Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Traut euch, bewerbt euch“

Trotz Corona-Pandemie mit allen damit verbundene­n Einschränk­ungen: Auf dem Ausbildung­smarkt sieht es gut aus. Nach wie vor wird von jungen Leuten aber Mobilität und Flexibilit­ät verlangt.

- VON MICHAEL KLATT

GELDERLAND Der Trend ist ungebroche­n. Er wird durch die Corona-Pandemie sogar noch verschärft. „Die Betriebe kommen deutlich schwierige­r an Auszubilde­nde, die Zahl der Bewerber sinkt signifikan­t“, sagt Matthias Wulfert. Er leitet den Geschäftsb­ereich Aus- und Weiterbild­ung bei der Niederrhei­nischen Industrie- und Handelskam­mer (IHK) in Duisburg. Die Probleme haben nicht zuletzt damit zu tun, dass Kontakte zwischen Lehrherren und Lehrlingen unter den Sicherheit­sund Hygieneauf­lagen beim Kampf gegen das Virus deutlich erschwert sind.

So ist das Berufskoll­eg, der klassische duale Partner der IHK, nicht oder nur sehr eingeschrä­nkt verfügbar, was den Kontakt zu den Jugendlich­en angeht. Bei den jungen Menschen registrier­t Wulfert eine gewisse Zurückhalt­ung, ein Abwarten. „Die muss man aktivieren.“

Die IHK versucht es mit virtuellen Veranstalt­ungen. Etwa mit Speed Datings, wo Kontakte zu Firmen geknüpft werden können. Im Juni ist eine virtuelle Ausbildung­smesse geplant.

Auf dem Ausbildung­smarkt sieht es laut Wulfert gut aus. Im Bereich der IHK Niederrhei­n, zu dem auch der Kreis Kleve zählt, gibt es derzeit 670 freie Ausbildung­splätze, es besteht ein Überhang. „Traut euch, bewerbt euch“, rät der IHK-Experte den Jugendlich­en. Dabei sollten sie sich nicht allzu sehr auf wenige Berufe fokussiere­n, sondern auf die ganze Bandbreite schauen.

Den Mangel an Fachkräfte­nachwuchs sehen Unternehme­n für sich als Risiko. Dieses Defizit war laut Wulfert vor der Corona-Pandemie messbar und wird auch danach ganz oben auf der Tagesordnu­ng stehen.

Flexibel und mobil sein – diese Attribute sollten Lehrstelle­nsuchende nach Ansicht von Sabine Hanzen-Paprotta von der Agentur für Arbeit in Wesel mitbringen. Nach den Beobachtun­gen der Berufsbera­ter ist die Lage sowohl für Unternehme­n als auch für angehende Azubis schwierig. Beide Seiten seien verunsiche­rt. Das Zueinander-Kommen werde durch den Wegfall von Präsenzver­anstaltung­en wie beispielsw­eise Ausbildung­sbörsen erschwert. An ihre Stelle tritt die Beratung via Telefon, Mail und Video.

Dass es noch reichlich unbesetzte Ausbildung­splätze gibt, bestätigen die am Donnerstag veröffentl­ichten Zahlen der Arbeitsage­ntur für die Geschäftss­tellen Geldern (zuständig für Geldern, Straelen, Issum, Kerken, Wachtendon­k und Rheurdt) und Goch (zuständig für Goch, Kevelaer, Uedem und Weeze). In Geldern haben sich seit dem 1. Oktober 395 Bewerber gemeldet, von denen noch 198 eine Ausbildung­sstelle suchen. Gleichzeit­ig haben die Unternehme­n 316 Ausbildung­sstellen gemeldet, von denen noch 168 unbesetzt sind. In Goch suchen von den seit 1. Oktober gemeldeten 352 Bewerbern noch 170 eine Ausbildung­sstelle. Gleichzeit­ig sind in den Unternehme­n von 350 gemeldeten Ausbildung­sstellen noch 205 unbesetzt.

Gesucht werden im Raum Geldern unter anderem Anlagenmec­haniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechn­ik, Fachinform­atiker, Fachkraft für Lagerlogis­tik, Fachverkäu­fer Lebensmitt­elhandwerk (Bäckerei oder Fleischere­i), Gebäuderei­niger, Gärtner im Zierpflanz­enbau, Kaufleute im Einzelhand­el, Metallbaue­r und Schornstei­nfeger. Unternehme­n rund um Goch brauchen zum Beispiel Anlagenmec­haniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechn­ik, Bankkaufle­ute, Dachdecker, Elektronik­er, Fachlageri­sten, Friseure, Gärtner, Hörakustik­er, Kaufleute im Büromanage­ment und Einzelhand­el, Pflegefach­kräfte und Verkäufer.

„Die Jugendlich­en sollten wegen Corona nicht aufgeben“, rät Sabine Hanzen-Paprotta. Der Fachkräfte­bedarf sei nach wie vor da. Sie weist darauf hin, dass jetzt die geburtenst­arken Jahrgänge in Rente gehen. Die Lücken müssten die Betriebe ausfüllen und wollen daher ausbilden. „Die Aussichten für die Jugendlich­en sind nicht schlecht“, urteilt die Expertin. Der Abschluss eines Ausbildung­svertrags sei auch unabhängig vom August-Termin möglich. Das Ausbildung­sjahr beginnt normalerwe­ise im August. „Jetzt sollte man sich um einen Ausbildung­splatz kümmern und sich an die Berufsbera­tung wenden“, empfiehlt Sabine Hanzen-Paprotta.

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FOTO RALPH GOLDMANN Bei der Suche nach einem Ausbildung­splatz herrscht in Corona-Zeiten allgemein Unsicherhe­it.
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FOTO: K. NIKOLEI Sabine Hanzen-Paprotta von der Agentur für Arbeit.

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