Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
So schneiden die Bahnlinien im Kreis ab
Der VRR hat erneut den Zustand der Regional-Züge testen lassen. Insgesamt zeichnet sich ein leicht positiver Trend ab. Doch besonders zwischen den im Kreis Kleve fahrenden Linien RE 10 und RE 19 sind die Qualitätsunterschiede enorm.
KREIS KLEVE Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat im vergangenen Jahr nicht nur den Zustand der Bahnhöfe in seinem Gebiet testen lassen (wir berichteten), sondern auch erneut die einzelnen Zuglinien und ihre Betreiber einer genauen Überprüfung unterzogen. Der Verbund legte sein Augenmerk dabei auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Linien, den Zustand der Züge und fragte auch die Zufriedenheit der Fahrgäste ab. Die Ergebnisse wurden nun im VRR-Qualitätsbericht 2020 veröffentlicht. Auch die beiden im Kreis Kleve verkehrenden Linien RE 10 (Niers-Express der Nordwestbahn von Düsseldorf nach Kleve) und RE 19 (Rhein-Ijssel-Express des Betreibers Abellio von Düsseldorf nach Arnheim) wurden auf Herz und Nieren geprüft. Wir fassen die Ergebnisse zusammen.
Ausgangslage Auch für die Eisenbahnunternehmen, die auf den Strecken im VRR-Gebiet unterwegs sind, war es ein besonderes Jahr. Denn die Corona-Pandemie führte dazu, dass auf vielen Linien das Angebot deutlich ausgedünnt, wenn nicht sogar komplett eingestellt werden musste. Hinzu kamen weitere unvorhersehbare Ereignisse wie ein Sturm und der Brand eines Lkw auf der A40 zwischen Eisenbahnbrücken bei Mülheim an der Ruhr, die den Betrieb dann zusätzlich durcheinander wirbelten. Nach dem Sturm im Februar dauerten die Störungen nur einige Tage, nach dem Brand mehrere Monate – die Strecke zwischen Duisburg und Essen konnte zunächst gar nicht, dann nur in eine Richtung befahren werden. Diese Störung wirkte sich auch auf viele weitere Zuglinien aus.
Pünktlichkeit Drei verschiedene Zuggruppen verkehren im VRR-Gebiet: Regional-Expresse (RE), Regionalbahnen (RB) sowie S-Bahnen. RE-Linien bilden mit einer durchschnittlichen Pünktlichkeitsquote von 87,8 Prozent zwar das Schlusslicht, allerdings hat sich die Situation gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozentpunkte verbessert. 89,4 Prozent aller RB-Fahrten verliefen 2020 planmäßig (+0,5 Prozentpunkte). Die S-Bahn-Linien fallen deutlich unter den Vorjahreswert (93,3 Prozent) – für 2020 liegt die Quote bei 91,6 Prozent. Die beiden im Kreis Kleve verkehrenden Linien RE 10 und RE 19 kommen bei der Pünktlichkeit zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Während der RE 19 in über 90 Prozent der Fälle eine Verspätung von unter vier Minuten (durchschnittliche Verspätung insgesamt bei rund eineinhalb Minuten) aufweist und damit im oberen Mittelfeld aller Linien im VRR-Gebiet liegt, zählt der RE 10 der Nordwestbahn zu den unpünktlichsten Zügen. Nur rund 84 Prozent der Fahrten finden wie laut Fahrplan vorgesehen statt, in knapp sieben Prozent der Fälle weist der Zug sogar eine Verspätung von elf oder mehr
Minuten auf. Im Durchschnitt kamen die Züge zwischen zweieinhalb und drei Minuten zu spät. Eine schlechte Infrastruktur, viele Bahnübergänge und eingleisige Strecken sind laut VRR dafür verantwortlich. Der pünktlichste Zug im VRR war 2020 derweil der RE 19a von Wesel nach Bocholt, der unpünktlichste Zug die von der Nordwestbahn betriebene RB 31 von Duisburg nach Xanten.
