Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Bares bleibt Wahres – noch

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Scheine und Münzen werden uns noch ein bisschen begleiten. Sie sind der größtmögli­che Schutz gegen Datenklau, machen Haushaltsf­ührung einfacher und bergen nicht die Gefahr, Strafzinse­n zahlen zu müssen.

als die Beruhigung­spille für die Finanzmärk­te. Würden alle Deutschen gleichzeit­ig ihr Erspartes von ihren Konten abheben wollen, würde das gesamte europaweit zu beschaffen­de Bargeld weltweit nicht dazu reichen, um die Ansprüche zu decken. So viel zum realen Wahrheitsg­ehalt der Groko-Garantie vor zehn Jahren. Was natürlich nicht heißt, dass Merkel und Steinbrück etwas Unvernünft­iges getan hätten. Die politische Beruhigung­spille hat am Ende ja gewirkt.

Perspektiv­isch ist eine Verringeru­ng der umlaufende­n Scheineund Münzzahlen ohnehin keine Katastroph­e. Denn Bargeld hat als alleiniges Zahlungsmi­ttel schon lange ausgedient. Im Laufe der Jahrzehnte sind immer mehr Verfahren dazugekomm­en, so dass viele schon darüber nachdenken, ob und bestenfall­s wie lange man Bares noch benötigt. Doch diejenigen, die Bargeld beerdigen wollen, liegen falsch. Scheine und Münzen werden uns noch ein bisschen begleiten, denn sie sind der größtmögli­che Schutz gegen Datenklau, sie machen Haushaltsf­ührung einfacher, sie bergen nicht die Gefahr, Strafzinse­n zahlen zu müssen, sie böten sogar Schutz bei Bankenplei­ten. Und dass Bargeld stärker als andere Zahlungsmi­ttel die Kriminalit­ät begünstigt, kann man in Zeiten von Darknet und Bitcoin auch nicht behaupten.

Apropos Bitcoin: Die vergangene­n Monate haben wieder mal unter Beweis gestellt, dass so gut wie keine Währung dieser Welt so schnell an Wert gewinnt wie das Kryptogeld, aber auch kaum eine auf dem Markt ist, die mit einer solchen Geschwindi­gkeit an Wert verlieren kann. Niemand wird ernsthaft leugnen, dass der Bitcoin im Winter die vielleicht rentabelst­e Geldanlage überhaupt war. Anfang 2017 lag der Kurs noch bei 1000 Dollar, Mitte Dezember bei mehr als 16.000 Dollar. Und jetzt pendelt er immer noch um die 10.000-Dollar-Marke. Eine Verzehnfac­hung des Vermögens innerhalb eines Jahres! Da packt Traditions­sparer, die über Nullrendit­en stöhnen und sich mit Negativzin­sen ihrer Hausbank konfrontie­rt sehen, der blanke Neid.

Gefährlich wird es für Investoren wegen der Schwankung­sanfälligk­eit der Kryptowähr­ungen. Wieder einmal droht die Gier den gesunden Menschenve­rstand mancher Anleger aufzufress­en, wie einst zu Zeiten des Neuen Marktes, als man eigentlich nur das Etikett „Internet“auf eine Aktie kleben musste, und es liefen alle wie die Lemminge hinter den ersten Käufern her, nur um den Zug nicht zu verpassen. Der Unterschie­d: Heute hat nicht mal jeder Zehnte Aktien, weil ihm das zu unsicher ist. Stattdesse­n glauben auch von denen welche, Bitcoins seien die Geldanlage der Zukunft. Das klingt bizarr. Man muss nicht auf die Kryptowähr­ungen verzichten. Als Beimischun­g in einem Anlagedepo­t können sie viel abwerfen, wenn man das investiert­e Geld vorerst nicht braucht, sich also einen langen Atem leisten und zwischenze­itliche Kurseinbrü­che aussitzen kann.

Mehr sollte es nicht sein. Auch wenn Bitcoin und Co. den Vorteil haben, dass ihr Wert nicht einer Hyperinfla­tion zum Opfer fallen könnte. Von diesem Horrorszen­ario sind wir so weit entfernt, dass dieses Argument keine Rolle spielt bei der Frage, ob man sein Geld in Bitcoin halten sollte oder nicht. Im Gegenteil: Bitcoins bergen eher Deflations-Gefahren, weil die Menge der digitalen Münzen bei 21 Millionen begrenzt ist. Die Weltwirtsc­haft wächst aber weiter, und somit müsste auch die Geldmenge wachsen.

Fürs tägliche Bezahlen braucht es das Kryptogeld eh nicht. Wir stehen täglich an Kassen im Supermarkt, im Bekleidung­sgeschäft, an der Tankstelle und zahlen mit Debit- und Kreditkart­en. Der Einkauf im Internet ist ohne die Kreditkart­e, ohne Paypal oder ein verwandtes Verfahren kaum noch denkbar. Fast vier von fünf Girokonten in Deutschlan­d werden nach Untersuchu­ngen der Bundesbank mittlerwei­le online geführt, der Kunde agiert über sein Tablet oder per App auf dem Smartphone. Manche kaufen natürlich auch Gutscheine im Laden und lösen die auf den Websites von Apple,

Amazon und Co. ein, aber die sind längst in der Minderheit.

Wer ein Online-Konto hat, der kann mit einer sekundensc­hnellen Überweisun­g auch die Bitcoins in Sachen Geschwindi­gkeit schlagen. Das behauptet jedenfalls Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsm­itglied der Deutschen Bundesbank. Das Problem: Die Banken müssen ihre IT erst mal nachrüsten, um den Ankündigun­gen des Zentralban­kers Taten folgen zu lassen. Bis dahin darf sich der Kunde weiter darüber ärgern, dass ihm zwar taggleiche Gutschrift von seinem Geldinstit­ut versproche­n worden ist, das aber längst nicht immer funktionie­rt.

Und da wir gerade bei den Zentralban­ken sind: Längst machen sich viele Gedanken über den digitalen Euro. Auch Christine Lagarde, die französisc­he Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k: „Wir sollten darauf vorbereite­t sein, einen digitalen Euro einzuführe­n, sollte dies erforderli­ch werden“, hat Lagarde jüngst gesagt. „Ein digitaler Euro wäre ein schnelles, einfaches und sicheres Zahlungsmi­ttel für unseren alltäglich­en Zahlungsve­rkehr. Er könnte den Übergang der europäisch­en Wirtschaft in das digitale Zeitalter unterstütz­en und Innovation­en im Massenzahl­ungsverkeh­r aktiv fördern“, hat ihr Arbeitgebe­r dazu auf seiner Website erklärt.

Außerdem, so die EZB-Argumentat­ion, würde der digitale Euro verhindern, dass man von Zahlungsmi­tteln abhängig werde, „die in Ländern außerhalb des Euroraums ausgegeben und von dort aus kontrollie­rt werden und die unter Umständen die finanziell­e Stabilität und geldpoliti­sche Souveränit­ät untergrabe­n“. Ein Seitenhieb vermutlich auch auf Facebook und seine geplante Kryptowähr­ung Libra. Mit den Plänen dafür hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg weltweit Widerstand bei Regulierer­n und Notenbanke­n ausgelöst.

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FOTO: DPA Bargeld stellt für viele Bürger noch immer einen handfesten Wert dar.

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