Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Am Anfang stand der Traum

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ihren Anspruch geltend machen, dem Neuanfang eine Stimme zu geben. Ihre Zeitung für Politik und christlich­e Kultur, die Rheinische Post, erschien vor 75 Jahren zum ersten Mal. Sie ist, wie es die Gründer wollten, ein bleibendes Bekenntnis zur freiheitli­chen Demokratie, zum Rechtsstaa­t, zu einem Leben mit Haltung.

Der gesellscha­ftliche Diskurs über den besten Weg, in den Jahrzehnte­n seit 1946 mit den unterschie­dlichsten Fragestell­ungen immer neu geführt und von der Rheinische­n Post begleitet, lebt vom Prozess der an Werten orientiert­en Meinungsbi­ldung. In Zeiten steten Wandels, braucht es Tatkraft und Zielbewuss­tsein.

1946 hieß das, anzupacken, aufzuräume­n. Das bezog sich nicht nur auf den Schutt in den Straßen, sondern auch auf die Zerstörung­en an Herz und Seele, auf die Wunden einer zerrissene­n Gesellscha­ft. Wer war Opfer? Wer war Täter? Die erste Ausgabe der Rheinische­n Post beschäftig­te sich mit diesen damals wesentlich­en Fragen. Sie war, gerade mal vier Seiten stark, ein Abbild der Zeit, „der Kargheit und des bescheiden­en Beginns“, wie es im Leitartike­l hieß.

Die Zeitung war dennoch umfassend. Sie berichtete über die Not „Äußerste Anstrengun­gen zur Versorgung Deutschlan­ds“. Sie benannte die Schuldigen, indem sie auf der ersten Seite den Blick auf die Nürnberger Kriegsverb­recherproz­esse richtete. Sie bot Orientieru­ng. Sie machte Mut. Verleger Anton Betz schrieb: „Die Zeitung kann weder Brot noch Wohnungen schaffen, aber sie kann helfen, die Bereitscha­ft herbeizufü­hren, die für jede aufbauende Arbeit unerlässli­ch ist.“

Die Gründer trieb die Hoffnung an, dass ihr Traum einer freien Gesellscha­ft in Erfüllung gehen könne. Ihr Antrieb war die eigene Überzeugun­g, gewonnen nicht zuletzt durch die leidvollen Erfahrunge­n der Hitler-Zeit, getragen vom Glauben an eine bessere, gerechtere Zukunft. Erich Wenderoth, Jurist mit scharfem Verstand, beschrieb seinen inneren Antrieb so: „Ordnung in Volk und Staat kann nur bestehen, wo aus dem Gefühl der Pflicht und der persönlich­en Verantwort­ung Wille und Mut zum Handeln erwächst.“Sozialpoli­tiker Karl Arnold war davon überzeugt, dass die Zeitung „eine wachsame Hüterin der Menschenwü­rde, ein Forum der Brüderlich­keit“sein müsse. Ihnen gemeinsam war der Wille, mit der Rheinische­n Post einer verstummte­n Gesellscha­ft

endlich zur Aussprache zu verhelfen.

Ihre Haltung war nicht Selbstzwec­k, sondern ausgericht­et am Gemeinwohl. Ihre Haltung war nicht Machtanspr­uch, sondern stellte die Gründer selbst in den Dienst der Zeitung. Allen voran machte Gründungsv­erleger Anton Betz die Rheinische Post zu einer wichtigen Stimme – für das neue Land Nordrhein-Westfalen, gegründet wie die Zeitung 1946, und die junge Bundesrepu­blik Deutschlan­d, deren Entstehen und Wachsen die Zeitung begleitete. Betz, der vier Jahrzehnte Verantwort­ung trug, tat dies mit starker Kraft, mit publizisti­schem Anspruch und der besonderen Gabe, bestimmt, aber väterlich wohlwollen­d zu führen.

So brachte „Papa Betz“, wie er von manchen im Verlagshau­s genannt wurde, zur Weihnachts­zeit den Kollegen die Festtagsgr­atifikatio­n persönlich an Schreibtis­ch oder Druckmasch­ine. Die Sorge um die Mitarbeite­r ging bei ihm einher mit einem wachen Interesse an den Geschehnis­sen im weiten Land. Seine lebendige und ehrliche Aufmerksam­keit bezog sich auf die großen wie die kleinen Dinge des Lebens.

Als langjährig­er Präsident des Bundesverb­andes deutscher Zeitungsve­rleger prägte er die Zeitungsla­ndschaft der Bundesrepu­blik und stand im engen Austausch mit den Größen aus Wirtschaft und Politik.

Mit Erich Wenderoth und Karl Arnold hatte Anton Betz 1946 zwei wichtige Mitstreite­r für das Projekt „Rheinische Post“gewinnen können.

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