Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Ausgangssperre auch in Düsseldorf
Die Krefelder Regelung besteht vor Gericht. Die Notbremse passiert den Bundesrat.
DÜSSELDORF (dpa/gaa) In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt tritt am Samstag um 22 Uhr eine Ausgangssperre in Kraft. Ordnungsdezernent Christian Zaum sagte am Donnerstag: „Die Erfahrungen aus anderen Städten wie Köln zeigen, dass sehr diszipliniert mit der Ausgangsbeschränkung umgegangen wurde und es nur einzelne Verstöße gegeben hat.“Er kündigte an, hart durchzugreifen, wenn Personen provokant gegen die Verordnung verstoßen. Ansonsten werde man im Einzelfall entscheiden. Zaum kündigte eine stadtweite Präsenz der Einsatzkräfte bei Inkrafttreten der Ausgangssperre ab dem Wochenende an. Ob es dann auch Kontrollpunkte auf Straßen geben wird, ließ er noch offen.
Ausgangsbeschränkungen wie die in Düsseldorf geplante gelten in Nordrhein-Westfalen außer in Köln beispielsweise in den Städten Remscheid, Leverkusen, Wuppertal und Hagen. Einen Eilantrag gegen die Ausgangssperre in Krefeld wies das Düsseldorfer Verwaltungsgericht am Donnerstag ab. Die Maßnahme sei recht- und verhältnismäßig, befanden die Richter. Ausgangsbeschränkungen seien zulässig, wenn sich das Infektionsgeschehen trotz bisheriger Maßnahmen erheblich verschärfe (Az. 24 L 849/21).
Das Oberverwaltungsgericht für NRW in Münster bestätigte am Donnerstagabend die Allgemeinverfügung des Landrats des Kreises Siegen-Wittgenstein zur Einführung einer nächtlichen Ausgangssperre als „voraussichtlich rechtmäßig“. Das OVG hob damit eine anderslautende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg auf. Geklagt hatte ein Siegener Bürger.
Die umstrittenen Ausgangsbeschränkungen sind auch Teil der sogenannten Bundes-Notbremse. Der Bundesrat ließ die Änderung des Infektionsschutzgesetzes am Donnerstag passieren und verzichtete darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Es gab keine förmliche Abstimmung mehr.
Gezogen werden soll die Notbremse, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt.
„Wir brauchen die Notbremse als Wellenbrecher“
Angela Merkel (CDU)
Bundeskanzlerin
BERLIN Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die bundesweite Notbremse in der Corona-Pandemie gegen breiten Protest verteidigt. „Mir ist bewusst, dass sich die Beliebtheit der Notbremse in Grenzen hält“, sagte Merkel am Donnerstag. „Aber wir brauchen sie als Wellenbrecher für die dritte Welle.“
Der Bund setzt mit Unterstützung der Länder auf eine einheitliche Notbremse. Zuletzt hatten Intensivmediziner wiederholt vor einer Überlastung der Krankenhäuser gewarnt. Der Bundesrat hat die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die zuvor im Bundestag eine Mehrheit bekommen hatte, nicht gestoppt, sie kann nun zügig in Kraft treten. Teil des Pakets sind unter anderem eine Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr, Kontaktbeschränkungen zu Hause, die ab 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche gelten, Schulschließungen sollen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 greifen.
Doch auch nach der Beratung im Bundesrat kam Kritik aus den Ländern. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, ihr Land bleibe bei seinen „starken Schutzmaßnahmen“. Sie seien deutlich weitergehender als die auf Bundesebene.
„An den Punkten, an denen der Bund über unsere Regeln hinausgeht, werden wir das im Land umsetzen“, so Schwesig. Sie habe sich immer für bundeseinheitliche Regelungen ausgesprochen, die dann regional wirken. „Aber dieses Bundesgesetz hält nicht, was Bundeskanzlerin Merkel versprochen hat“, so Schwesig.
Sie kritisierte, dass sich schon nach drei Tagen über 100 und nach fünf Tagen unter dieser Grenze die Regeln ändern. „Das kann zu einem ständigen Hin und Her führen. Das verunsichert die Menschen“, sagte Schwesig und nahm weitere Maßnahmen in den Blick: „Es kann doch nicht sein, dass der Bund vorgibt, dass Besucher in Regionen über 100 einen Negativtest vorlegen müssen, wenn sie im Außenbereich eines Zoos mit der Familie spazieren gehen wollen“, sagte Schwesig.
Die ersten Verfassungsbeschwerden insbesondere gegen die Verhältnismäßigkeit der Ausgangsbeschränkungen liegen bereits vor. Neben anderen Gruppen hatte die FDP angekündigt, gegen die Regelungen rechtlich vorzugehen. Auch die deutschen Landkreise gingen am Donnerstag auf Distanz zur neuen Regelung. „Die Notbremse ist nicht das segensreiche Instrument, für das sie gehalten wird. Dadurch werden die Möglichkeiten der Länder eingeschränkt, flexibel und passgenau auf das Infektionsgeschehen vor Ort zu reagieren. Das wird die Akzeptanz in der Bevölkerung erneut auf die Probe stellen“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, unserer Redaktion. „Es kommt bei staatlichem Handeln immer auf die Umstände vor Ort an. Diese Erkenntnis hat der Bundesgesetzgeber nicht beherzigt, sondern eine starre Wenndann-Formel beschlossen“, sagte Sager. Dadurch werde die Lage „noch unübersichtlicher, da unterhalb von 100 nach wie vor Landesund Kreisregelungen greifen können und außerdem oberhalb von 100 die Möglichkeit von strikteren Maßnahmen besteht. Darin liegt eine gewisse tragische Ironie.“