Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Wie der Bauer zum Apotheker wurde
Von der Krume zur Pharmazie: Mehr als 30 Jahre war Friedrich Appenzeller in der Südwall-Apotheke für seine Kunden da. Nun ist für den fast 68-Jährigen der richtige Zeitpunkt für den ersten Schritt ins Rentner-Dasein gekommen.
GELDERN Die Apotheke an der Ecke Südwall/Bahnhofstraße war für viele Gelderner die erste Anlaufstelle, wenn sie ein Rezept einlösen oder frei verkäufliche Arzneien kaufen wollten. Nach über 30 Jahren ist nun Schluss damit, denn das Haus mit dem markanten gelben Anstrich und den auffallend rötlich-braun umrandeten Fenstern ist seit mehr als einem Monat, genauer seit dem 17. März, geschlossen. Wie es mit dem Haus weitergehen wird, ist dem Apotheker Friedrich Appenzeller nicht bekannt. „Ich war nur Mieter in dem Haus und habe nun bis Ende Mai Zeit, alles auszuräumen.“Er selbst ist jetzt im Kapuzinertor in der neu eröffneten Apotheke von Chris Cuypers zu treffen.
Sein Weg als Apotheker war alles andere als vorgegeben. Seine Eltern betrieben in Alpen-Veen einen Bauernhof. Und als erstgeborener Sohn war es zur damaligen Zeit üblich, später die Landwirtschaft zu übernehmen. Also verließ er nach acht Regelschuljahren die Volksschule, begann auf dem elterlichen Hof eine landwirtschaftliche Ausbildung, holte die Fachoberschulreife nach und schloss nach drei Jahren das Studium zum Agraringenieur erfolgreich ab.
Die Sache mit der Landwirtschaft nahm eine plötzliche Kehrtwendung, denn sein Bruder preschte nach vorne. Für Appenzeller war es der Startschuss, sich seiner Vorliebe für Naturwissenschaften zu widmen. Prompt hing er ein Pharmaziestudium an, um Apotheker zu werden. Zehn Jahre war er als angestellter Apotheker in Xanten und Kleve tätig, bis er am 1. Februar 1990 den Schritt in die Selbstständigkeit riskierte und die von Christine Paul im Jahr 1976 eröffnete Südwall-Apotheke übernahm.
„Am Anfang hatte ich einen verdammt schweren Stand“, erinnert er sich. „Natürlich hatte ich den Kundenstamm meiner Vorgängerin übernommen, aber die Gelderner taten sich schwer mit einem neuen Gesicht. Ich konnte kaum neue Stammkunden gewinnen.“
Doch Appenzeller ist eine Kämpfernatur und mit viel Fleiß und Engagement machte seine Kompetenz schnell die Runde in der Herzogstadt. „Mittagspausen habe ich nie gemacht“, sagte er, „und den bei Ärzten und Apothekern heiligen Mittwochnachmittag habe ich ebenfalls offen gehabt.“Als gegenüber der Apotheke Kaufland eröffnete, war er pfiffig genug, die Öffnungszeiten zu verlängern, um den Kundenstrom mitzunehmen.
Mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks fuhr er Tag für Tag von seinem Wohnort Kessel nach Geldern. Die gleiche Zuverlässigkeit zeigten seine Mitarbeiterinnen, denen sein besonderer Dank gilt.
Appenzeller ist ehrlich genug zu erwähnen, dass die Apotheke in der ganzen Zeit eine ständige Herausforderung war. Mehrere Gesundheitsreformen, ständige gesetzliche Veränderungen und dazu immer mehr Technik und Dokumentation machten die Arbeit komplizierter und schwerer. Die für ihn wichtige Kommunikation mit den Kunden blieb dabei immer häufiger auf der Strecke. In Zeiten von Corona spitzte sich die Sache extrem zu. Für ihn war damit der Zeitpunkt gekommen, den Absprung zu wagen und endgültig Feierabend zu machen.
Einfach ab auf das Sofa und Füße hoch, geht natürlich nicht. Ähnlich wie bei Hochleistungssportlern, die nach dem Karriereende langsam „abtrainieren“müssen, verhält es sich bei Friedrich Appenzeller. Er hat das Angebot genutzt, seinen persönlichen Übergang ins Rentner-Dasein
in der im Edeka-Markt neu eröffneten Apotheke von Chris Cuypers zu machen und ihm mit
seiner langjährigen Erfahrung bei begrenzter Stundenzahl behilflich zu sein.