Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Darüber schrieb die RP vor 75 Jahren
Am 2. März 1946 erschien die vierseitige Erstausgabe der Rheinischen Post. Schon damals gab es einen Lokalteil. Ein Blick auf die Artikel und Annoncen ist eine Reise in die Nachkriegszeit im Gelderland.
GELDERLAND Es war vor 75 Jahren nicht anders als heute. Die großen Schlagzeilen standen auf der Titelseite. Am 2. März 1946 wurde dort berichtet, dass Anstrengungen unternommen werden, um die Versorgung der Deutschen nach dem Krieg zu sichern. Auch dass Papst Pius XII. seinen 70. Geburtstag feierte, war der Rheinischen Post in ihrer Erstausgabe ebenso einen Artikel wert wie ein Text über das neue Ehegesetz.
Nachrichten aus der weiten Welt also. Doch was ganz viele im Gelderland besonders interessierte, das stand an anderer Stelle der Zeitung. Vier Seiten umfasste die Erstausgabe der RP, eine war für die Nachrichten aus der Umgebung reserviert, aus Geldern, Kevelaer oder Straelen. Dort etwa war ein schwarzer Jagdhund entlaufen. Dem Finder wird eine Belohnung versprochen. Wichtiger Hinweis: Der Hund hört auf den Namen „Lümmel“.
Ganz aktuell kommt einem der Artikel über Peter Plümpe vor, der Bürgermeister, der dem Platz den Namen gab über den gerade heftig debattiert wird. Plümpe wurde vor 75 Jahren von der Militärregierung übergangsweise bis zur Wahl zum stellvertretenden Bürgermeister der Marienstadt bestellt. Am 16. Februar war Josef van Ooyen gestorben, auch davon berichtet die Erstausgabe. Er war Sohn von Theodor van Ooyen, dem ersten Nachkriegsbürgermeister von Kevelaer und starb bereits im Alter von 36 Jahren.
Ganze fünf Abbildungen befanden sich in der ersten Rheinischen Post. Eine davon auch im Lokalteil. Damals reichte es noch nicht für ein Foto, zu sehen war immerhin eine Zeichnung, die zeigte, was die Dame von Welt 1946 trug: „Ein Frühlingskleid mit neuartig tiefgelegter Schulterpartie und großem Ausschnitt“, heißt es im Text zu der Zeichnung. Mutig, mutig für die 40er Jahre.
Mancher freilich hätte sich schon damals statt einer Zeichnung des tiefgeschnittenen Frühlingskleides ein Foto von einem spektakulären Brand gewünscht. In der Bäckerei Erken in Straelen am Markt war nämlich ein Feuer ausgebrochen, das „größeren Schaden anrichtete“, wie es heißt. „Es wurde 150 Zentner Mehl und fast sämtliche Bäckereimaschinen vernichtet“, wird berichtet. In einer Zeit, in der Lebensmittel knapp waren, sicher ein herber Schlag. Ein Text, der aus heutiger Sicht vermutlich mehr Raum in der Zeitung eingenommen hätte.
Den nahm dafür ein Artikel über eine Kartenlegerin ein. Die war in Kleve festgenommen worden, weil sie Kunden die Zukunft vorausgesagt hatte. „Ihre Kundschaft fand sie vornehmlich in der jüngeren Generation, aber auch ältere Semester ließen sich die Karten legen“, heißt es in dem Bericht, dessen Überschrift durchaus kommentierenden Charakter hatte: „Die Dummen werden nicht alle.“
Ein Blick auf die Artikel auf der Seite, ist eine Zeitreise in Lokalgeschichte und das Leben im Nachkriegsdeutschland. Die Kreisverwaltung Geldern (die gab es damals noch) machte noch einmal auf die „Ablieferungspflicht für Hühnereier“aufmerksam. Bis zum 31. März müssten pro Henne achtzehn Eier abgeliefert werden. Experten der Zeitungsbranche fällt auf: Achtzehn wird als Wort geschrieben, inzwischen unter Medienleuten verpönt.
Heute schreiben sie Zahlen ab 13 in Ziffern. Nicht das einzige, was sich geändert hat. Damals erschien die RP noch komplett in schwarz-weiß, die Schrift war klein. Es schien so, als würde jeder Platz auf der Seite ausgenutzt, um möglichst viel unterzubringen. Aber auch schon damals galt der scherzhafte Grundsatz: „Jeden Tag passiert genau so viel, dass die Zeitung voll wird.“
Interessant auch, dass vor 75 Jahren noch die vollen Namen von Angeklagten genannt wurden. Heute nur noch unter ganze besonderen Umständen üblich. Damals aber durfte jeder erfahren, dass Leo Janßen im Hause seiner Braut zwei Uhren an sich genommen und weiter verkauft hatte. Damit nicht genug: „Bei einem Freund in Kevelaer stahl er zwei Lebensmittelkarten
Willy Loos und Martin Willing (ab 1973) waren seine Nachfolger als Lokalchef in Geldern. Cuypers arbeitete nach seiner Pensionierung (1977) noch viele Jahre als freier Mitarbeiter.
Nachfolger Auf Willing folgten als Lokalchefs Dieter Ackermann, Dirk Möwius, Ulli Tückmantel, Corinna Kuhs und Lutz Küppers. Dirk Möwius kehrte 2017 wieder zurück und leitet heute die Redaktion.
und weitere Kleinigkeiten.“Das Urteil für den Dieb war durchaus hart: zwölf Monate Gefängnis.
Amüsant sind die Kleinanzeigen, die sich in großer Zahl auf der Seite finden. Es wurde viel getauscht damals, für ein Fahrrad hätte jemand gerne ein Radio. Ein anderer wollte seinen Drahtesel gegen eine Nähmaschine eintauschen. In Geldern war einem Mann sein Klavier abhanden gekommen, per Annonce suchte er nach Hinweisen auf den Verbleib des Instruments. Und im kirchlich geprägten Gelderland war es damals hilfreich, katholisch zu sein. Viele Stellen wurden nur an katholische Interessenten vergeben. Heute kaum zu glauben: Ein Betrieb suchte sogar einen katholischen Pferdeknecht.