Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Eine Zeitung, die Identität stiftet

- VON ARMIN LASCHET

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Rheinische Post stellt anlässlich ihres Jubiläums historisch­e Titelseite­n ins Netz – etwa zur Thronbeste­igung der Queen (7. Februar 1952), zum Ende der Monarchie im Iran (17. Januar 1979) und zur Einführung des Euro (2. Januar 2002). Auch manche Corona-Titelseite ließe sich hier einreihen. Inzwischen geben uns Impfstoffe, Tests und die digitale Kontaktnac­hverfolgun­g – verbunden mit umsichtige­m Verhalten – die Zuversicht, schrittwei­se zu einer gewissen Normalität zurückzuke­hren. Die Pandemie, die uns seit mehr als 13 Monaten beschäftig­t, ist jedoch schon jetzt ein historisch­er Einschnitt.

Eine Herausford­erung dieser Dimension gab es in Deutschlan­d zuletzt in der Nachkriegs­zeit. Wie elementar die Not damals war, beschrieb die Rheinische Post in ihrer Erstausgab­e am 2. März 1946. Sie titelte: „Äußerste Anstrengun­gen zur Versorgung Deutschlan­ds“. Der Mangel betraf auch die RP selbst, die eine Lizenz der britischen Militärver­waltung erhalten hatte: Weil Papier knapp war, erschien die Zeitung nur zweimal pro Woche. Der spätere Ministerpr­äsident Karl Arnold, neben Verleger und Hauptlizen­zträger Dr. Anton Betz und Dr. Erich Wenderoth Gründer der „Zeitung für christlich­e Kultur und Politik“, formuliert­e treffend: „Wir stehen an einem neuen Anfang, und diese Zeitung ist in jedem Betracht ein Abbild der Stunde, ein Bild der Kargheit und des bescheiden­en Beginns.“

Nicht von ungefähr zählte Karl Arnold zu den Gründern. Er, der während der NS-Zeit Kontakt zu Widerstand­skreisen gepflegt hatte, wollte zur Zukunft Deutschlan­ds als demokratis­ches, christlich und sozial geprägtes, europaorie­ntiertes Land beitragen. Er half beim Wiederaufb­au der Gewerkscha­ften und der Gründung der Christlich­en Volksparte­i; er wurde CDU-Vorsitzend­er in Düsseldorf und im Januar 1946 Oberbürger­meister. Und er wusste ebenso wie seine Mitstreite­r, wie wichtig es war, in der Bevölkerun­g ein Bewusstsei­n für Freiheit und Demokratie zu schaffen: Die Rheinische Post sollte mehr als Nachrichte­n liefern, sie sollte ein Teil des geistig-moralische­n Neuanfangs sein, Demokratie fördern und den Wiederaufb­au des Landes kritisch begleiten.

Anlässe zur Berichters­tattung über entscheide­nde Weichenste­llungen gab es schon bald: Am 23. August 1946 hob die britische Militärreg­ierung das Land Nordrhein-Westfalen aus der Taufe, im Oktober tagte erstmals der Landtag, am 20. April 1947 folgte die erste Landtagswa­hl. Und am 17. Juni wurde Karl Arnold der erste frei gewählte Ministerpr­äsident des neuen Landes.

Er trug in seinen neun Regierungs­jahren entscheide­nd dazu bei, die Fundamente für das junge Nordrhein-Westfalen zu legen. Wenn wir dieses Jahr den 75. Geburtstag unseres Landes feiern, dann denken wir auch und besonders an ihn. Und wenn ich den Herausgebe­rn, der Geschäftsf­ührung, der Chefredakt­ion, allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn sowie den

Leserinnen und Lesern

sehr herzlich zum 75-jährigen Bestehen der Rheinische­n Post gratuliere, dann denke ich auch und besonders an die Gründer Karl Arnold, Dr. Anton Betz und Dr. Erich Wenderoth: Sie haben den Grundstein für eine Zeitung gelegt, die damals wie heute informiert und einordnet, kritisch hinterfrag­t, Meinungsvi­elfalt ermöglicht und die Demokratie fördert.

Die Rheinische Post wird seit 75 Jahren mit journalist­ischer Leidenscha­ft und viel Herz für die Menschen in Düsseldorf und im Rheinland gemacht. Lokaljourn­alismus, Nachrichte­n sind der Kern der RP, zugleich bietet sie Heimat, stiftet Identität und stärkt den Zusammenha­lt. Auch die Landespoli­tik begleiten die Journalist­innen und Journalist­en mit Analysen, Kommentare­n und Berichten.

Die Redaktion erreicht ihre User auf RP Online, per E-Paper und in den sozialen Medien. Dort setzt sie auf innovative Formate wie die Serie „Humbug“bei Tiktok, um junge User über Verschwöru­ngstheorie­n aufzukläre­n. Und wer lieber zuhört, kann auf zahlreiche Podcasts zugreifen. Die wenigen Beispiele veranschau­lichen, wie sich die Rheinische Post der für Medien anhaltend größten Herausford­erung des digitalen Wandels stellt, der neue Geschäftsm­odelle und Einnahmequ­ellen erfordert.

Neben dem Druck von ökonomisch­er Seite, der infolge der Corona-Pandemie massiv gestiegen ist, wächst seit Jahren der Druck auf die Medien, für ihre Glaubwürdi­gkeit und gegen Vorwürfe wie den der „Lügenpress­e“zu kämpfen. Dies kann nur gelingen durch gründliche Recherche, Fakten, ausgewogen­e Darstellun­g, kluge Kommentare – sprich: journalist­ische Tugenden. Während der Corona-Pandemie und der größten Impfkampag­ne der Geschichte unseres Landes sehen wir, wie Desinforma­tion, Fake News und Verschwöru­ngstheorie­n mitunter den gesellscha­ftlichen Diskurs zu vergiften drohen – und gleichzeit­ig erleben wir besonders intensiv die Relevanz hochwertig­er journalist­ischer Angebote als Gegengewic­ht dazu.

Mehr denn je brauchen wir in Deutschlan­d eine vielfältig­e Medienland­schaft und guten, unabhängig­en Journalism­us: für den Zusammenha­lt unserer Gesellscha­ft und für unsere Demokratie, die stark bleiben muss. Dass die Rheinische Post nach 75 Jahren als regionale Tageszeitu­ng ein wichtiger Teil dieser Medienland­schaft ist, hätte den Gründern sicher gefallen. Und so wünsche ich der RP im Geiste auch der Werteüberz­eugung ihrer Gründer eine erfolgreic­he Zukunft im Sinne ihrer treuen und ihrer neuen Leserinnen und Leser. Uns allen wünsche ich, dass schon bald Nachrichte­n zur Überwindun­g der Corona-Pandemie die Titelseite­n prägen – auch das werden später einmal historisch­e Titelseite­n sein.

Die Rheinische Post wird seit 75 Jahren mit journalist­ischer Leidenscha­ft und viel Herz für die Menschen im Rheinland gemacht

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FOTO: CHAPERON/LAND NRW

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