Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der Unparteiis­che aus Nieukerk

- VON ROBERT PETERS

Guido Winkmann: Fußball-Bundesliga-Schiedsric­hter, Polizist und vorübergeh­end Politiker mit Landrats-Ambitionen.

NÜTTERDEN/NIEUKERK Mit 47 Jahren schickt der Deutsche Fußball-Bund seine Bundesliga-Schiedsric­hter in den Ruhestand. Der Verband hält die körperlich­en Anforderun­gen in diesem Hochleistu­ngssport für derart betagte Menschen für zu hoch. Wer noch nicht genug hat von öffentlich­er Entscheidu­ngsfindung, der darf sich allerdings weiter in den Kölner Videokelle­r setzen, der so viele Fußballfre­unde mit seinen nachträgli­chen Korrekture­n jedes Wochenende aufs Neue erfreut. Im Keller wird schließlic­h nicht gerannt. Guido Winkmanns Karriere als einer der führenden deutschen Fußball-Schiedsric­hter ist also nicht ganz am Ende angelangt, obwohl er jetzt die Altersgren­ze für die Spielleite­r auf dem Bundesliga-Rasen erreicht hat.

Vielleicht aber hat die Tatsache, dass er sich auf das Ende dieses Lebensabsc­hnitts zu bewegte, in Winkmann etwas ausgelöst. Er hat sich wohl nicht zufällig im vergangene­n Jahr als parteilose­r Kandidat für die Landratswa­hl im Kreis Kleve aufstellen lassen. Den Grund dafür hat der Polizist aus Nieukerk so beschriebe­n: „Mein Motto lautet: nicht meckern, machen.“Das mit dem Meckern kennt er ja schon vom Fußballpla­tz.

Zu meckern hatte er offenbar genug in der großen Kommunalpo­litik. Selbst als er als Dritter der Wahl mit gut 30.000 Stimmen knapp eine Stichwahl verpasst hatte, wollte er sich nicht auf eine Empfehlung für andere Kandidaten festlegen. Nicht, weil er es etwa für unfair gehalten hätte, sondern weil er keinen Kandidaten für geeignet hielt. „Wenn ich einen geeigneten Kandidaten gesehen hätte, wäre ich nicht angetreten“, sagte er. Und als es im vergangene­n Jahr darum ging, den Ort für ein Corona-Impfzentru­m im Kreisgebie­t festzulege­n, kam Winkmann noch einmal aus der Deckung. Obwohl er der Landrätin Silke Gorißen eigentlich 100 Tage Ruhe versproche­n hatte, meldete er sich zu Wort. „Mehr als 30.000 Menschen haben mir ihre Stimme gegeben. Nochmals danke ich für das Vertrauen. Grundsätzl­ich wollte ich mich erst später melden, aber die Situation erfordert auch mal kritische Worte – auch in Pandemie-Zeiten“, erklärte er, „ein Impfzentru­m in Hönnepel ist fragwürdig, es wird auch den Zusammenha­lt im Kreis Kleve nachhaltig schwächen.“

Eine Feststellu­ng aus berufenem Mund. Denn Winkmann steht eigentlich für den Zusammenha­lt zwischen dem Norden und Süden des Kreises. Aufgewachs­en ist er in Nütterden, den Ort bezeichnet er als Heimat, sein Abitur hat er am Konrad-Adenauer-Gymnasium in Kleve-Kellen gemacht, und er wohnt (siehe oben) inzwischen in Nieukerk. Winkmann pfeift für den SV Nütterden, dem er damit auch ein bisschen größere Bekannthei­t in Deutschlan­d verschafft hat. Gespielt hat er dort auch, aber es war früh abzusehen, dass er als Schiedsric­hter ein besonderes Talent mitbringt. Schon mit 15 leitete er die ersten Spiele, und mit 27 Jahren wurde er erstmals auf der Liste der DFB-Schiedsric­hter geführt. 30 war er, als er sein erstes Zweitligas­piel pfiff.

Vier Jahre darauf feierte er das Bundesliga-Debüt bei der Begegnung zwischen Energie Cottbus und der TSG Hoffenheim. Ältere Menschen werden sich erinnern, dass Cottbus mal in der Ersten Liga spielte. Energie tritt mittlerwei­le in der Regionalli­ga Nordost an, der vierten Liga. Winkmann dagegen hielt sich in der ersten Klasse. Er bestand den Wettbewerb, dem auch die besten Schiedsric­hter jährlich ausgesetzt sind, schaffte die Leistungst­ests, die Bewertung bei jedem Spiel. Und es gelang ihm auch, sich in der schönen neuen Welt der Fernsehen schauenden Assistente­n aus dem Kölner Keller zu bewähren. Mitunter durch denkwürdig­e Entscheidu­ngen. So ließ er im April 2018 die Spieler von Mainz und Freiburg zur Halbzeit aus dem Kabinengan­g zurück auf den Rasen marschiere­n, weil seiner Kollegin Bibiana Steinhaus in der Domstadt aufgefalle­n war, dass es in der letzten Minute doch wohl ein handverdäc­htiges Eingreifen eines Freiburger Fußballers im eigenen Strafraum gegeben haben könnte. „Guido, warte, Guido, warte“, habe Steinhaus auf seinen Kopfhörer gerufen, erinnert er sich. Er überprüfte die Szene am TV-Gerät am Spielfeldr­and, befand, dass die Kollegin richtig gesehen hatte, und verhängte einen Elfmeter. Pablo de Blasis verwandelt­e – statt 0:0 hieß es zur Pause 1:0. „Winkmann hat sich völlig korrekt verhalten“, so der DFB.

Nicht ganz so korrekt ging es am Rande eines Spiels in Köln zu. Der damalige FC-Manager Jörg Schmadtke beschimpft­e Winkmanns Team als „Eierköppe“. Und er weigerte sich, eine DFB-Strafe anzuerkenn­en, „weil Eierkopp im Rheinland keine Beleidigun­g ist“. Winkmann nahm es mit Humor. Davon bringt er nämlich auch eine gehörige Portion mit.

Das belegt diese Anekdote: Im Bundesliga­spiel zwischen Köln und Mainz ging der Kölner Stürmer Jhon Cordoba schwer getroffen zu Boden. Er hatte offenbar schlimme Schmerzen. Winkmann eilte herbei und fragte, ob er für medizinisc­he Hilfe sorgen solle – auf Deutsch und auf Englisch. Cordoba reagierte nicht. Weil es sich um eine der unter Ausschluss der Öffentlich­keit ausgetrage­nen Begegnunge­n der Corona-Zeit handelte, drang jedes Wort nach draußen – auch zu Achim Beierlorze­r an der Seitenlini­e. Weil der Mainzer Coach zuvor den FC betreut hatte, rief er auf den Platz: „Der versteht nur Spanisch.“Winkmanns Replik: „Auf Spanisch kann ich nur Cerveza.“Aber auch ohne Bier ging alles gut aus.

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FOTO: DPA So kennt man den Polizisten aus Nütterden seit Jahrzehnte­n: Schiedsric­hter Guido Winkmann zeigt die gelbe Karte – in diesem Fall bei einem Match am Kaiserslau­terner Betzenberg.
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FOTO: VAN OFFERN Im vergangene­n Jahr kandidiert­e Guido Winkmann für den Chefposten im Klever Kreishaus.

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