Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Der Mühlhoff-Wiederaufbau geht voran
Der Automobilzulieferer hat eine 2000-Tonnen-Presse in Betrieb genommen. Nie zuvor gab es in Uedem eine leistungsstärkere Maschine. Die Firma kämpft bei guter Auftragslage mit der Stahl- und Chip-Knappheit.
UEDEM Seit dem Herbst 2019 will bei der Firma Mühlhoff in Uedem einfach keine Ruhe einkehren. Nachdem der Automobilzulieferer an die Münchener Gruppe Fidelium verkauft wurde, eilt er von der einen Herausforderung zur nächsten. „Erst der Verkauf, dann der Brand, Corona und jetzt die Stahlund Chip-Knappheit – an Erholung war in der vergangenen Zeit wirklich nicht zu denken“, sagt der Mühlhoff-Geschäftsführer Markus Wermers. Dennoch sei die Belegschaft weiterhin zuversichtlich. Immerhin investiert Mühlhoff auch kräftig in den 400 Mitarbeiter starken Standort in Uedem.
Dieser Standort hat Zukunft, mit dieser Investition gestalten wir Zukunft“
Pascal Hagemann Geschäftsführer Mühlhoff
In der vergangenen Woche nahm die Firma ihre neue 2000-Tonnen-Servopresse in Betrieb, mit der Karosserieteile für VW, Daimler und Co. hergestellt werden. „Das ist ein klares Signal an unsere Mitarbeiter: Dieser Standort hat Zukunft, mit dieser Investition gestalten wir Zukunft“, sagt Pascal Hagemann, ebenfalls Geschäftsführer bei Mühlhoff Umformtechnik. Die millionenteure Maschine aus Erfurt, immerhin 625 Tonnen schwer, sei deutlich schneller produziert worden als sonst üblich, erklärt Markus Wermers. Während die Herstellung üblicherweise bis zu 18 Monate dauert, waren es nun bloß zwölf. „Unser Plan war von Anfang an sehr sportlich, aber es hat geklappt. Wenn es immer so laufen würde, wäre der Berliner Flughafen schon vor Jahren fertig gewesen“, sagt Wermers.
Nötig geworden war die Anschaffung, nachdem ein Brand den Betrieb kurz nach Weihnachten 2019 in seinen Grundfesten erschüttert hatte. Ein 58-jähriger Ex-Mitarbeiter soll in den Morgenstunden des 29. Dezember die Werkshallen und das Verwaltungsgebäude in Brand gesteckt haben. Das Gericht ging von einer vorsätzlichen Brandstiftung aus – und verurteilte den Familienvater, der die Tat im Prozess leugnete, im Herbst vergangenen Jahres zu viereinhalb Jahren Haft. Überführt wurde der Uedemer durch DNA-Anhaftungen an Werkzeugen, die in einem Rucksack am Tatort gefunden worden waren. Der Schaden des Großbrands beläuft sich auf über 50 Millionen Euro.
Durch das Feuer waren die vier Großpressen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Schon wenige Tage nach der Katastrophe, die im gesamten Kreis Bestürzen auslöste, entschied die Geschäftsführung, zwei der vier Maschinen aufwendig zu sanieren. Eine weitere aber wollte man neu beauftragen – und damit die Produktionskapazitäten nochmal deutlich verändern. Hatte die bisher leistungsstärkste Presse eine Kraft von 1300 Tonnen, sind es nun 2000. „Jetzt sind wir endlich an einem Zeitpunkt angekommen, an dem alle Werkzeuge, die nach dem Brand extern untergebracht worden sind, wieder in Uedem genutzt werden“, sagt Produktionsleiter Christian Pennekamp. So könne sich der Standort in Uedem künftig breiter aufstellen, meint Markus Wermers. Zum Hintergrund: Knapp 140 oft tonnenschwere Werkzeuge musste das Unternehmen nach dem Brand in andere Betriebe in Deutschland, Italien und Frankreich auslagern, um seine Kunden weiter beliefern zu können. Sukzessive wurden sie an die Uedemer Mühlhoffstraße
zurückgeholt. So sind seit September auch keine Mitarbeiter mehr in Kurzarbeit, die Produktion ist wieder voll angelaufen.
Und die Wiederaufbauarbeiten sollen weiter voranschreiten. In den kommenden Wochen sollen weitere Hallendächer, die beim Brand beschädigt worden sind, ausgetauscht werden. Zudem soll die Verwaltung, die seit mehr als einem Jahr in einem provisorischen Containerdorf untergebracht ist, endlich wieder ins ursprüngliche Gebäude zurückkehren, das bei dem Großbrand gänzlich zerstört worden ist. „Wenn alles gut läuft, dann kann die Verwaltung im Mai umziehen. Noch immer ist an einigen Stellen der Brand sichtbar. Aber die Restarbeiten gehen weiter“, sagt Pascal Hagemann.
Die Auftragslage sei in diesen Monaten gut, erklären die Geschäftsführer. Doch es sei nicht so leicht, die Nachfrage zu bedienen. Hintergrund ist vor allem die Stahlknappheit auf dem Weltmarkt. „Gewissermaßen ist das eine Folge von Corona. Im April 2020 stand die Welt still, und damit auch die Stahlproduktion“, sagt Wermers. Damals reagierten fast alle europäischen Stahlhersteller auf den heftigen Nachfrageeinbruch in Folge der Pandemie, viele Belegschaften wurden in Kurzarbeit geschickt. Nun zieht die Konjunktur wieder merklich an – doch die Lager der Stahlhersteller und der Stahlhändler sind leer. Zudem belastet die Chip-Knappheit die Autoindustrie, zu der Mühlhoff zählt. Die elektronischen Halbleiterprodukte, die in Fahrzeugen eine immer größere Rolle
spielen, stehen ebenfalls nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Zuletzt war die Nachfrage nach der Chip-Technologie nämlich rasant gestiegen. „Und dann spüren wir auch die Konsequenzen des Umstands, dass auf einmal mehr als 150 Schiffe vor dem Suezkanal feststeckten. Die gesamte Industrie kämpft mit extremen Lieferengpässen. Bislang sind wir unbeschadet geblieben. Doch es ist tagtäglich ein Kampf, die Produktion am Laufen zu halten“, sagt Markus Wermers.
Und dennoch: Die Mühlhoff-Belegschaft sei mittlerweile so krisenerprobt, dass man auch diese Hürden nehmen werde, meint der Geschäftsführer. „Was die Mühlhoff-Mitarbeiter in den vergangenen zwei Jahren erlebt haben, ist unglaublich. Das geht auch an die Substanz. Den Brand 2019 werden gerade die langjährigen Mitarbeiter niemals aus ihrer Erinnerung löschen können. Wir können uns nur immer wieder dafür bedanken, dass alle Beteiligten dennoch so sehr mitziehen. Bei diesem Dank denken wir an unsere Belegschaft, aber auch an unsere Lieferanten, die Gemeinde Uedem, den Bürgermeister und die Kreisverwaltung“, sagt Pascal Hagemann.