Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Streit um Schulen und Kitas eskaliert
Trotz des Verbots unternimmt Dortmund einen neuen Vorstoß, um Schließungen durchzusetzen. Duisburg will in Kitas nur noch eine Notbetreuung anbieten. Die Landesregierung deutet ein Einlenken bei den Schulen an.
DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen spitzt sich der Streit zwischen einzelnen Kommunen und der Landesregierung um Schul- und Kitaschließungen zu. Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) kündigte am Mittwoch im WDR an, er werde der Landesregierung noch einmal schreiben: „Wir können am Montag die Schulen nicht wieder öffnen.“Er begründete sein Vorgehen mit der steigenden Inzidenz und der Ausbreitung der britischen Virus-Mutante insbesondere unter Kindern und Jugendlichen: „Ich erwarte eine präventive Sicht nach vorn.“Bund und Land sei offenbar nichts anderes eingefallen, als die Schulen zu öffnen, konterte Westphal einen gleichlautenden Vorwurf, den Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Vortag gegen ihn erhoben hatte.
Der Minister hatte Dortmund am Dienstag eine erneute Schließung der Schulen untersagt und dies mit der noch relativ niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz von deutlich unter 100 in der Stadt begründet. Es sei nicht akzeptabel, wenn einer Kommune bei dieser Lage als Erstes einfalle, Schulen wieder zu schließen. Die Landesregierung hatte auch Duisburg und Düren, SPD-regierte Kommunen mit einer Inzidenz über 100 beziehungsweise sogar über 200, die Schließung ihrer Schulen untersagt. Am Mittwochabend deutete das Land schließlich ein Einlenken an: „Bei einer nachhaltigen und signifikanten Überschreitung der Inzidenz von 100 können im Rahmen eines Gesamtkonzepts von den kommunalen Behörden zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz auch an Schulen ergriffen werden“, teilten Schul- und Gesundheitsministerium mit. Schließungen dürften aber „nur das letzte und nicht das erste und alleinige Mittel sein“.
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) hatte sich zuvor „wütend und enttäuscht“gezeigt. Das Nein aus der Staatskanzlei sei nicht hilfreich, sagte er. Es gebe aber keine Schulen, die eigenmächtig schließen wollen.
Die Kitas in Duisburg hingegen wollen ihre Betreuungszeiten stark einschränken. Voraussichtlich ab Montag sollten im Notbetrieb nur noch solche Kinder betreut werden, deren Eltern in systemrelevanten Berufen tätig sind oder die einen besonderen Betreuungsbedarf haben, sagte ein Sprecher der Stadt. Die Maßnahme sei mit dem Land abgestimmt. Dem widersprach NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) vehement: „Das ist mit dem Land nicht abgestimmt. Es kann jetzt nicht jeder Oberbürgermeister nach Gutdünken Maßnahmen verkünden“, sagte er. Es gebe ein geordnetes Verfahren. „Es wird von mir keine Zustimmung für einen Notbetrieb mit einer kritischen Infrastruktur geben, gerade in einer Stadt mit den Herausforderungen wie Duisburg.“Die Kitas hätten andere Möglichkeiten zu reagieren, etwa wieder an die Eltern zu appellieren, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen, so Stamp.
In Duisburg liegt die Inzidenz bei 122 und seit rund einer Woche über der kritischen Marke von 100. Auch aus dem Gesundheitsministerium hieß es, es habe keine Allgemeinverfügung der Stadt vorgelegen, über die man habe entscheiden können.
Essen hingegen will die Schulen offenhalten. „Anhand der Infektionszahlen ist nicht zu erkennen, dass Schüler von Infektionen besonders betroffen sind“, teilte eine Sprecherin mit. „In den Schulen gibt es bereits seit Monaten sehr gute Hygienekonzepte. Werden diese eingehalten, besteht kaum ein Infektionsrisiko.“Es habe sich allerdings gezeigt, dass es Schüler gebe, die große Unterstützung beim Homeschooling benötigten, die Bildung nicht in dem Maße verfolgen könnten, wie dies im Präsenzunterricht möglich wäre, so die Sprecherin. In Essen gebe es beispielsweise einen Brandbrief von Kinderärzten, die unter anderem anführten, dass Kinder im Lockdown zunehmend unter motorischen und Sprachentwicklungsstörungen leiden.
Der Machtkampf zwischen Land und Kommunen löste auch Reaktionen im Bund aus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief dazu auf, nach Möglichkeit nicht gleich wieder alle Schulen und Kitas zuzumachen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach von einer „Gratwanderung“.