Verlässlichkeit Die Gründe für ungeplante Ausfälle sind mannigfaltig. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Betreiber der Linie selbst Schuld hat oder ob externe Einflüsse zu den Ausfällen führen. Eine derartige Zuordnung ist bei Ausfällen recht eindeutig, da es stets einen konkreten Grund gibt, warum eine Fahrt nicht stattfinden kann. Bei einigen Linien ist die Infrastruktur veraltet und störanfällig. Stellwerke und Bahnübergänge funktionieren nicht, aber auch Weichen- und Signalstörungen führen zu Ausfällen und können zumeist sehr plötzlich auftauchen. Weitere Ursachen sind Unwetter, Personen, Tiere und Gegenstände im Gleis oder sogar Personenunfälle. In dieser Kategorie zählt wiederum der RE 19 zu den verlässlichsten Zügen. Nur etwa 1,4 Prozent aller Fahrten fielen im vergangenen Jahr unvorhergesehen aus. Beim RE 10 sieht das schon ganz anders aus – hier fanden rund 2,5 Prozent aller Fahrten plötzlich nicht statt. Vor allem im Vergleich zum Jahr 2019 (etwa 1,7 Prozent) eine deutliche Verschlechterung.
Sitzplatzangebot In dieser Kategorie zählen beide im Kreis Kleve verkehrenden Linien VRR-weit zu den besten. Nur rund 0,4 Prozent der Fahrten des RE 19 fanden mit weniger als den geforderten Sitzplätzen statt, beim RE 10 liegt dieser Wert bei rund einem Prozent.
Zustand der Züge Hier landet der von Abellio betriebene RE 19 auf dem Spitzenplatz aller Linien im VRR-Gebiet. Die vom Verkehrsverbund eingesetzten Tester gaben dem Rhein-Ijssel-Express eine Bewertung von 98,24 (von 100) Punkten.
Es gibt aber auch Mängel, etwa mit Blick auf die Sauberkeit der Innenseiten der Fenster, des Bodens, der Glaswände, der Durchgangstüren und der Toiletten. Noch immer große Probleme mit dem Zustand seiner Fahrzeuge hat die Nordwestbahn. Alle Linien dieses Unternehmens liegen unterhalb des VRR-Mittelwerts – und damit auch der RE 10, der nur eine Bewertung von rund 92 Punkten erhielt und damit zu den schlechtesten Bahnlinien im VRR-Gebiet zählt. Hier wirkten sich vor allem Mängel bei der Sauberkeit der Außenhaut, dem Zustand der Sitzplätze und der Funktionalität der Toiletten negativ auf den Gesamteindruck aus.
Fahrgastzufriedenheit Abellio ist weiterhin das beliebteste Unternehmen. Die Fahrgäste vergeben eine Durchschnittsnote von 2,12 für die Leistungen auf allen 15 Linien. Abellio kann wieder bei der Pünktlichkeit und den Zugbegleitern punkten, zudem fühlen sich die Fahrgäste zu allen Tageszeiten besonders sicher. Entsprechend belegen Linien dieses Unternehmens die ersten vier Ränge (RE 19 belegt Platz vier), neun Abellio-Linien liegen auf einem der ersten 15 Plätze im VRR-Gebiet. Am schlechtesten schneidet wieder einmal die Nordwestbahn ab, auch wenn die Zugbegleitung aus Sicht der Reisenden sogar die beste im ganzen VRR ist. Dennoch erhält das Unternehmen nur eine Gesamtnote von 2,3. Der von der Nordwestbahn betriebene RE 10 bestätigt den Eindruck, landet nur auf Platz 47 (Vorjahr: 44) von 51 bewerteten Bahnlinien.
Fazit Die durchschnittliche Verspätung aller Linien im VRR-Gebiet bleibt im Jahr 2020 konstant, beträgt etwa eineinhalb Minuten. Aus Fahrgastsicht steigt die durchschnittliche Zufriedenheit mit sämtlichen Linien marginal um 0,05 Notenpunkte auf die Note 2,21. Jedoch erhält kein Zug-Anbieter mehr eine „Eins vor dem Komma“. Es ist außerdem zu erkennen, dass die Zuverlässigkeit einer Linie (Pünktlichkeit und Ausfälle) die Fahrgastzufriedenheit wesentlich beeinflusst. In der Gunst der Fahrgäste liegt Abellio vorne. Die Nordwestbahn belegt 2020 erneut den letzten Platz.