Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Borussias Spielglück ist eine Seltenheit
Am Samstag zählte das späte 2:2 für Freiburg nicht. Gladbach ist diese Saison eher an bittere Schlussphasen gewöhnt.
Der Jubel glich dem bei einem Torerfolg. Als Schiedsrichter Christian Dingert mit seinen Händen das Zeichen für den Videobeweis zeigte und dann auf Abseits entschied, ballten die Borussen die Fäuste und schrien ihre Freude heraus. Sekunden vor Schluss hatte Keven Schlotterbeck zum vermeintlichen 2:2 für den SC Freiburg getroffen, doch im Verlauf des Angriffs hatte Lucas Höler den Ball aus einer Abseitsposition heraus zugespielt bekommen. Nach Intervention des Videoschiedsrichters zählte der Treffer nicht – und Borussia hatte nicht erneut eine leidvolle Erfahrung mit einem späten Gegentor gemacht.
Denn das, was da in der fünften Minute der Nachspielzeit gegen Freiburg passierte, kennen die Borussen in der laufenden Saison nur allzu gut. Schon mehrmals bekamen sie in den Schlussminuten entscheidende Gegentore, die Punkte kosteten. Beispiele gefällig? In der Champions League kassierte Gladbach sowohl bei Inter Mailand (90.) als auch gegen Real Madrid (90.+3) spät das 2:2, in Stuttgart gab es in der 96. Minute einen Elfmeter, den der VfB zum 2:2 nutzte, und in Leipzig setzte es in der 93. Minute den 2:3K.o., nachdem Gladbach schon 2:0 geführt hatte. Darüber hinaus gab Borussia gerade zu Hause mehrfach noch in der Schlussphase knappe Führungen aus der Hand.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Borussia auch schon spätes Glück beschieden war: So machte Lars Stindl mit einem Doppelpack in der Nachspielzeit aus einem 1:3 noch ein 3:3 bei Eintracht Frankfurt. Nun gegen Freiburg bezog sich das Spielglück aber mal auf ein Tor, das eben nicht fiel – dank Hölers Bein, das zum Zeitpunkt des Abspiels ein Stück näher dem Borussen-Tor war als die Hacke des Mönchengladbacher Rechtsverteidigers Stefan Lainer.
„Wir haben am Ende nochmals zittern müssen, das gehört in dieser Saison wohl dazu“, sagte Trainer Marco Rose nach dem glücklichen Ausgang der Freiburg-Partie. Er ist sich bewusst, dass die Defensive nicht immer den sichersten Eindruck gemacht hat. Des Öfteren hatte das letzte Quäntchen Konzentration und Abgeklärtheit gefehlt, um den späten Ausgleichstreffer zu verhindern. Nicht alles ist eben mit fehlendem Spielglück zu erklären – zumal ja auch im umgekehrten Fall der Spruch des Fußballtrainers Hermann Gerland gilt: „Immer Glück ist Können.“
Gerade in der Hinrunde der ersten Rose-Spielzeit hatte Borussia häufiger das „Glück“des späten eigenen Treffers. In der Europa League gelang gleich dreimal in Folge – in Istanbul sowie zweimal gegen Rom – ein wichtiges Tor in der Nachspielzeit. Und auch den Liga-Sieg gegen die Bayern (2:1) schoss Ramy Bensebaini per Foulelfmeter in der 92. Minute heraus. Moral, Selbstvertrauen und Erfolgshunger – all das waren Faktoren, die mit Roses Mannschaft angesichts der späten Erfolgserlebnisse in Verbindung gebracht wurden. Dann folgten ein 1:2 in letzter Minute daheim gegen Basaksehir, womit Borussia in der Gruppenphase der Europa League ausschied, und ein 1:2 kurz vor Schluss in der Liga beim VfL Wolfsburg – auch in der Spielzeit 2019/20 lernte Gladbach den Schmerz der bitteren Punktverluste kennen.
Jetzt gilt es indes, sich wieder häufiger das Glück des Tüchtigen zu erarbeiten, um die Saison noch zu einem positiven Ende zur bringen. Das knappe 2:1 gegen Freiburg war da ein guter Anfang, denn die Borussen hatten in der zweiten Halbzeit eine klare Leistungssteigerung gezeigt, ehe sie in den Schlusssekunden den Videoschiedsrichter benötigten. „Es war eine klare Abseitsposition“, sagte Rose zwar. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass Borussia das Gegentor nicht verhindert hätte, wäre Höler bei der Entstehung den einen halben Schritt schneller aus dem Abseits gelaufen.