Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Borussia nutzt Lainers Vorlage nicht
2019 war eine Aktion des Österreichers Keimzelle des Sieges bei 1899 Hoffenheim, nun reichte es nur für einen guten Moment.
Die vergleichende Fußballwissenschaft liefert zuweilen Hinweise darauf, warum Dinge im Fußball sind, wie sie sind. Vergangene Saison, als Borussia in entscheidenden Situationen mit einer bemerkenswerten Standhaftigkeit unterwegs war und die Champions League erreichte, gab es ein 3:0 bei 1899 Hoffenheim nach einem coolen Auftritt.
Keimzelle des Sieges war am jenem 28. September 2019 die Szene, in der Stefan Lainer, mit Trainer Marco Rose von RB Salzburg gekommen, an der rechten Außenlinie beim Pressschlag mit Christoph Baumgartner den Ball behauptete und danach sofort umschaltete mit einem tollem Pass auf Marcus Thuram, der rannte zur Grundlinie, legte zurück und Alassane Plea traf zum 1:0.
Bei Borussias jüngster Dienstreise in die Sinsheimer Arena trug sich Folgendes zu: Lainer ging an der rechten Außenlinie in den Infight mit Andrej Kramaric, war standhafter als der Hoffenheimer Stürmer, eroberte den Ball, Valentino Lazaro schickte Thuram, der ging auf und davon, spitzelte im Strafraum den Ball zu Plea, der zum 1:0 traf.
Ähnlich war die Szene, auch wenn das Tor von 2019 etwas kunstvoller herausgespielt war und weniger vom Gegner begünstigt. Auch das passt zum Gesamteindruck: In der Saison 2019/20, der ersten mit Rose, lief Borussias Fußball einfach runder als in der aktuellen.
In Sinsheim folgte beiden Fällen folgte noch das 2:0 für die Borussen. Der Effekt jedoch war ein total anderer, die Gladbacher nutzten Lainers Vorlage dieses Mal nicht. Während sie 2019 Hoffenheims Bemühungen, zurück ins Spiel zu kommen, abfederten, ließen sie sich nun bubenhaft überrumpeln. Genau darum waren die Borussen damals auf Champions-League-Kurs und sind es jetzt nicht. Die Königsklasse ist nun auch faktisch verspielt.
So stellte Lainer am Ende des traurigen Abends enttäuscht fest: „Jetzt, da die Saison auf der Zielgeraden ist, wären die drei Punkte für uns enorm wichtig gewesen. Ich denke, dass wir gegen Frankfurt zuletzt eine Top-Leistung an den Tag gelegt haben, wir haben gekämpft und sind viel gelaufen. Heute haben wir jedoch gewisse Tugenden vermissen lassen.“
Lainer kennt die Denke von Trainer Marco Rose schon lange aus Salzburg. Nicht zu bekommen, was man will, das passt eigentlich nicht in des Trainers Selbstverständnis. Ebenso wenig in das von Lainer. Er ist einer, den die Mentalität antreibt und stark macht. So hat er auch das 1:0 auf den Weg gebracht: Er war am Boden wie Kramaric, dann aber gedankenschnell wieder im Spiel. Am Ende aber war Kramaric obenauf, als zweifacher Torschütze war er Hoffenheims Held.
Lainer, der vergangene Saison mit dafür sorgte, den Rose-Style schnell ins Gladbacher Spiel zum implantieren, ärgerte sich vor allem über die fehlende Konstanz in dieser Spielzeit. „Leider zieht es sich bei uns etwas durch die Saison, dass wir nach sehr guten Spielen etwas nachlassen. Daran müssen wir auf jeden Fall arbeiten“, sagte er.
Spürbar war er wenig amüsiert über die Ereignisse. Und auch darüber, dass seine Aktion vor dem 1:0 nicht genug Überzeugungskraft hatte für den Rest des Abends, so wie es 2019 beim 3:0-Sieg gewesen war. Seine Balleroberung belegt, was möglich ist, wenn der unbedingte Wille da ist, sich zu behaupten. Es ist nicht die Zeit für Kunststückchen, es ist die Zeit für seriöse, harte Arbeit, ja sogar für Drecksarbeit, wenn es nötig ist. Vor allem aber für Ergebnisse, und das hat Borussia in Sinsheim im Gegensatz zum früheren 3:0-Erfolg nicht zuwege gebracht.
Und das, obwohl es dieses Tor gab, das typisch ist für den Rose-Fußball, den Lainer lebt und liebt: Ball holen und ab dafür. Plea traf 16 Sekunden, nachdem Lainer den Zweikampf gewonnen hatte, zur Führung Borussias. Das 2:0 am Mittwochabend fiel im Übrigen ähnlich, hier fing Ramy Bensebaini einen Ball des Gegners ab, schickte sogleich Plea auf den Weg und über Thuram kam der Ball zu Lazaro, der 15 Sekunden nach Bensebainis Balleroberung das 2:0 erzielte.
Es war die zweite und letzte wirklich gefährliche Aktion der Borussen an diesem Abend, der dem Vergleich dem vorherigen Spiel ins Sinsheim nicht standhielt. Auch, weil Lainer mit seiner Aktion dieses Mal nichts Nachhaltiges auslöste, sondern nur für einen der wenigen schönen Momente sorgte.