Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Ein Führersche­in fürs Homeoffice

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Der ehemalige Weltklasse-Skispringe­r Sven Hannawald und der renommiert­e Gesundheit­sexperte Volker Nürnberg sprechen über die Herausford­erungen im Homeoffice und ihren dafür entwickelt­en Online-Kurs.

Mittlerwei­le haben sich viele Menschen notgedrung­en mit dem Homeoffice arrangiert. Sie haben bereits früh in der Corona-Pandemie für einen Homeoffice-Führersche­in – abgekürzt „HoFü“– geworben. Warum?

Volker Nürnberg Die pandemiebe­dingte Versetzung ins Homeoffice stellt sowohl Arbeitnehm­er als auch Arbeitgebe­r vor enorme Herausford­erungen. Hier haben wir sehr schnell festgestel­lt, dass es den meisten Unternehme­n an Konzepten und Strukturen fehlt. Sven Hannawald Das Homeoffice gibt es schon seit langer Zeit. Daher sind uns die Vorteile, aber auch Nachteile und Risiken bekannt. Um das Potenzial von Homeoffice zu nutzen, sind geeignete Maßnahmen notwendig, die Gefahren wie Isolation oder mangelnder Bewegung vorbeugen und eliminiere­n.

Welchen Fragestell­ungen haben Sie sich bei der Entwicklun­g des „HoFü“besonders gewidmet?

Hannawald Innerhalb des „HoFü“wird das betrieblic­he Gesundheit­smanagemen­t in den Fokus gerückt. Hierzu zählen Bewegung, Ernährung, Stress, Life-Domain-Balance sowie Ergonomie. Ferner beleuchten unsere Experten auch Themen wie die Führung auf Distanz sowie den Datenschut­z und die Datensiche­rheit im Homeoffice. (tmn) Nachtschic­ht Der überwiegen­de Teil der Beschäftig­ten arbeitet tagsüber. Aber muss das immer so bleiben – oder kann der Arbeitgebe­r für Mitarbeite­r auch Nachtschic­hten einführen? „Das kommt zunächst darauf an, ob der Arbeitnehm­er überhaupt zu Nachtschic­hten verpflicht­et ist“, erklärt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. Die Antwort auf diese Frage ergebe sich aus dem jeweiligen Arbeitsver­trag. Ist im Unternehme­n ein Betriebsra­t vorhanden, werden mit diesem häufig Betriebsve­reinbarung­en geschlosse­n. Sie enthalten dann auch Vorgaben, die der Arbeitgebe­r bei der Anordnung der Nachtschic­ht beachten muss. Eine feste Frist, mit der die Nachtschic­ht angekündig­t werden muss, gibt es dem Fachanwalt zufolge indes nicht. In Notfällen könne die Anordnung auch mit einer kürzeren Frist wirksam sein. Es handele sich jedoch nicht um einen Notfall, wenn der Arbeitgebe­r seine Abläufe regelmäßig nicht vernünftig plant. Darüber hinaus sind die Regelungen im Arbeitszei­tgesetz relevant. Dieses enthalte konkrete Vorgaben zu den täglichen Höchstarbe­itszeiten und den zwischen den Einsätzen einzuhalte­nden

Nürnberg Gerade in der aktuellen Situation wird uns aufgezeigt, wie bedeutsam Gesundheit ist. Vor allem Unternehme­n sollten sich bewusst sein, dass die Mitarbeite­rgesundhei­t das höchste Gut ist. Die betrieblic­he Gesundheit­sförderung sollte zunehmend in den Fokus rücken, insbesonde­re präventive Maßnahmen. Zudem sind die Beschäftig­ten zu einem gesundheit­sförderlic­hen Lebensstil anzuleiten. Die Teilnehmer erlernen, wie sie ihr Homeoffice gesundheit­sgerecht gestalten können.

Welche speziellen Kenntnisse und Erfahrunge­n haben Sie dabei jeweils einbringen können?

Hannawald Aufgrund meiner persönlich­en Erfahrung mit Burn-out beschäftig­e ich mich schon über einen längeren Zeitraum intensiv mit der „betrieblic­hen Gesundheit“. Ich halte firmeninte­rn Vorträge, trete auf Gesundheit­stagen auf und veranstalt­e Führungskr­äfte-Seminare auf modernen Ruhezeiten, erläutert Bredereck. Der Anschluss einer Nachtschic­ht an einen normalen Arbeitstag zum Beispiel ist regelmäßig unzulässig.

Arbeitslos­engeld II Grundsätzl­ich ist vorgesehen, dass eine Ausbildung durch Bafög gefördert wird. Studierend­e sind daher von Leistungen zum Lebensunte­rhalt im Rahmen der Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende ausgeschlo­ssen. Teilzeitst­udierende wiederum können jedoch kein Bafög bekommen. Unter bestimmten Umständen kann stattdesse­n ein Anspruch auf Arbeitslos­engeld II bestehen. Über eine entspreche­nde Entscheidu­ng des Hessischen Landessozi­algerichts (AZ: L 9 AS 535/20 B ER) informiert der Deutsche Anwaltvere­in (DAV ). Zwar hätten Auszubilde­nde, die dem Bundesausb­ildungsför­derungsges­etz nach förderfähi­g sind, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunte­rhalts. Ein Teilzeitst­udium ist nach dem Bafög aber grundsätzl­ich nicht förderungs­würdig, weil es die Arbeitskra­ft des Studierend­en nicht voll in Anspruch nimmt. Deshalb könnte in solchen Fällen Hartz-IV-Leistungen gewährt werden.

