Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Mehr Augenmaß bei Corona-Regeln
Die Landesregierung hat sehr schnell auf die juristische Niederlage in Sachen Corona-Schutzverordnung reagiert. Es gab und gibt keine vernünftige Erklärung dafür, warum man in einem Textilgeschäft einen Termin für den Einkauf braucht und in einem Buchladen nicht, warum in einem Schreibwarenladen gleichzeitig mehr Menschen einkaufen dürfen als in einem Uhrengeschäft. Gerade wenn alle Nicht-Lebensmittel-Geschäfte aufmachen dürfen, müssen die gleichen Regeln für alle gelten. Alles andere wirkt willkürlich.
Natürlich muss die Tatsache, dass eine uneingeschränkte Öffnung aller Geschäfte gravierende Folgen für Leben und Gesundheit vieler Menschen hat, auch Entscheidungen von Richtern leiten. Insofern war und bleibt es richtig, vor allem für Lebensmittelmärkte, Apotheken und Banken Sonderregeln gelten zu lassen. Was den Grundbedarf des Menschen deckt, ist im Zweifel anders zu behandeln als Geschäfte, die diese Bedürfnisse nicht befriedigen. Jede weitere Differenzierung muss aber sorgsam abgewogen werden, und das hat die Politik in Nordrhein-Westfalen bis Montagnachmittag versäumt.
Die großen Verlierer der Neuregelung sind Buchhändler, Schreibwarenläden und Gartenmärkte. Aber Grund zum Jubeln hatte auch der Rest der Branche in der kurzen Zeit zwischen Gerichtsbeschluss und Reaktion des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums eigentlich nicht. Werden die Regeln erst einmal wieder verschärft, hätte das Urteil aus Münster der Branche ohnehin wenig geholfen. Aber eine Erkenntnis hat der Ablauf vom Montag hoffentlich trotzdem ausgelöst: Die Politik muss bei der Festlegung von Corona-Regeln mehr Augenmaß haben. Insofern kann und sollte das Ganze auf jeden Fall Langzeitwirkung haben.