Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Traut euch, bewerbt euch“
Trotz Corona-Pandemie mit allen damit verbundenen Einschränkungen: Auf dem Ausbildungsmarkt sieht es gut aus. Nach wie vor wird von jungen Leuten aber Mobilität und Flexibilität verlangt.
GELDERLAND Der Trend ist ungebrochen. Er wird durch die Corona-Pandemie sogar noch verschärft. „Die Betriebe kommen deutlich schwieriger an Auszubildende, die Zahl der Bewerber sinkt signifikant“, sagt Matthias Wulfert. Er leitet den Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung bei der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) in Duisburg. Die Probleme haben nicht zuletzt damit zu tun, dass Kontakte zwischen Lehrherren und Lehrlingen unter den Sicherheitsund Hygieneauflagen beim Kampf gegen das Virus deutlich erschwert sind.
So ist das Berufskolleg, der klassische duale Partner der IHK, nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügbar, was den Kontakt zu den Jugendlichen angeht. Bei den jungen Menschen registriert Wulfert eine gewisse Zurückhaltung, ein Abwarten. „Die muss man aktivieren.“
Die IHK versucht es mit virtuellen Veranstaltungen. Etwa mit Speed Datings, wo Kontakte zu Firmen geknüpft werden können. Im Juni ist eine virtuelle Ausbildungsmesse geplant.
Auf dem Ausbildungsmarkt sieht es laut Wulfert gut aus. Im Bereich der IHK Niederrhein, zu dem auch der Kreis Kleve zählt, gibt es derzeit 670 freie Ausbildungsplätze, es besteht ein Überhang. „Traut euch, bewerbt euch“, rät der IHK-Experte den Jugendlichen. Dabei sollten sie sich nicht allzu sehr auf wenige Berufe fokussieren, sondern auf die ganze Bandbreite schauen.
Den Mangel an Fachkräftenachwuchs sehen Unternehmen für sich als Risiko. Dieses Defizit war laut Wulfert vor der Corona-Pandemie messbar und wird auch danach ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Flexibel und mobil sein – diese Attribute sollten Lehrstellensuchende nach Ansicht von Sabine Hanzen-Paprotta von der Agentur für Arbeit in Wesel mitbringen. Nach den Beobachtungen der Berufsberater ist die Lage sowohl für Unternehmen als auch für angehende Azubis schwierig. Beide Seiten seien verunsichert. Das Zueinander-Kommen werde durch den Wegfall von Präsenzveranstaltungen wie beispielsweise Ausbildungsbörsen erschwert. An ihre Stelle tritt die Beratung via Telefon, Mail und Video.
Dass es noch reichlich unbesetzte Ausbildungsplätze gibt, bestätigen die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Arbeitsagentur für die Geschäftsstellen Geldern (zuständig für Geldern, Straelen, Issum, Kerken, Wachtendonk und Rheurdt) und Goch (zuständig für Goch, Kevelaer, Uedem und Weeze). In Geldern haben sich seit dem 1. Oktober 395 Bewerber gemeldet, von denen noch 198 eine Ausbildungsstelle suchen. Gleichzeitig haben die Unternehmen 316 Ausbildungsstellen gemeldet, von denen noch 168 unbesetzt sind. In Goch suchen von den seit 1. Oktober gemeldeten 352 Bewerbern noch 170 eine Ausbildungsstelle. Gleichzeitig sind in den Unternehmen von 350 gemeldeten Ausbildungsstellen noch 205 unbesetzt.
Gesucht werden im Raum Geldern unter anderem Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Fachinformatiker, Fachkraft für Lagerlogistik, Fachverkäufer Lebensmittelhandwerk (Bäckerei oder Fleischerei), Gebäudereiniger, Gärtner im Zierpflanzenbau, Kaufleute im Einzelhandel, Metallbauer und Schornsteinfeger. Unternehmen rund um Goch brauchen zum Beispiel Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Bankkaufleute, Dachdecker, Elektroniker, Fachlageristen, Friseure, Gärtner, Hörakustiker, Kaufleute im Büromanagement und Einzelhandel, Pflegefachkräfte und Verkäufer.
„Die Jugendlichen sollten wegen Corona nicht aufgeben“, rät Sabine Hanzen-Paprotta. Der Fachkräftebedarf sei nach wie vor da. Sie weist darauf hin, dass jetzt die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Die Lücken müssten die Betriebe ausfüllen und wollen daher ausbilden. „Die Aussichten für die Jugendlichen sind nicht schlecht“, urteilt die Expertin. Der Abschluss eines Ausbildungsvertrags sei auch unabhängig vom August-Termin möglich. Das Ausbildungsjahr beginnt normalerweise im August. „Jetzt sollte man sich um einen Ausbildungsplatz kümmern und sich an die Berufsberatung wenden“, empfiehlt Sabine Hanzen-Paprotta.