in Xanten: Der heute 72-Jährige ist Autor, Regisseur und Produzent von vielen bekannten Sendungen, Filmen und Serien.
 ??  ?? Das ZDF nahm sich zwei Wochen Zeit für den Aufbau, die Vorbereitu­ng und die Proben. Tagelang musste im strömenden Regen gearbeitet werden.
Das ZDF nahm sich zwei Wochen Zeit für den Aufbau, die Vorbereitu­ng und die Proben. Tagelang musste im strömenden Regen gearbeitet werden.
 ??  ?? Die Kulissen wurden an die Umgebung angepasst. Die Gäste wurden im römischen Streitwage­n in die Arena gefahren, hier Carolin Reiber.
Die Kulissen wurden an die Umgebung angepasst. Die Gäste wurden im römischen Streitwage­n in die Arena gefahren, hier Carolin Reiber.
 ??  ?? Gottschalk­s Gäste waren (v.l.): Gunther Emmerlich, Pit Weyrich, Carolin Reiber, Wolfgang Lippert, Fritz Egner, Michael Schanze und Rudi Carrell (fehlt hier).
Gottschalk­s Gäste waren (v.l.): Gunther Emmerlich, Pit Weyrich, Carolin Reiber, Wolfgang Lippert, Fritz Egner, Michael Schanze und Rudi Carrell (fehlt hier).

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