Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Der Vater des Gartenbaus am Niederrhein
Hans Tenhaeff organisierte vor mehr als 100 Jahren die Gärtner in Straelen und dem Umland. So legte er den Grundstein dafür, dass sich das Agrobusiness zu einem wichtigen Wirtschaftszweig in der Region entwickeln konnte.
STRAELEN Verdienstvolle Menschen werden verewigt – mit Denkmälern, auf Briefmarken, durch Stiftungen und auf Straßenschildern. Letzteres trifft auf Hans Tenhaeff zu. An der Peripherie des Stadtkerns von Straelen ist eine Straße nach ihm benannt.
Er hat dafür gesorgt, dass der alte plattdeutsche Spruch, in Straelen sei nichts zu holen, längst nicht mehr stimmt. Er organisierte vor mehr als 100 Jahren die Gärtner in der Stadt und ihrem Umland und legte so den Grundstein dafür, dass Straelen zum Zentrum einer der wichtigsten Gartenbauregionen Deutschlands wurde. Und gab somit letztlich auch den Anstoß dafür, dass das Agrobusiness, also die „grüne Branche“mit allen ihr angelagerten Bereichen, ein bedeutender Wirtschaftszweig am gesamten Niederrhein ist.
Tenhaeff hatte zunächst mit einem anderen Naturprodukt zu tun. Nach der Militärdienstzeit und einer Angestelltentätigkeit in einer Reederei in Ruhrort gründete er in Duisburg ein eigenes Holzhandelsgeschäft. 1909 siedelte er mit seiner Firma nach Straelen um. Die dörfliche Gemeinde bot Tenhaeff gute Entwicklungsmöglichkeiten für den Holzhandel sowie für das später errichtete Sägewerk und eine Kistenfabrik.
Nach seiner Wahl in den Straelener Gemeinderat 1913 verstärkte Tenhaeff seine ehrenamtliche Tätigkeit. Er hatte mitbekommen, wie die niederländischen Nachbarn das Ruhrgebiet mit Gemüse belieferten, und überlegte, ob sich diese Branche nicht auch in Straelen installieren ließe. „Tenhaeff überzeugte die eher am Vertrauten festhaltenden Bauern davon, dass sie mit intensivem Gemüseanbau auf kleinen Flächen ihre Erträge enorm steigern könnten“, berichtete Straelens ehemaliger Stadtarchivar Bernhard Keuck in einem früheren RP-Artikel. Etwa 40 Interessenten machte Tenhaeff, unterstützt von einem niederländischen Experten, mit dem Erwerbsgartenbau vertraut.
Tenhaeffs Organisationstalent wirkte bald über die Stadtgrenzen hinaus. Auf seine Anregung hin schlossen sich Ende 1913 im Altkreis Geldern 13 Obst- und Gartenbauvereine zu einem Kreisverband zusammen. Im Juni 1914 wurde auf dem Kreisbahngelände in Straelen die erste deutsche Erzeugerversteigerung für Gemüse, Obst und Eier eröffnet.
Der in Straelen geschaffene Trend zur Kooperation von Landwirten und Gärtnern strahlte bald nach Kempen, Moers und Kleve aus. Fast logisch war es, dass man Tenhaeff 1922 zum Vorsitzenden des neuen Provinzialverbands der Erwerbs-, Obst- und Gemüsezüchter für die Rheinprovinz machte.
„Tenhaeff begriff, dass ohne gute Ausbildung alles auf tönernen Füßen steht“, kommt Keuck auf den – neben Produktion und Vermarktung – dritten wichtigen Bereich im Agrobusiness zu sprechen, für den Anfang des 20. Jahrhunderts die Grundlagen geschaffen wurden. Auch hierbei wirkten die Niederländer inspirierend. 1915 ließ Tenhaeff eine Versuchsanlage von Glashäusern errichten. 1916 griff er den Gedanken auf, eine an der Praxis ausgerichtete Lehranstalt für den Gemüsebau in Straelen zu gründen. Sie war die Keimzelle für die Nachfolger Lehr- und Versuchsanstalt und Gartenbauzentrum sowie für weitere Bildungsinstitute der Landwirtschaftskammer.
Beim Organisieren beließ es Tenhaeff nicht. In Publikationen warb er für den Gemüsebau. Ein kleines grünes Heft wurde 1913/14 zu einem Renner, 20.000 Exemplare wurden gedruckt. Darin versammelte Tenhaeff „Vorschriften über Sortierung und Verpackung von Gartenfrüchten aller Art“.
Jahrzehnte lang führte die HansTenhaeff-Straße zum Versteigerungsgelände. Die alten Hallen stehen längst nicht mehr. Auf dem brachliegenden „Gemüseplatz“, wie das Areal im Volksmund heißt, sollen bald Wohnungen gebaut werden. Der erste Spatenstich ist vor einigen Wochen erfolgt. Nach dem Willen der Stadtplaner soll dort bald das zweite Straelener Zentrum entstehen.
Das Zentrum der Gartenbauvermarktung hat sich mittlerweile in den Straelener Stadtteil Herongen verlagert. Genauer: nach Niederdorf. Dort erhebt sich die Zentrale der Erzeugergenossenschaft Landgard, dort laufen die Versteigerungsuhren, an Dutzenden Laderampen holen Lkw die Ware und bringen sie zu den Abnehmern im Groß- und Einzelhandel.
Rund 3300 Gartenbaubetriebe vertrauen auf die Marktkraft der Genossenschaft. Ihr Umsatz lag im Geschäftsjahr 2019 bei rund zwei Milliarden Euro, was gegenüber dem Vorjahr ein Plus von drei Prozent bedeutete. Der Gewinn vor Steuern belief sich auf 25,3 Millionen Euro, eine Steigerung von mehr als 31 Prozent. Auch im Pandemie-Jahr 2020 hielt der positive Trend an. Gartenarbeit war eine der Tätigkeiten, die durch das Coronavirus nicht eingeschränkt waren. Dementsprechend deckten die Menschen sich verstärkt mit Pflanzen ein.