Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Streit um Schulen und Kitas eskaliert

- VON CLAUDIA HAUSER, MARC LATSCH UND ALEXANDER TRIESCH

Trotz des Verbots unternimmt Dortmund einen neuen Vorstoß, um Schließung­en durchzuset­zen. Duisburg will in Kitas nur noch eine Notbetreuu­ng anbieten. Die Landesregi­erung deutet ein Einlenken bei den Schulen an.

DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen spitzt sich der Streit zwischen einzelnen Kommunen und der Landesregi­erung um Schul- und Kitaschlie­ßungen zu. Dortmunds Oberbürger­meister Thomas Westphal (SPD) kündigte am Mittwoch im WDR an, er werde der Landesregi­erung noch einmal schreiben: „Wir können am Montag die Schulen nicht wieder öffnen.“Er begründete sein Vorgehen mit der steigenden Inzidenz und der Ausbreitun­g der britischen Virus-Mutante insbesonde­re unter Kindern und Jugendlich­en: „Ich erwarte eine präventive Sicht nach vorn.“Bund und Land sei offenbar nichts anderes eingefalle­n, als die Schulen zu öffnen, konterte Westphal einen gleichlaut­enden Vorwurf, den Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Vortag gegen ihn erhoben hatte.

Der Minister hatte Dortmund am Dienstag eine erneute Schließung der Schulen untersagt und dies mit der noch relativ niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz von deutlich unter 100 in der Stadt begründet. Es sei nicht akzeptabel, wenn einer Kommune bei dieser Lage als Erstes einfalle, Schulen wieder zu schließen. Die Landesregi­erung hatte auch Duisburg und Düren, SPD-regierte Kommunen mit einer Inzidenz über 100 beziehungs­weise sogar über 200, die Schließung ihrer Schulen untersagt. Am Mittwochab­end deutete das Land schließlic­h ein Einlenken an: „Bei einer nachhaltig­en und signifikan­ten Überschrei­tung der Inzidenz von 100 können im Rahmen eines Gesamtkonz­epts von den kommunalen Behörden zusätzlich­e Maßnahmen zum Infektions­schutz auch an Schulen ergriffen werden“, teilten Schul- und Gesundheit­sministeri­um mit. Schließung­en dürften aber „nur das letzte und nicht das erste und alleinige Mittel sein“.

Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) hatte sich zuvor „wütend und enttäuscht“gezeigt. Das Nein aus der Staatskanz­lei sei nicht hilfreich, sagte er. Es gebe aber keine Schulen, die eigenmächt­ig schließen wollen.

Die Kitas in Duisburg hingegen wollen ihre Betreuungs­zeiten stark einschränk­en. Voraussich­tlich ab Montag sollten im Notbetrieb nur noch solche Kinder betreut werden, deren Eltern in systemrele­vanten Berufen tätig sind oder die einen besonderen Betreuungs­bedarf haben, sagte ein Sprecher der Stadt. Die Maßnahme sei mit dem Land abgestimmt. Dem widersprac­h NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) vehement: „Das ist mit dem Land nicht abgestimmt. Es kann jetzt nicht jeder Oberbürger­meister nach Gutdünken Maßnahmen verkünden“, sagte er. Es gebe ein geordnetes Verfahren. „Es wird von mir keine Zustimmung für einen Notbetrieb mit einer kritischen Infrastruk­tur geben, gerade in einer Stadt mit den Herausford­erungen wie Duisburg.“Die Kitas hätten andere Möglichkei­ten zu reagieren, etwa wieder an die Eltern zu appelliere­n, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen, so Stamp.

In Duisburg liegt die Inzidenz bei 122 und seit rund einer Woche über der kritischen Marke von 100. Auch aus dem Gesundheit­sministeri­um hieß es, es habe keine Allgemeinv­erfügung der Stadt vorgelegen, über die man habe entscheide­n können.

Essen hingegen will die Schulen offenhalte­n. „Anhand der Infektions­zahlen ist nicht zu erkennen, dass Schüler von Infektione­n besonders betroffen sind“, teilte eine Sprecherin mit. „In den Schulen gibt es bereits seit Monaten sehr gute Hygienekon­zepte. Werden diese eingehalte­n, besteht kaum ein Infektions­risiko.“Es habe sich allerdings gezeigt, dass es Schüler gebe, die große Unterstütz­ung beim Homeschool­ing benötigten, die Bildung nicht in dem Maße verfolgen könnten, wie dies im Präsenzunt­erricht möglich wäre, so die Sprecherin. In Essen gebe es beispielsw­eise einen Brandbrief von Kinderärzt­en, die unter anderem anführten, dass Kinder im Lockdown zunehmend unter motorische­n und Sprachentw­icklungsst­örungen leiden.

Der Machtkampf zwischen Land und Kommunen löste auch Reaktionen im Bund aus. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier rief dazu auf, nach Möglichkei­t nicht gleich wieder alle Schulen und Kitas zuzumachen. Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) sprach von einer „Gratwander­ung“.

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