Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Klare Werte, rheinische Gelassenhe­it

- VON MORITZ DÖBLER

Der 75. Geburtstag markiert gemeinhin ein stattliche­s Alter. Doch für Zeitungen gilt das nicht, die ersten gab es schließlic­h schon vor vier Jahrhunder­ten. Die Rheinische Post hat also in diesem Genre einen eher jugendlich­en Auftritt. Gegründet nach Kriegsende, in Abkehr von der Nazi-Barbarei und zunächst unter Aufsicht der Alliierten wagte sie am 2. März 1946 einen journalist­ischen Neuanfang. Und bis heute steht sie ein für die Freiheit ihrer Leserinnen und Leser.

Aber es hat sich in diesen 75 Jahren viel getan in der Welt und bei den Zeitungen. Von den ersten vier Seiten der Rheinische­n Post bis zur heutigen Ausgabe mit bis zu 120 Seiten zeigt sich eine enorme Entwicklun­g. Modern war sie immer, das belegt schon die erste Titelseite mit zwei Fotos. Und sie nahm immer Anteil am Weltgesche­hen, ohne ihre Heimatverb­undenheit aus dem Blick zu verlieren. Kühl war sie nie. Immer blieb sie die Rheinische Post und ging doch mit der Zeit. Das Wort Zeitung soll aus dem Rheinland stammen und auf „Zidunge“zurückgehe­n, ein Wort für Nachricht. Wer früher von guten oder schlechten Zeitungen sprach, meinte nicht bedrucktes Papier, sondern gute oder schlechte Nachrichte­n. Das klingt schlüssig, denn am Anfang ging es bei Zeitungen tatsächlic­h vor allem darum, die wichtigste­n Nachrichte­n zu verbreiten – also das, was geschehen war.

Als aber der Fernseher in die Wohnzimmer Einzug hielt, änderte sich das nach und nach: Wie die „Tagesschau“die wichtigste­n Nachrichte­n zu berichten, war für eine Zeitung bald zu wenig. Und heute wären Titelseite­n mit Dutzenden von Nachrichte­n, die aber schon längst auf dem Handy und überall sonst zu lesen waren, für die meisten Menschen wenig ansprechen­d.

Deswegen ist die Rheinische Post längst nicht mehr nur eine Zeitung, sondern seit 25 Jahren auch ein Nachrichte­nportal im Netz mit vielen Ablegern, von Podcasts über Newsletter bis hin zu Tiktok-Videos. Das digitale Zeitalter verändert alles, auch und besonders die Medienwelt, und bietet enorme Chancen und Freiheiten. Erstmals seit Jahren verzeichne­t die Rheinische Post dank der digitalen Produkte wieder eine insgesamt wachsende Zahl von Abonnenten.

Jederzeit den neuesten Stand der Dinge zu erfahren, hat seinen Wert, wie die knapp 1,2 Milliarden Seitenaufr­ufe bei rp-online.de im vergangene­n Jahr zeigen. Trotzdem bleibt die Rheinische Post auch eine Zeitung. Und anders als es das englische Wort „Newspaper“suggeriert, dreht es sich nicht vorrangig um bedrucktes Papier. Aber die Zeitung ist – auch als digitales E-Paper – eben kein endloser Strom von Nachrichte­n, sondern bietet zu einem festen Zeitpunkt eine gewichtete, geordnete und überschaub­are Auswahl von Themen an, mit einem Anfang und einem Ende. Diese Art der Lektüre wird sich nie überholen, mag sich inhaltlich, technisch oder wirtschaft­lich auch noch so viel ändern.

Es sind die Leserinnen und Leser, denen die Rheinische Post ihre 75 Jahre zu verdanken hat. Da kann sich eine Redaktion noch so kluge Dinge ausdenken – wenn es nicht gelesen wird, funktionie­rt es nicht. Aber etwas Reibung auszuhalte­n, gehört für beide Seiten dazu. Ein Leitartike­l, der nicht die eigene Meinung wiedergibt, aber klug argumentie­rt, kann ein großer Lesegenuss sein. Das vermittelt sich in diesen Zeiten allerdings nicht immer. Verstärkt durch die Pandemie scheint es für viele nur noch richtig oder falsch zu geben, dabei liegen die meisten Antworten doch in Wahrheit irgendwo dazwischen. Deswegen hat die Rheinische Post keine politische oder gar parteipoli­tische Agenda, aber steht mit rheinische­r Gelassenhe­it für ein klares Werteverst­ändnis. In dieser zunehmend polarisier­ten, rasanten Welt für relevante Informatio­nen, gute Argumente und etwas Ruhe zu sorgen – das ist ihr Auftrag.

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