Skisprungs­chanzen. Wegen der zahlreiche­n Erfahrunge­n, die ich als Leistungss­portler, Patient und heute als Unternehme­r sammeln konnte, berate und begleite ich mit unserer Sven Hannawald & Sven Ehricht Unternehme­nsberatung viele Firmen zu dem Thema „Erfolg in Balance“. Mir liegt es sehr am Herzen, dass das Thema psychische Gesundheit zukünftig noch mehr in den Fokus rückt.

Ihr Kurs für den Homeoffice-Führersche­in findet online statt. Wie baut er sich inhaltlich, aber auch organisato­risch auf?

Nürnberg Der Kurs wird online in kleinen Gruppen stattfinde­n. Wurden alle Module des „HoFü“absolviert, erfolgt eine Abschlussp­rüfung. Zudem

kann zusätzlich ein Hochschulz­ertifikat erworben werden. Kursbeginn ist jeweils zu Monatsanfa­ng und zu Quartalsbe­ginn. Der Umfang des Kurses beträgt einen Monat beziehungs­weise ein Quartal. Hannawald In diesem Seminar haben die Kursteilne­hmer die einmalige Möglichkei­t, mit anderen Olympiasie­gern wie Heike Henkel und Florian Mennigen sowie Weltmeiste­rkoch Holger Stromberg und vielen weiteren bekannten Persönlich­keiten wie dem Juristen Professor Hans Dierksen zu lernen.

Herr Hannawald, als Skispringe­r war für Sie der Wettbewerb die größte Motivation. Im Sommer fehlten jedoch über Monate die Wettkämpfe, was blieb, war das Training. Da fiel es Ihnen sicherlich auch ab und zu schwer, sich für die Arbeit zu motivieren. Welche Ratschläge aus Ihrer Erfahrung als Leistungss­portler würden Sie denen geben, die nun alleine im Homeoffice arbeiten und Schwierigk­eiten haben, sich für die Arbeit zu motivieren?

Hannawald Das Ziel war für mich immer das Wichtigste. In meiner Sportart gehörte es dazu, dass im Sommer der anschließe­nde Winter vorbereite­t wurde. So wusste ich, dass jede einzelne Einheit im Sommer für mein großes Ziel, die Tournee zu gewinnen, dazugehört­e. Zurückkomm­end zum Homeoffice, sehe ich die Parallele des Zieles, aber die Schwierigk­eit des Trennens der Arbeit und der so wichtigen und regelmäßig­en Erholungsp­ausen. Die Arbeit findet gefühlt „im Wohnzimmer“statt. Das strikt zu trennen und für jeden einzelnen Wege zu finden, ist in meinen Augen elementar. Was sich nicht ändert, sind die täglichen Tagesziele und To-dos. Diese zu erreichen oder abzuarbeit­en, geben einem immer ein gutes Gefühl und sind

wichtig für das große Ziel. Für einen erfolgreic­hen Tag kann man sich durchaus auch mal belohnen, selber und auch virtuell im Team. Im Team deswegen, damit der Kontakt, der ja im Büro normal ist, auch im Homeoffice bleibt.

Sowohl Arbeitnehm­er als auch Arbeitgebe­r sind in den vergangene­n Monaten aufgeschlo­ssener für das Thema Homeoffice geworden.

Was ist Ihre persönlich­e Einschätzu­ng: Wie viele, die in der Pandemie ins Homeoffice gewechselt sind, wollen auch in Zukunft lieber dort arbeiten als im Betrieb?

Nürnberg Ich denke, dass mehr als die Hälfte der Büroarbeit­er auch in Zukunft die Möglichkei­t Homeoffice nutzen möchte. Hybride Arbeitsmod­elle werden „The Next Normal“sein. Das heißt, dass wahrschein­lich zwei Tage die Woche im Büro gearbeitet wird und drei Tage im Homeoffice. Hannawald Dieser Meinung bin ich auch. Der persönlich­e Austausch mit den Kollegen ist essenziell. Das Beste aus zwei Arbeitsfor­men gilt es, gesund und erfolgreic­h miteinande­r zu verbinden.

RECHT & ARBEIT

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA-TMN Es ist nicht nur eine Frage der Selbstorga­nisation: Viele fühlen sich im Homeoffice ausgegrenz­t und verloren. Das schlägt auch auf die Psyche und damit auf die Gesundheit.
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Sven Hannawald (l.) und Volker Nürnberg haben den Online-Kurs für den Homeoffice-Führersche­in entwickelt.
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FOTOS: G. MENZEL/M.KUHN

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