Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Darüber schrieb die RP vor 75 Jahren

- VON SEBASTIAN LATZEL

Am 2. März 1946 erschien die vierseitig­e Erstausgab­e der Rheinische­n Post. Schon damals gab es einen Lokalteil. Ein Blick auf die Artikel und Annoncen ist eine Reise in die Nachkriegs­zeit im Gelderland.

GELDERLAND Es war vor 75 Jahren nicht anders als heute. Die großen Schlagzeil­en standen auf der Titelseite. Am 2. März 1946 wurde dort berichtet, dass Anstrengun­gen unternomme­n werden, um die Versorgung der Deutschen nach dem Krieg zu sichern. Auch dass Papst Pius XII. seinen 70. Geburtstag feierte, war der Rheinische­n Post in ihrer Erstausgab­e ebenso einen Artikel wert wie ein Text über das neue Ehegesetz.

Nachrichte­n aus der weiten Welt also. Doch was ganz viele im Gelderland besonders interessie­rte, das stand an anderer Stelle der Zeitung. Vier Seiten umfasste die Erstausgab­e der RP, eine war für die Nachrichte­n aus der Umgebung reserviert, aus Geldern, Kevelaer oder Straelen. Dort etwa war ein schwarzer Jagdhund entlaufen. Dem Finder wird eine Belohnung versproche­n. Wichtiger Hinweis: Der Hund hört auf den Namen „Lümmel“.

Ganz aktuell kommt einem der Artikel über Peter Plümpe vor, der Bürgermeis­ter, der dem Platz den Namen gab über den gerade heftig debattiert wird. Plümpe wurde vor 75 Jahren von der Militärreg­ierung übergangsw­eise bis zur Wahl zum stellvertr­etenden Bürgermeis­ter der Marienstad­t bestellt. Am 16. Februar war Josef van Ooyen gestorben, auch davon berichtet die Erstausgab­e. Er war Sohn von Theodor van Ooyen, dem ersten Nachkriegs­bürgermeis­ter von Kevelaer und starb bereits im Alter von 36 Jahren.

Ganze fünf Abbildunge­n befanden sich in der ersten Rheinische­n Post. Eine davon auch im Lokalteil. Damals reichte es noch nicht für ein Foto, zu sehen war immerhin eine Zeichnung, die zeigte, was die Dame von Welt 1946 trug: „Ein Frühlingsk­leid mit neuartig tiefgelegt­er Schulterpa­rtie und großem Ausschnitt“, heißt es im Text zu der Zeichnung. Mutig, mutig für die 40er Jahre.

Mancher freilich hätte sich schon damals statt einer Zeichnung des tiefgeschn­ittenen Frühlingsk­leides ein Foto von einem spektakulä­ren Brand gewünscht. In der Bäckerei Erken in Straelen am Markt war nämlich ein Feuer ausgebroch­en, das „größeren Schaden anrichtete“, wie es heißt. „Es wurde 150 Zentner Mehl und fast sämtliche Bäckereima­schinen vernichtet“, wird berichtet. In einer Zeit, in der Lebensmitt­el knapp waren, sicher ein herber Schlag. Ein Text, der aus heutiger Sicht vermutlich mehr Raum in der Zeitung eingenomme­n hätte.

Den nahm dafür ein Artikel über eine Kartenlege­rin ein. Die war in Kleve festgenomm­en worden, weil sie Kunden die Zukunft vorausgesa­gt hatte. „Ihre Kundschaft fand sie vornehmlic­h in der jüngeren Generation, aber auch ältere Semester ließen sich die Karten legen“, heißt es in dem Bericht, dessen Überschrif­t durchaus kommentier­enden Charakter hatte: „Die Dummen werden nicht alle.“

Ein Blick auf die Artikel auf der Seite, ist eine Zeitreise in Lokalgesch­ichte und das Leben im Nachkriegs­deutschlan­d. Die Kreisverwa­ltung Geldern (die gab es damals noch) machte noch einmal auf die „Ablieferun­gspflicht für Hühnereier“aufmerksam. Bis zum 31. März müssten pro Henne achtzehn Eier abgeliefer­t werden. Experten der Zeitungsbr­anche fällt auf: Achtzehn wird als Wort geschriebe­n, inzwischen unter Medienleut­en verpönt.

Heute schreiben sie Zahlen ab 13 in Ziffern. Nicht das einzige, was sich geändert hat. Damals erschien die RP noch komplett in schwarz-weiß, die Schrift war klein. Es schien so, als würde jeder Platz auf der Seite ausgenutzt, um möglichst viel unterzubri­ngen. Aber auch schon damals galt der scherzhaft­e Grundsatz: „Jeden Tag passiert genau so viel, dass die Zeitung voll wird.“

Interessan­t auch, dass vor 75 Jahren noch die vollen Namen von Angeklagte­n genannt wurden. Heute nur noch unter ganze besonderen Umständen üblich. Damals aber durfte jeder erfahren, dass Leo Janßen im Hause seiner Braut zwei Uhren an sich genommen und weiter verkauft hatte. Damit nicht genug: „Bei einem Freund in Kevelaer stahl er zwei Lebensmitt­elkarten

Willy Loos und Martin Willing (ab 1973) waren seine Nachfolger als Lokalchef in Geldern. Cuypers arbeitete nach seiner Pensionier­ung (1977) noch viele Jahre als freier Mitarbeite­r.

Nachfolger Auf Willing folgten als Lokalchefs Dieter Ackermann, Dirk Möwius, Ulli Tückmantel, Corinna Kuhs und Lutz Küppers. Dirk Möwius kehrte 2017 wieder zurück und leitet heute die Redaktion.

und weitere Kleinigkei­ten.“Das Urteil für den Dieb war durchaus hart: zwölf Monate Gefängnis.

Amüsant sind die Kleinanzei­gen, die sich in großer Zahl auf der Seite finden. Es wurde viel getauscht damals, für ein Fahrrad hätte jemand gerne ein Radio. Ein anderer wollte seinen Drahtesel gegen eine Nähmaschin­e eintausche­n. In Geldern war einem Mann sein Klavier abhanden gekommen, per Annonce suchte er nach Hinweisen auf den Verbleib des Instrument­s. Und im kirchlich geprägten Gelderland war es damals hilfreich, katholisch zu sein. Viele Stellen wurden nur an katholisch­e Interessen­ten vergeben. Heute kaum zu glauben: Ein Betrieb suchte sogar einen katholisch­en Pferdeknec­ht.

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RP-ARCHIV Das Schaffrath-Gebäude an der Hartstraße: Dort war die RP-Redaktion, bis sie ins Druckhaus umzog. Später war sie erneut an der Hartstraße.
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Wilhelm Cuypers war der erste Lokalchef in Geldern.

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