Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Es kommt mehr denn je auf die Lehrer an
Schüler und Schülerinnen, die in den kommenden Tagen und Wochen ihre Abitur- und Abschlussprüfungen ablegen, brauchen starke Nerven. Trotz lückenhaften Unterrichts, trotz hoher Inzidenzzahlen und langer häuslicher Isolation sollen sie Höchstleistungen erbringen, die über ihre Studien- und Berufsaussichten entscheiden. Diese Schülergeneration legt eine Reifeprüfung im eigentlichen Wortsinn ab. Keine Frage – die Corona-Jahrgänge finden deutlich schlechtere Prüfungsbedingungen vor als ihre Vorgänger. Vergleichbarkeit ist wegen unterschiedlicher Präsenz- und Quarantänephasen schlicht nicht gegeben. Die Landesregierung versucht gegenzusteuern mit einer breiteren Auswahl von Aufgaben, damit auch wirklich nur das geprüft wird, was im Unterricht durchgenommen wurde. Das allein dürfte nicht ausreichen, um die Nachteile auszugleichen.
Die Alternative wäre, die Zentralprüfungen zu ersetzen durch Klausuren, die jede Schule selbst stellt. Für die zentralen Prüfungen nach Klasse 10 ist das die richtige Lösung – nicht aber für das Abitur. Zum einen ist der Aufwand für Lehrer, Abituraufgaben kurzfristig selbstständig zu erarbeiten, kaum zu stemmen. Zum anderen ist die Frage der Anerkennung der Noten durch die anderen Bundesländer beim Abitur von größerer Bedeutung. Man stelle sich vor, Abiturienten aus Nordrhein-Westfalen könnten künftig nicht mehr in Hessen oder Berlin studieren, weil diese Länder das hiesige Abitur nicht mehr anerkennen. Das zeigt: Das zentrale Abitur unter Corona-Bedingungen ist eine schlechte Lösung, die Alternative wäre aber für die Abiturienten noch nachteiliger. Den Prüflingen bleibt aber eine Hoffnung: der menschliche Faktor. Lehrer kennen ihre Schüler seit Jahren – und bei der Beurteilung von Prüfungsleistungen haben sie einen weiten Ermessensspielraum.
BERICHT
NRW: SCHÜLER BEI ARBEITEN ENTLASTEN, TITELSEITE