Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Finnwal-Skelett auf Texel soll ins Museum
2017 wurde vor der Nordseeinsel der Kadaver eines 18 Meter langen Meeressäugers angespült. Nun werden seine Knochen ausgestellt.
DE KOOG Es war eine Sensation im August 2017: Am langen Sandstrand der Insel Texel war unweit des Touristenortes De Koog der riesige Kadaver eines Finnwals angespült worden. Hunderte von Touristen bestaunten ungläubig die Überreste des 18,85 Meter langen Giganten der Meere, der wahrscheinlich um die 40 Jahre alt geworden war. Das Tier war Tage zuvor vermutlich mit einem Schiff kollidiert; möglicherweise hatte dieses Schiff es Hunderte Kilometer weit mitgeschleppt.
Pierre Bonnet, Biologe am auf Texel gelegenen Meeresforschungsinstitut Ecomare, sagte seinerzeit, der Darm des Kadavers sei gefüllt gewesen – das deute darauf hin, dass das Weibchen an einer Verletzung gestorben sei. Auch Altersschwäche als Todesursache falle weg: Finnwale werden bis zu 100 Jahre alt.
Jetzt kehrt das Skelett des Tieres auf die niederländische Ferieninsel zurück: Nach vielen Überlegungen über einen geeigneten Standort haben sich die Biologen nun für eine Stelle in entsprechender Größe entschieden. Das Skelett wird in einem großen Ausstellungsraum mit vielen Meeresaquarien aufgehängt werden. Spätestens im Frühjahr 2022 ist es dann für die Besucher zu sehen.
„Ursprünglich war unsere Überlegung, dass wir unseren Anbau erweitern, der ohnehin schon für eine Wal-Ausstellung genutzt wird, um es dort auszustellen. Doch durch die fehlenden Einnahmen durch die Corona-Maßnahmen fehlen uns dazu momentan die finanziellen Mittel“, schrieb Bonnet in seinem Blog. In jenem Ausstellungsraum sind unter anderem Fotos und Tafeln über die spektakuläre Strandung zu sehen. Direkt daneben hängen bereits die beiden Kieferknochen des Finnwals. Sie wiegen gut 250 Kilogramm und sind etwa fünfeinhalb Meter groß. Das Gesamtgewicht des Tieres dürfte um die 30 Tonnen betragen haben; seine Schwanzflosse war gut drei Meter groß.
„Bislang waren die Skelette eines Pottwals und eines Buckelwals die größten Exponate im Ecomare, aber der Finnwal war mit seinen 20 Metern
noch größer. An den Kiefern sieht man die Unterschiede deutlich: Sie sind um ein Vielfaches größer als die der beiden anderen Tiere“, sagt Bonnet. Jene Walskelette wurden in der Vergangenheit ebenfalls auf Texel angespült – und eines davon erzählt eine ganz eigene Geschichte: 2014 entdeckte man am Strand einen etwa 15 Meter großen Pottwal. In dessen Därmen fanden die Mitarbeiter des Ecomare 83 Kilogramm des für Parfümherstellung benötigten Rohstoffs Amber mit einem Wert zwischen 350.000 und 800.000 Euro. Damit wurde seinerzeit der Ausstellungsraum für die Walschau finanziert.
Für den Finnwal ist dieser Raum zu klein. Das Skelett sollte aber unbedingt auf Texel gezeigt werden. Doch der neue Raum birgt noch ein Risiko: Durch die hohe Luftfeuchtigkeit der offenen Becken könnte sich Schimmel an den Knochen bilden. Dazu haben Bonnet und seine Kollegen nun testweise das Schulterblatt des Tieres und einen der Schwanzwirbel aufgehängt. „Vorläufig sieht es gut aus“, sagt Bonnet. „Wenn das so bleibt, wollen wir im Laufe des Jahres, spätestens Anfang 2022, das gesamte Skelett dort aufhängen.“
Für die Forscher galt der Fund des Giganten vor gut vier Jahren als Sensation: Das Skelett war durch die Kollision zwar beschädigt worden, aber komplett und insgesamt gut erhalten – eine Seltenheit. Finnwale selbst sind in allen Weltmeeren beheimatet, aber dass sie bis in die Nordsee vordringen, ist selten — auch darum waren die Forscher so begeistert. Entdeckt werden sie meist als Totfund. 2015 etwa wurde
ein Finnwal in Hamburg gesichtet, 2005 in der Ostsee. Mit einer Länge von bis zu 27 Metern zählen sie wie die Blauwale zu den größten Säugetieren der Erde.
Das Skelett des vor Texel gestrandeten Tieres wurde in den Tagen danach vor Ort am Strand zerlegt. Die Knochen wurden sorgfältig gereinigt und dann nach Friesland zu Präparator Chris Walen gebracht. Dort lagerten und trockneten sie seither, anschließend nahmen die Präparatoren ihre Arbeit auf – jetzt also geht es bald zurück auf die Insel.