Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Bananen-Pippi soll Kindern Mut machen
Der Künstler Thomas Baumgärtel will mit seinen Bildern Kindern, Lehrern und Erziehern in der Corona-Pandemie Danke sagen. Am Donnerstag verteilte er seine Kunstwerke in Geldern.
VEERT Ist er das? Ein Ami-Schlitten parkt vor der Schule. Kölner Kennzeichen, gelbe Banane am Heck. Das muss Thomas Baumgärtel alias „Bananensprayer“sein. Alle warten nur auf ihn: Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser, der Leiter des Tourismus- und Kulturbüros Rainer Niersmann, der Galerist Peter Rademacher, Beate Schindler vom Kulturraum Niederrhein, die kommissarische Leiterin der St.-Martini-Schule, Daniela Claßen, die Klassenlehrerin der 3a, Antonia Wagener, und die vier Schülerinnen Johanna, Maike, Josephine und Lisa. Nur der Stargast lässt auf sich warten.
Als er aussteigt, besteht kein Zweifel mehr. Die gelbe Steppjacke mit der Andy-Warhol-Gedächtnis-Banane auf dem Rücken ist so etwas wie sein Markenzeichen. Die sogenannte Exzellenzbanane ziert inzwischen Kunstorte auf der ganzen Welt. Der 60-Jährige hat die Erlaubnis, insgesamt Schulen, Kindergärten und das Jugendzentrum Checkpoint in Geldern an diesem Donnerstag mit seiner Kunst zu plakatieren. In der St.-Martini-Schule und der St-Michael-Schule darf er sogar noch mehr: sprühen nämlich. In einem schwarzen, etwas ramponierten Köfferchen mit Metallbeschlägen hat der Street-Art-Künstler seine wichtigsten Arbeitsuntensilien verstaut: die Spraydosen. Mit denen wird er gleich eine Wand am Seiteneingang der St.-Martini-Schule an der Brigittenstraße verschönern. „Das hält ewig“, sagt er.
Der Plan ist, neben der Eingangstüre eine 60 mal 42 Zentimeter große Pippi Langstrumpf zu sprühen, die berühmte Kinderbuchheldin von Astrid Lindgren. Doch bevor es soweit ist, wird über die richtige Stelle für das kopfstehende Mädchen diskutiert. Der Künstler tendiert zur rechten Wand, direkt neben dem Briefkasten. „Aber da sieht man sie nicht so gut von der Straße aus.“Links die Wand sei besser, dafür wird sie teilweise von einem Baum verdeckt. Und eigentlich sollte sich Pippi ja in Augenhöhe der Kinder bewegen, doch das wäre in diesem Fall eindeutig zu niedrig. Also wird sie weiter nach oben versetzt. So wird kurzfristig aus Urban-Art Performance-Kunst.
Früher prangte an der Stelle eine Lilie der Veerter Pfadfinder, die aber im Zuge der Renovierungsarbeiten grau überstrichen worden ist. Baumgärtel öffnet eine große schwarze Mappe und holt fünf Schablonen hervor, die er noch am Vortag zurechtgeschnitten hat. „Pippi goes bananas“hat er sein Kunstwerk getauft. Die Schülerinnen dürfen helfen, es an die Wand zu bringen.
Die Idee kam ihm während der Pandemie. Jeden Sonntag zog er mit seinem zehnjährigen Sohn durch Köln, um die Stadt mit seinen Bananenbildern etwas freundlicher zu gestalten. Irgendwann sei er auf Pippi Langstrumpf gekommen. „Die Kinder leiden schließlich am meisten unter den Einschränkungen“, sagt Baumgärtel, „und sie bringen die größten Opfer. Ein Jahr ist für ein Kind eine verdammt lange Zeit. Ein Jahr, in denen sie ihre Freunde nicht treffen können. Für sie, aber auch für die Lehrer und Erzieher wollte ich etwas Freudiges in die Welt bringen. Außerdem: Wenn schon die Galerien und Museen geschlossen sind, dann muss die Kunst zurück auf die Straße. Back to the roots sozusagen.“
Also fing er an, in Köln Pippis an Kindergärten zu sprühen. Nicht immer ganz legal. Wenn schon die ganze Welt Kopf steht, braucht es starke Persönlichkeiten, die sie wieder herumdrehen. So kam er auf Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, das stärkste Mädchen der Welt, die macht, was ihr gefällt. „Wenn jemand ein Pferd hochheben kann, dann ist er wohl auch stark genug, die Pandemie zu bekämpfen“, meint Baumgärtel. Kunst heile jedenfalls mehr, als viele Leute glauben. Vielleicht sei Kunst sogar besser als so mancher Impfstoff. Dachte sich auch sein Galerist Peter Rademacher, der schon im Dezember die Ausstellung „Thomas Baumgärtel – German Urban Pop Art“in Veert eröffnen wollte. Ging aber nicht wegen des Lockdowns. Seine Galerie PR8 liegt nur ein paar Häuser von der St.-Martini-Schule entfernt. Warum nicht die Kunst zu den Kindern bringen? In nur zwei Wochen stellte er mit der Stadt einen Plan auf die Beine. Ganz unbürokratisch, wie Rademacher sagt.
Bevor das Bild auf die Wand kommen kann, müssen die Kinder die Sprühflaschen erst noch kräftig schütteln. Klack, klack, klack geht das. Dann befestigt Baumgärtel die erste Schablone mit zwei gelben Klebestreifen. Anschließend ziehen sich die Schülerinnen Handschuhe über, denn es wird schmutzig. Noch ein paar Probesprüher auf die Pappe und los geht’s.
„Nicht so nah“, leitet Baumgärtel die Mädchen an. „Ganz entspannt bleiben. Wenn man zu viel Farbe nimmt, wird es ungleichmäßig.“Stinkt ja ganz schön, meint eine Schülerin und hustet gekünstelt. Bei den roten Backen von Pippi übernimmt wieder der Profi. Noch ein bisschen Orange und Gelb und Weiß und Schwarz – fertig ist das Kunstwerk. „Super“, freut sich die Schulleiterin. „Wie das leuchtet.“Ihre Schülerinnen sind dagegen von einem ganz anderen Detail fasziniert: von Pippis Bananenschuhen. Ohne Bananen geht bei Thomas Baumgärtel nämlich nichts.