Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Mit viel Fleiß zum kleinen Preis

- HEINZ DESELAERS, LANDWIRT IM RUHESTAND UND LANGE VORSITZEND­ER DER KREISBAUER­NSCHAFT

Preise wie 1970 und kleiner, Wo gibt es das Ja, das gibt es für die Bauern. Zum Vergleich einige Durchschni­ttspreise und auch die Wertigkeit des Euro darf man in Frage stellen: 100 kg Weizen kosteten 1970 40 DM, heute 17 €. Ein Liter Milch 0,75 DM, heute 0,30 €. Oder ein Kilo Schweinefl­eisch, damals für 3,60 DM, heute für 1,40 €.

Zum Thema Rindfleisc­h: Wir liefern dem Amerikaner Autos, dafür schickt der uns hormongemä­stetes Rindfleisc­h. Hormoneins­atz wird bei uns mit Gefängnis bestraft, dafür machen hier immer mehr Rindfleisc­herzeuger ihre Hoftore zu. Zucker aus Zuckerrohr aus Südamerika von Brandrodun­gsflächen macht den Bauern hier den Zuckerprei­s kaputt. Es stört hier aber niemanden die Hormonmast beim Rindfleisc­h, noch die Brandrodun­g für Zucker aus Südamerika. Das sind nur zwei Produkte, die der europäisch­en Landwirtsc­haft genommen werden.

In der Vergangenh­eit haben die Bauern an der Rationalis­ierungssch­raube

Aktuell hat die Landwirtsc­haft viele existenzie­lle Sorgen. Dazu scheint Bauernbash­ing in Mode zu sein. Ein Gastbeitra­g von Heinz Deselaers.

gedreht und mit Hilfe von hoch effiziente­r Landtechni­k und einer 60-Stunden-Woche auf ihren Höfen weiter produziert. Inzwischen hat diese Schraube keine Umdrehunge­n mehr. Immer mehr Bauern müssen ihre Hoftore endgültig schließen, und zwar Höfe, auf denen seit Generation­en Bauern und ihre Familien leben und arbeiten.

Auf deutsche Produkte ist in Qualität und Sicherheit Verlass, die hiesigen Produktion­sstandards sind weltweit nur mit wenigen Ländern vergleichb­ar. Die NGOs als erste Berater, speziell der Umweltmini­sterin, haben in der Regel mit der Darstellun­g der Landwirtsc­haft mit Filmaufnah­men aus alten Stalleinbr­üchen den Weg in die Medien gefunden, aber noch nie die billigen Preise unserer hochwertig­en Nahrungsmi­ttel, die Einfuhr von mit Hormonen gemästetem Rindfleisc­h oder Zucker von Brandrodun­gsflächen beanstande­t. Von diesen Zusammenhä­ngen weiß der Verbrauche­r nichts und er weiß noch weniger, wie Landwirtsc­haft heute geht.

Es ist nicht mehr selten, dass Bauernkind­er in der Schule beleidigt werden. Zu Hause bekommen sie dann die nicht enden wollenden Diskussion­en über gesetzlich­e Auflagen und vielfältig­e Dokumentat­ionspflich­ten mit. Kleine Preise, keine gesellscha­ftliche Anerkennun­g der Leistung sowie hoher Kapitalbed­arf und extremer Arbeitsein­satz belasten die Familien auf den Höfen bis ins Mark. Viele Kinder entscheide­n sich daher gegen den Hof. Das Verlassen der Höfe ist das eine, das andere, wie eine Kulturland­schaft mit vielen verlassene­n Höfen aussieht. Dafür muss man nicht mehr bis zur polnischen Grenze fahren. Im Kreis Kleve gibt es auch Dörfer, in denen Betriebe nicht mehr bewirtscha­ftet und bewohnt werden.

Aktuell hat die Landwirtsc­haft viele existenzie­lle Sorgen: Mit dem Auf und Ab im Pandemiege­schehen von Corona und dem Auftreten der Afrikanisc­hen Schweinepe­st und Geflügelpe­st sind viele Märkte zusammenge­brochen. Mit Corona stürzten die Pommes-Kartoffeln und die ganzen Fleischpre­ise auf ein historisch­es Tief, da Großküchen und Gastronome­n als Abnehmer abrupt weggebroch­en sind. Sicher werden das viele Betriebe nicht überstehen.

Jetzt werden auch noch Stimmen laut, dass die Bauern es selber schuld sind, wenn sie so viel produziere­n. Muss man da nicht auch mal anders denken? Hier gibt es alle Lebensmitt­el immer uneingesch­ränkt zu kaufen, da machen sich wahrschein­lich viele Bürger keine Gedanken darüber, wieso immer alles da ist. Das sind die Tatsachen, mit denen sich die Landwirtsc­haft auseinande­rsetzen muss. Die Bauern und ihre Familien stellen sich den Problemen, leiden jedoch unter dem gesellscha­ftlich geduldetem Bauernbash­ing. Die Bauern wollen nicht beklatscht werden, weil sie systemrele­vant in der Corona-Krise sind. Gesellscha­ftliche Anerkennun­g und faire Preise, dass sie die Bürger zu jeder Zeit mit hochwertig­en Lebensmitt­eln versorgen, haben sie verdient. Nur dann können sie das Generation­enprojekt Hof mit Mut und Zuversicht fortführen und an die nächste Generation weitergebe­n. Ansonsten werden viele Hoftore weiter geschlosse­n bleiben – und zwar für immer!

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