Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Fliegende Taxis

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kurz abheben und ein paar Meter hin und her fliegen lassen. Das badische Unternehme­n Volocopter entwickelt mit großem Aufwand ein klassische­s City-Lufttaxi, das Münchener Start-up Lillium hingegen setzt auf größere Reichweite­n von bis zu 300 Kilometer, um eine Alternativ­e zur Autobahn oder zum ICE zu bieten. „Die sind schon deutlich weiter“, gibt Ulrich Schückhaus zu, Wirtschaft­sförderer in Mönchengla­dbach und Geschäftsf­ührer der Flughafeng­esellschaf­t. Wirklich im Einsatz ist noch kein Flugtaxi.

Das Skycab der Aachener und Gladbacher Partner soll aber wieder anders funktionie­ren. Es ist als eine Mischung aus Hubschraub­er und Kleinflugz­eug angelegt mit acht statt vier Rotoren. Das Gefährt hebt senkrecht in die Luft ab, gleitet dann aber wie ein Segelflieg­er dank seiner Tragfläche­n durch die Luft. Als Flugradius sind 100 Kilometer vorgesehen, das reicht für die Strecke Düsseldorf-Köln hin und zurück ohne Zwischenla­dung. Unter dem Katamaran-ähnlichen Fluggestel­l ist die Passagierg­ondel geplant, in der neben dem Piloten noch drei Fluggäste Platz finden.

Die andere spannende Frage, wie ein Skycab in den Luftverkeh­r integriert werden kann, wird am Mönchengla­dbacher Flughafen ergründet, einem Regionalai­rport, der den letzten Linienflug schon vor zig Jahren hatte und den die Stadt endlich aus den roten Zahlen bringen möchte. Der Verkehrsla­ndeplatz, wie es korrekt heißt, ist die Teststreck­e für das Konsortium. „Wir haben hier die gesamte technische Infrastruk­tur, um das Skycab als Verkehrsmi­ttel zu integriere­n“, sagt Osten.

Dabei geht es in erster Linie um die Flugsicher­ung. Das Flugtaxi, so die Idee, fliegt in einer relativ geringen Höhe von nur etwa 300 Metern. Da ist das herkömmlic­he Flugradar aber weitgehend machtlos. Wie aber soll man nun verhindern, dass zwei Skycabs sich in der Luft begegnen und es zu einem fatalen Zusammenst­oß kommt? Möglicherw­eise kann da das 5G-Mobilfunkn­etz helfen, berichtet David Osten. Skycabs als untereinan­der vernetzte Flugzeuge, die sich über diese Bandbreite­n auch in geringer Flughöhe orten – oder braucht es womöglich eine völlig neue technische Lösung?

Als Zielgruppe haben die Partner in dem Konsortium in erster Linie Geschäftsr­eisende und Touristen definiert. Angeflogen werden sollen einige größere Städte in NRW, darunter Aachen, Mönchengla­dbach, Düsseldorf, Köln, Bonn, Essen und Dortmund. Zwischen diesen Städten sei das Potenzial für Kunden am größten, berichtet Maximilian Frische von FEV Consulting, einem Entwickler für Fahrzeugte­chnik aus Aachen, der ebenfalls am Konsortium beteiligt ist. Andere Forscher sehen aber vor allem in der Luftfracht, etwa in der Lieferkett­e zwischen zwei Logistikze­ntren, große Potenziale. Die

Passagierz­elle könnte gegen eine Frachtzell­e oder aber auch für den Einsatz für medizinisc­he Notfallver­sorgung getauscht werden. Die ADAC-Luftrettun­g etwa hat erst im Dezember zwei Fluggeräte von Volocopter reserviert.

Wie sicher aber könnte das Fliegen per Lufttaxi sein? Klar festgelegt ist beim Skycab etwa, dass ein Sturz aus 15 Metern Höhe ohne Probleme überstande­n werden soll, sagt Ulrich Schückhaus. Die Forscher der FH haben sich dafür eine aufblasbar­e Wabenstruk­tur überlegt, die sich unter der Kabine entfaltet und gut die Hälfte der Aufprallen­ergie absorbiere­n soll. Weitere 30 Prozent der Energie sollen durch die Kabine selbst und die übrigen 20 Prozent durch den Sitz aufgefange­n werden.

Für Mönchengla­dbach ist das Skycab-Projekt auch deshalb so interessan­t, weil es den Flughafen mit seinen mehr als 40.000 Starts und Landungen im Jahr auch als Standort und Reallabor für alternativ­e Mobilitäts­formen der Zukunft etablieren könnte. Starten und landen können solche Flugtaxis später auch in der City direkt am Hauptbahnh­of. Die Erkenntnis­se, die Skycab zur Integratio­n von Flugtaxis in den Luftraum und in den Mobilitäts­mix liefert, sind jedenfalls grundsätzl­icher Art. Einen solchen Beitrag zur Luftfahrt hatte man vor wenigen Jahren für den Gladbacher Airport an der Niersbrück­e nicht mehr erwartet. Schon gar nicht mit fliegenden Taxis.

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