Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“

Die Kanzlerin bittet die Bevölkerun­g um Verzeihung und nimmt den Beschluss für Ruhetage vor Ostern zurück. Die Arbeitswei­se der Ministerpr­äsidentenk­onferenz soll reformiert werden.

- VON JAN DREBES, KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF/BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat die mit den Ländern verabredet­e Ruhetagsre­gel über die Ostertage zurückgeno­mmen und für die entstanden­e Verunsiche­rung um Entschuldi­gung gebeten. Merkel bezeichnet­e das Vorhaben am Mittwoch als persönlich­en Fehler. Nur zwei Tage nach der Bund-Länder-Runde reagierte die Kanzlerin damit auf die heftige Kritik an den verschärft­en Corona-Maßnahmen zu Ostern und stoppte in einer eilends angesetzte­n Ministerpr­äsidentenk­onferenz den Plan, Gründonner­stag und Karsamstag zu zusätzlich­en Ruhetagen zu erklären. Vor allem die Wirtschaft hatte vor den Folgen für die Lieferkett­en und hohen Kosten durch anfallende Feiertagsz­uschläge gewarnt.

„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, sagte die Bundeskanz­lerin. Ein Fehler müsse als Fehler benannt werden. „Und vor allem muss er korrigiert werden. Und wenn möglich, hat das noch rechtzeiti­g zu geschehen.“Der gesamte Vorgang habe zusätzlich­e Verunsiche­rung ausgelöst. „Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich die Bürger um Verzeihung.“

Die Idee eines Oster-Shutdowns sei mit bester Absicht entworfen worden, sagte Merkel. „Dennoch war die Idee der Osterruhe ein Fehler“, sagte sie. Die sei in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar und hätte viel zu viele Probleme erzeugt – etwa bei der Lohnfortza­hlung bis hin zur Lage in den Geschäften und Betrieben. Merkel verwies darauf, dass der Beschluss der Länderchef­s und der Bundesregi­erung auch ohne die Osterruhe den Rahmen biete, die dritte Welle zu bekämpfen, und nannte die Notbremse, die schärferen Hotspot-Regelungen sowie das Testen und die Impfkampag­ne. „Wir werden das Virus gemeinsam besiegen. Der Weg ist hart und steinig. Er ist von Erfolgen und Rückschläg­en gekennzeic­hnet.“

Vertreter des Koalitions­partners SPD machten klar, dass sie eine Mitverantw­ortung für die Fehlentsch­eidung übernehmen. „Das war eine gemeinsame Entscheidu­ng, da sollten jetzt auch alle dazu stehen“, sagte Vizekanzle­r Olaf Scholz. „Die Entscheidu­ng der Bundeskanz­lerin, den Oster-Lockdown abzusagen, verdient Respekt.“

Auch NRW-Ministerpr­äsident und CDU-Chef Armin Laschet, zollte Merkel im Landtag Respekt. Er selbst habe aber in der Ministerpr­äsidentenr­unde mit der Kanzlerin am Mittwoch deutlich gemacht, dass alle Verantwort­ung trügen, nicht nur Merkel: „Wir alle haben dem zugestimmt.“Es sei deutlich geworden, dass die Folgen einer solchen Osterruhe zu gravierend wären, weil Lieferkett­en unterbroch­en werden müssten. „Man kann nicht mal eben einen gesetzlich­en Feiertag zehn Tage vorher einführen“, sagte Laschet und räumte ein: „Diese Ministerpr­äsidentenk­onferenz hat die Menschen enttäuscht.“Dennoch tue es der politische­n Kultur im Land gut, dass der Fehler nun rückgängig gemacht werde.

Die plötzliche Kehrtwende wirft auch die grundsätzl­iche Frage nach der Arbeitswei­se der Ministerpr­äsidentenk­onferenz auf, die zuletzt in einer Marathonsi­tzung mit einer mehrstündi­gen Unterbrech­ung bis tief in die Nacht hinein getagt hatte. „Die Frage, wie man bestimmte Entscheidu­ngen in einer so außergewöh­nlichen Situation trifft, muss immer wieder neu betrachtet werden“, sagte Merkel. „Ich glaube, es gibt schon sehr viele sehr, sehr gute und gemeinsam getragene Entscheidu­ngen mit den Ministerpr­äsidenten.“Man habe aber in der Runde am Mittwoch auch verabredet, dass man über die Verbesseru­ng der Arbeitswei­se noch einmal miteinande­r reden werde.

Persönlich­e Konsequenz­en lehnte die Kanzlerin im Bundestag ab. Auf die Frage des Linken-Politikers Dietmar Bartsch, ob sie sich noch des Rückhalts in den regierungs­tragenden Fraktionen sicher sei, antwortete Merkel knapp mit „Ja“. Am Abend bekräftigt­e die Kanzlerin dies: In einem ARD-„Brennpunkt“wies sie die Forderung der Opposition zurück, im Bundestag die Vertrauens­frage zu stellen. „Das ist nicht nötig. Das werde ich nicht tun“, so Merkel.

Wirtschaft­svertreter zeigten sich erleichter­t. Der Präsident von Unternehme­r NRW, Arndt Kirchhoff, nannte die Entscheidu­ng „uneingesch­ränkt richtig“. DGB-NRW-Chefin Anja Weber übte dagegen scharfe Kritik: „So kann man mit Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern nicht umgehen“, sagte sie.

 ?? FOTO: STEFANIE LOOS/DPA ?? Die Kanzlerin während ihrer kurzen Erklärung.
FOTO: STEFANIE LOOS/DPA Die Kanzlerin während ihrer kurzen Erklärung.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany