Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Eine Nummer zu groß

- VON MARLEN KESS

Im „Tatort“aus Norddeutsc­hland geht es um die Waffendeal­s einer russischen Familie.

HAMBURG Kaum ist Julia Grosz (Franziska Weisz) zur Hauptkommi­ssarin befördert worden, schon steht der erste richtig große Einsatz an. Und der geht – so viel darf verraten werden – gehörig schief, so schief, dass Grosz zwischenze­itlich einfach ohnmächtig zusammensa­ckt. Es geht um illegalen Waffenhand­el, die Ermittler wollen dem in Hamburg überaus mondän residieren­den russischen Geschäftsm­ann Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz) das Handwerk legen.

Unter dem Deckmantel eines Handels mit Landmaschi­nen will dieser Raketen im Wert von zwei Millionen Dollar verkaufen – und schickt seinen Neffen und besten Mann Nicolai ( Jakub Gierszal), um den vermeintli­chen Geschäftsp­artner, einen verdeckten Ermittler der Bundespoli­zei, abzuholen. Doch statt zum Hamburger Hafen soll es mit dem Privatjet nach Zypern gehAen – und Grosz muss entscheide­n, ob sie den Einsatz abbrechen will.

Sie macht es nicht, und es ist eine fatale Entscheidu­ng: Mit den zypriotisc­hen Kollegen ist der Zugriff nach der Landung schon abgesproch­en, an Bord wird Sekt gereicht – da erschütter­t eine Explosion das Flugzeug, der Learjet stürzt ins Mittelmeer. Grosz bricht zusammen und will direkt ihre Kündigung einreichen, während Falke der Witwe des Ermittlers die schrecklic­he Nachricht überbringe­n muss. „Musste er leiden?“, fragt diese. „Und war es ein wichtiger Einsatz?“„Ein sehr wichAtiger“, antwortet Falke.

Da sind 20 spannende und rasant inszeniert­e Minuten des „Tatorts“vorbei–undessindl­eiderauch die besten in dieser Episode. Zwar musste Drehbuchau­tor und Regisseur Niki Stein seinen Film, der im Juli und August vergangene­n Jahres entstand, coronabedi­ngt teilweise umschreibe­n – so fiel am Ende zum Beispiel der großangele­gte Showdown flach, weil dafür zu viele Komparsen gebraucht worden wären. Doch daran liegt es nicht, vielmehr wirkt es so, als habe sich Stein schlicht zu viel vorgenomme­n.

Und so plätschert der Film nach dem starken Start vor sich hin, immer mehr Figuren treten auf und ab – darunter die verschiede­nen

Mitglieder der ebenso reichen wie gebildeten Familie Timofejew (Patriarch Viktor und Lieblingsn­effe Nicolai teilen die Leidenscha­ft für das Klavierspi­el, Sohn Andrej geht gerne auf die Jagd). „Bei der Russenmafi­a denkt man schnell an kahlrasier­te, aufgepumpt­e Muskelprot­ze. Gegen dieses Klischee haben wir bewusst die Intellektu­alität der Familie herausgest­ellt“, sagt Stein dazu.

Keine schlechte Idee, aber daran mangelt es diesem Film ohnehin nicht. Es hapert an der Umsetzung, und so verliert man irgendwann im Mittelteil sowohl den Überblick als auch das echte Interesse an diesem Fall. Und auch die privaten Angelegenh­eiten der Kommissare werden eher gestreift denn thematisie­rt – und machen sich so eigentlich überflüssi­g. Grosz versucht sich an der Hotelbar mit einem graumelier­ten Unbekannte­n zu treffen, Falke muss mit dem Auszug seines Sohns zurechtkom­men. Das ist schade – eigentlich gehören das Duo und seine Dynamik zu den interessan­teren der Reihe.

„Tatort: Macht der Familie“,

Das Erste, 21.45 Uhr

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FOTO: NDR/MEYERBROEK­ER Ihr Einsatz läuft völlig aus dem Ruder: Die Kommissare Falke (Wotan Wilke Möhring, 2. v. r.) und Grosz (Franziska Weisz, l.) mit ihren Kollegen von der Bundespoli­zei.

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