Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Keisuke Ishibashi ist ein Teamplayer

- VON HEINZ SPÜTZ

Der 26-jährige Ersatztorh­üter aus Japan wird von Benedict Weeks, Coach des Fußball-Regionalli­gisten SV Straelen, für sein Engagement gelobt.

Der 26-jährige Torhüter aus Japan wird wohl auch am heutigen Mittwoch im Spiel des Fußball-Regionalli­gisten SV Straelen bei Preußen Münster nur auf der Bank sitzen. Seinen Optimismus hat er aber noch nicht verloren.

STRAELEN Löcher in der Strumpfhos­e, eine gewaltige Sprungkraf­t und Gelenke wie aus Gummi – das sind einige der Markenzeic­hen von Keisuke Ishibashi, Keeper beim Fußball-Regionalli­gisten SV Straelen. „Ich glaube nicht“, sagt SVS-Trainer Benedict Weeks, „dass jemand in der Mannschaft bewegliche­r ist als unser Ersatztorw­art. Und die fehlende Körpergröß­e macht er durch seine enorme Sprungkraf­t wett.“Seit Beginn der Saison ist der 26-jährige Ishibashi die Nummer zwei hinter Stammtorwa­rt Robin Udegbe und hat bisher in Pflichtspi­elen noch keine Minute zwischen den Pfosten gestanden. Das wird sich auch am heutigen Mittwoch, 19.30 Uhr, wohl nicht ändern, wenn der Aufsteiger

„So gut wie in dieser Saison habe ich noch nie trainiert“

Keisuke Ishibashi Torhüter des SV Straelen

SV Straelen das Nachholspi­el bei Preußen Münster. bestreitet. „Keisuke Ishibashi ist ein echter Teamplayer, hängt sich bei jedem Training voll rein und zeigt seine Fähigkeite­n. Ich hätte keine Bedenken, wenn er Robin Udegbe einmal vertreten müssten“, sagt Benedict Weeks.

Keisuke „Kesy“Ishibashi wuchs in der Mega-City Tokio auf und zog, als er sechs Jahre alt war, mit seinen Eltern und dem älteren Bruder in die Präfektur Yamanashi, etwa 120 Kilometer westlich der japanische­n Hauptstadt. Zunächst begann er im Fußball als Feldspiele­r. Doch als auf einmal ein Keeper fehlte, wurde er im Alter von zehn Jahren von seinen Mitspieler­n ausgeguckt, ins Tor zu gehen. Bis zu seinem 18. Lebensjahr genoss er die Torwart-Ausbildung in der Fußballsch­ule seines Heimatvere­ins Fortuna SC Yamanashi. Parallel dazu macht er seinen Abschluss auf der Hochschule.

Doch dann hatte der junge Mann die Nase voll von Schule und Fußball – er wollte einfach nur so leben, wie die meisten Teenager in seinem Alter auch: Feiern, in die Disco gehen, ein Bier trinken. Ishibashi schlug sich zwei Jahre mit Gelegenhei­tsjobs durch. Er wohnte zu Hause bei seinen Eltern, denen sein Lebensstil ganz und gar nicht gefiel. Ishibashi war 20 Jahre alt, als es zwei Schicksals­schläge für ihn gab. Zum einen setzten ihn seine Eltern vor die Tür, zum anderen verstarb an einem Weihnachts­tag sein bester Freund. Diese Umstände leiteten einen Prozess in seinem Kopf ein. „Ich wollte und musste mein Leben bei Null neu beginnen“, sagt er heute.

Keisuke Ishibashi fasste einen Entschluss: Er wollte nach Deutschlan­d.

Das Land kannte er, weil er als 15-Jähriger mit seiner Mannschaft dort auf Tournee war. „Deutschlan­d hat die besten Torhüter der Welt, da wollte ich hin“, sagt er. Mit etwa 3000 Euro im Portemonna­ie machte er sich auf den Weg ins Ungewisse. Kontakte hatte er keine in Deutschlan­d, fand diese aber schnell bei den 6500 in Düsseldorf lebenden Japanern. Im Sommer 2015 stellte es sich beim Bezirkslig­isten SG Kaarst vor. Seine Leistungen waren für die erste Mannschaft zu schlecht, außerdem sei er zu dick gewesen. Also bereitete er sich mit dem zweiten Team auf die Kreisliga-Saison vor. Schnell wurde Ishibashi besser, nahm Gewicht ab und wurde schließlic­h Stammtorwa­rt in der Bezirkslig­a.

Es folgten einige Umzüge und Vereinswec­hsel im Städtedrei­eck Düsseldorf-Krefeld-Duisburg, bis ihn der Sportliche Leiter Kato Sürün 2017 zum SV Straelen holte. In 18 Spielen stand er in der Oberliga zwischen den Pfosten und trug als zuverlässi­ger Schlussman­n zum Aufstieg in die Regionalli­ga bei. In der Vierten Liga kam er auf acht Einsätze. Und so ganz nebenbei erzielte er in der Kreisliga A als Feldspiele­r der zweiten Mannschaft beim deutlichen Sieg gegen Siegfried Materborn

drei Treffer in 24 Minuten und schnellte mit zwei zusätzlich­en Torvorlage­n hoch in der Scorer-Liste.

Am Ende der Saison 2018/2019 stieg der SV Straelen aus der Regionalli­ga ab, der Vertrag des Japaners wurde nicht verlängert. Während der folgenden Spielzeit holte ihn sein Ex-Trainer Marcus John zum Ligakonkur­renten SSVg Velbert in die Oberliga. Im darauffolg­enden Jahr kehrte Ishibaski wieder an die Römerstraß­e zurück. „Egal, bei welchem Verein ich war, immer war ich zuerst nur Ersatztorw­art, aber dann Stammtorwa­rt“, sagt Ishibashi. „Ich bleibe optimistis­ch. Vielleicht

bekomme ich ja dieses Jahr noch die Gelegenhei­t, mich zu beweisen. Denn ist noch nie eine Option für mich gewesen, einfach aufzugeben.“

Keisuke Ishibashi ist seit drei Jahren mit einer Deutsch-Japanerin liiert und wohnt in Düsseldorf. Von dort aus vertreibt er als Mitarbeite­r eines Online-Handels Torwarthan­dschuhe für den asiatische­n Markt. Dass sein Stammplatz beim SV Straelen in dieser Saison bislang die Ersatzbank war, sieht er gelassen. So sei der Fußball eben. Aber Ishibashi kann dieser Zeit auch was Positives abgewinnen: „So gut wie in dieser Saison habe ich noch nie trainiert. Da muss ich unserem Torwart-Trainer Manni Gloger ein dickes Kompliment ausspreche­n. Ich habe sehr viel bei ihm gelernt.“

Und wie stellt er sich die nächsten Jahre vor? Auf jeden Fall möchte er als Torwart weiter in der Regionalli­ga spielen und danach seine Karriere als Feldspiele­r ausklingen lassen. Eine Rückkehr nach Japan hält er für wahrschein­lich. Zum Abschluss des Gesprächs antwortet er auf die Frage zu seiner mit Löchern zersetzten Strumpfhos­e: „Da spielt ein bisschen der Aberglaube mit. Aber wenn der Lockdown zu Ende ist, werde ich mich mal um eine neue Hose kümmern.“

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RP-FOTO: HEINZ SPÜTZ Die Strumpfhos­e mit Löchern ist neben seiner Sprungkraf­t und seiner Beweglichk­eit ein Markenzeic­hen des Japaners Keisuke Ishibashi.

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