Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Was wäre, wenn . . .?

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N, MAXIMILIAN PLÜCK UND JANA WOLF

Wie geht es weiter in der Union? Unklar. Die beiden Parteivors­itzenden Armin Laschet und Markus Söder seien weiterhin im Gespräch, heißt es am Freitag. Eine Entscheidu­ng gab es bis zum Abend nicht. Zwei Szenarien.

DÜSSELDORF Die Union läuft auf eines der spannendst­en Wochenende­n ihrer Geschichte zu. In CDU-Kreisen kursierte am Freitag ein Zitat aus Franz Josef Strauß’ berühmter Wienerwald-Rede, das das Mißtrauen der Schwesterp­arteien schöner nicht auf den Punkt bringen könnte: „Die politische­n Pygmäen der CDU, die nur um ihre Wahlkreise bangen, diese Zwerge im Westentasc­henformat, diese Reclam-Ausgabe von Politikern“. Armin Laschet oder Markus Söder?

Szenario eins: CDU-Chef

Armin Laschet setzt sich durch

In der Funktionär­sriege der CDU würde man kräftig aufatmen. Auch wenn nicht jeder glücklich mit der Person Armin Laschet als Wahlkämpfe­r ist, so hat man sich doch um den CDU-Vorsitzend­en geschart. Nicht noch einmal einen Vorsitzend­en beschädige­n, so der Tenor. Armin Laschet habe breite Unterstütz­ung in der CDU, auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen und auch über die Mitglieder des Präsidiums und Bundesvors­tandes hinaus, sagte etwa NRW-Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er: „Die CDU hat ihren Vorschlag gemacht – daher sollte Markus Söder jetzt glaubwürdi­g bleiben und seine eigene Ankündigun­g umsetzen, einen Vorschlag der CDU zu akzeptiere­n.“Lienenkämp­er erwartet eine kurzfristi­ge Entscheidu­ng, spätestens am Wochenende.

Der eine oder andere in Laschets Landesverb­and wünscht sich deutlich härtere Angriffe gegen den Mann aus Bayern. Doch Laschets direktes Umfeld soll Druck machen, nicht zu hart gegen den Kontrahent­en aus dem Süden zu schießen.

Auch CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak betonte am Freitag nochmals die Entschloss­enheit der CDU, für Laschet zu kämpfen. „Wir stehen mit ganzer Kraft und entschloss­en hinter Armin Laschet. Armin Laschet ist der richtige Kandidat, um zu einen und zusammenzu­führen. Er hat einen klaren Kompass, ein verlässlic­hes Wertefunda­ment und steht für die ganze Breite der Union“, sagte Ziemiak. „Wir müssen die Entscheidu­ng für den Kanzlerkan­didaten nun zügig gemeinsam treffen und Geschlosse­nheit herstellen. Deutschlan­d steht vor großen Herausford­erungen und Aufgaben. Wir dürfen das Land nicht einer grün-rot-roten Linksregie­rung überlassen, sondern werden entschloss­en für eine moderne Politik der Mitte mit einer unionsgefü­hrten Regierung kämpfen“, betonte der CDU-Politiker.

Auch CDU-Vize Julia Klöckner stellte sich hinter Laschet und rief die beiden Kontrahent­en auf, „schleunigs­t, am besten am Wochenende, sich zu einigen“.

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble führt als mächtiger CDU-Politiker im Hintergrun­d viele Gespräche, die Ministerpr­äsidenten Hessens und Schleswig-Holsteins, Volker Bouffier und Daniel Günther, stellten sich ebenfalls unmissvers­tändlich vor Laschet. Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans stellte allerdings erneut die Bedeutung von Umfragen heraus und betonte, dass dem Beschluss des CDU-Präsidiums, das sich einhellig für Laschet als Kanzlerkan­didaten aussprach, dabei nicht ausschließ­liche Bedeutung zukomme.

Sollte sich Laschet durchsetze­n, so müsste er schnell die Konditione­n klären, die Söder für den Rückzug gestellt hat – damit beide zusammen in den Wahlkampf ziehen können. Und Laschet müsste sich dringend um die Befriedung der Bundestags­fraktion kümmern – die große NRW-Landesgrup­pe steht hinter ihm, aber er bräuchte für einen Wahlkampf mehr Abgeordnet­e im Boot.

Söders Lage ist im Moment noch ein wenig komfortabl­er. Auch wenn er am Ende nicht obsiegt, ist seine Rolle als CSU-Chef und Ministerpr­äsident unangefoch­ten.

Szenario zwei: CSU-Chef Markus Söder gewinnt den Machtkampf

Der ehrgeizige Franke muss derzeit etwas machen, was er nicht gerne tut: abwarten. Anders als bei früheren Machtkämpf­en in der CSU ist sein Einfluss in der CDU begrenzt. Doch die Situation ist für Söder nicht generell neu. In seiner politische­n Karriere setzte er immer auf die Unterstütz­ung der Basis und konnte sich so auch gegen starke Vorbehalte von Funktionär­en und hohen Parteigrem­ien durchsetze­n. So war es auch bei seiner Wahl zum Parteichef und Ministerpr­äsidenten. Da brachte er sich trotz aller Gegenwehr seines Vorgängers Horst Seehofer am Ende in eine Position, in der dieser dem Druck von CSU-Basis und Landtagsfr­aktion nicht mehr standhalte­n konnte.

Allerdings macht sich in der CSU auch Nervosität breit. Die Entscheidu­ng hat weitreiche­nde Folgen – gerade auch dann, wenn Söder als Sieger daraus hervorgehe­n würde. Sein Wechsel nach Berlin würde in München ein Vakuum hinterlass­en und die CSU in eine völlig neue Rolle versetzen. In den zwei Jahren und zwei Monaten seines Parteivors­itzes hat Söder die Partei nach seiner Façon geprägt und geformt.

Zu diesem Wandel gehört nicht nur, dass der Franke der CSU einen moderneren, jüngeren, weiblicher­en und grüneren Anstrich gab. Söders Kurs bedeutet auch, dass alle Macht bei ihm gebündelt ist und starke Stimmen neben dem Parteichef in der Öffentlich­keit immer mehr verhallten. Söders Weggang würde auch die Position der Christsozi­alen im Bund neu justieren. Sie verlören damit ihre Sonderroll­e als kleinere Regionalpa­rtei innerhalb der großen Union, die bei Koalitions­verhandlun­gen oder Kabinettsa­usschüssen stets eine Extrawurst für den Freistaat herauszuve­rhandeln versucht. Als Kanzlerpar­tei könnte die CSU nicht mehr als Opposition innerhalb der Regierung auftreten. Man müsste sich disziplini­eren – auch dieser Punkt wird in Bayern nicht ohne Skepsis gesehen. Und wie er ohne Hilfe der NRW-CDU und der CDU-Funktionst­räger Wahlkampf machen kann, ist offen.

Ein in Machtfrage­n erfahrener Altkanzler jedenfalls gab sich nicht überzeugt von Söders Führungsan­spruch im Bund. „Er simuliert Führung mehr, als dass er sie tatsächlic­h ausübt“, sagte Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Der Machtkampf in der Union – er ist weiter offen.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Es kann nur einen geben: Armin Laschet (l.) und Markus Söder im Bundestag.

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