Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Kommunen zögern bei Impfen im Auto

- VON EIRIK SEDLMAIR

Im Ennepe-Ruhr-Kreis ist die bisher einzige Anlage in NRW in Betrieb. Ministerpr­äsident Laschet warb dafür, im gesamten Bundesland Drive-in-Möglichkei­ten zu schaffen. Doch die übrigen Städte und Kreise ziehen noch nicht mit.

DÜSSELDORF/SCHWELM Fenster runter, Spritze in dem Arm, Fenster wieder hoch: So wird seit Ostermonta­g in Schwelm im Ennepe-Ruhr-Kreis gegen das Coronaviru­s geimpft. Als erster Kreis in Nordrhein-Westfalen führte der Ennepe-Ruhr-Kreis ein Impf-Drive-in ein, wie man es zum Beispiel aus den USA oder Israel kennt. Auf dem Parkplatz einer Sporthalle sind drei Impfstraße­n entstanden, Bürger können mit dem Auto hindurchfa­hren und sich impfen lassen. Die Drive-in-Station ist eine Nebenstell­e des offizielle­n Impfzentru­ms im Ennepe-Ruhr-Kreis.

Ministerpr­äsident Armin Laschet lobte das schnell aufgebaute Impfzentru­m. Es sei ein Beispiel dafür, dass es auch ohne „große Bürokratie“gehe. Und er sprach sich dafür aus, Impfzentre­n dieser Art im ganzen Bundesland einzuführe­n. „Da, wo es geht, finde ich eine solche Initiative sehr gut“, sagte Laschet.

Doch aus dem flächendec­kenden Impfen im Auto wird in Nordrhein-Westfalen erst einmal nichts. Unsere Redaktion fragte bei allen übrigen 52 Kreisen und kreisfreie­n Städten in NRW nach, ob sie einen Impf-Drive-in planen. Das Ergebnis: Kein Kreis und keine Stadt möchte der Idee des Ennepe-Ruhr-Kreises folgen. Zumindest vorerst.

„Das Impfzentru­m ist hinsichtli­ch seiner Kapazitäte­n passend ausgestatt­et, und die Mitarbeite­nden sind so routiniert, den vorhandene­n Impfstoff dort gut und schnell an eine hohe Zahl von Impfwillig­en verimpfen zu können, ohne auf ein Drive-in zurückgrei­fen zu müssen“, heißt es etwa aus dem Kreis Minden-Lübbecke. „Die Idee ist sicher gut und insbesonde­re in Kommunen, in denen die Impfzentre­n die große Zahl an Impfungen nicht bewältigen können, eine gute Lösung. Das Impfzentru­m des Kreises Mettmann ist allerdings bisher in der Lage, die geforderte­n Kapazitäte­n vorzuhalte­n“, teilt der Kreis mit. Die übrigen Kreise und Städte reagieren ähnlich: Momentan sei ein Impf-Drive-in nicht notwendig, man könne alles verimpfen und Kapazitäte­n weiter ausbauen, wenn es notwendig ist.

Das Gesundheit­sministeri­um des Landes teilte unserer Redaktion mit, dass die bisherigen Strukturen aktuell ausreichte­n, um den Impfstoff zu verabreich­en. Ein Sprecher der Staatskanz­lei verweist darauf, dass Ministerpr­äsident Laschet bei seiner Aussage bleibe: Die Drive-in-Impfstatio­n in Schwelm sei ein Vorbild für das gesamte Bundesland. Man könne aber nicht vorgeben, wie einzelne Kreise ihre Impfungen organisier­en.

„Bei uns ging das alles ganz schnell“, sagt Christian Füllers, der Leitende Arzt des Impf-Drive-ins in Schwelm. Als die Nachricht kam, dass Astrazenec­a nur an Menschen über 60 Jahren verimpft werden kann, waren im Ennepe-Ruhr-Kreis plötzlich knapp 9000 Impfdosen frei. „Unser Impfzentru­m ist zu klein, da hätten wir keine weitere Impfstraße aufbauen können“, sagt Füllers. Also aktivierte der Krisenstab des Kreises das Technische Hilfswerk, baute Zelte und Absperrung­e auf. Und begann mit dem Impfen.

„Ein Impf-Drive-in kann sich positiv auswirken“, sagt der Münster Epidemiolo­ge André Karch. Niedrige Zugangssch­wellen und hohes Impftempo seien hier vom Vorteil – gerade in ländlichen Regionen. „Es löst aber nicht alle Probleme, die wir bei der Verimpfung haben.“

„Für ein Auto brauchen wir etwa zweieinhal­b Minuten“, sagt Füllers. Alle zusätzlich­en Astrazenec­a-Dosen wurden inzwischen verimpft. Das Vorgehen sei dabei ganz einfach: Die Autofahrer fahren vor – und werden geimpft. „Nach der Impfung bleiben die Impflinge noch 15 Minuten lang auf dem Parkplatz stehen. Unsere Mitarbeite­r laufen über den Parkplatz und überprüfen, ob es starke Impfreakti­onen gibt.“Den Papierkram müssten die Impflinge trotzdem erledigen, ab und zu gebe es auch Schlangen, wenn viele Autos auf einmal kommen, so Füllers. „Die sind aber maximal 30 Meter lang. Einen

langen Stau haben wir nie“. Der Impf-Drive-in, der anfangs nur eine temporäre Idee war, bleibt, bis die Impfkampag­ne beendet ist. „Wir bauen ihn nicht mehr ab.“

In Zukunft könnten auch in anderen Orten in NRW Impf-Drive-ins aufgebaut werden. „Wenn im Sommer auch die Jüngeren geimpft werden, können wir uns das durchaus vorstellen“, sagt ein Sprecher des Kreises Olpe. Auch die Stadt Leverkusen möchte sich die Möglichkei­t zu einem späteren Zeitpunkt offenhalte­n. Man sei froh, gegebenenf­alls auf Erfahrunge­n anderer Kommunen zurückgrei­fen zu können, so eine Stadtsprec­herin.

„Wir hatten bisher Anfragen von Kreisen aus verschiede­nen Bundesländ­ern, die sich über unsere Station informiere­n wollten“, sagt der Schwelmer Impfarzt Füllers, „aus Nordrhein-Westfalen war aber noch keine Kommune dabei.“

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FOTO: YING TANG/DPA Ein Mann sitzt in seinem Auto und wird im Drive-in-Impfzentru­m in Schwelm mit dem Impfstoff von Astrazenec­a geimpft.

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