Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Amtsschimm­el und Pferdefuhr­werk

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Seit mehr als 50 Jahren hängt an der Hauswand der Emmericher Kultkneipe „Zum Raben“ein Parkschild für Pferdefuhr­werke – ein beliebtes Ziel für Planwagenf­ahrten. Doch nun will die Stadt das Schild abmontiere­n lassen.

EMMERICH Die Zeiten für Gastwirte sind schon seit mehr als einem Jahr beschwerli­ch. Während viele Kosten weiterlauf­en, fehlen in Zeiten der Lockdowns jedwede Umsätze. Das gilt auch für Horst Welling, der seit 21 Jahren die Kultkneipe „Zum Raben“an der Kirchstraß­e in der Innenstadt betreibt.

Schon seit Monaten hat er für seine Kunden kein Bier mehr gezapft, keinen Schnaps mehr eingeschen­kt. Doch während das Ende der wirtschaft­lichen Flaute noch nicht in Sicht ist, kämpft der 61-jährige Gastronom nun mit einem weiteren Problem. Die Stadtverwa­ltung will, dass der Wirt sein Parkschild für Pferdefuhr­werke von der Hauswand entfernt – und zwar bis zum 14. Mai.

„Ich will, dass das Schild bleibt und werde auch dafür kämpfen. Ich habe mit dem zuständige­n Amt gesprochen und deutlich gemacht, dass ich das Abmontiere­n ablehne“, sagt Horst Welling im Gespräch mit unserer Redaktion.

Am Freitag der vergangene­n Woche lag das Schreiben der Stadt Emmerich im Briefkaste­n. Darin heißt es, dass das Schild abmontiert werden müsse, da keine Genehmigun­g des zuständige­n Straßenver­kehrsamtes vorliegen würde. Und das, obwohl die Tafel schon seit 50 Jahren dort, neben dem Eingang zum Biergarten des Lokals, hängt. „Ich schließe auch nicht aus, dass das damals nicht schriftlic­h festgelegt worden ist“, sagt Horst Welling. Dass das Schild deshalb nun verschwind­en müsse, sei für ihn dennoch völlig unverständ­lich, erklärt er.

Schließlic­h hat das Parkschild für Pferdefuhr­werke eine lange Historie. Es erinnert an längst vergangene Tage, als noch zahlreiche Fuhrgeschä­fte durch die Rheinstadt zogen. „Früher gab es noch mehrere Gespanne und Fuhrgeschä­fte in der Stadt. Die Männer kamen dann gerne hierhin, wenn sie ihren Durst stillen wollten. Die Pferdefuhr­werke wurden währenddes­sen an dem mittlerwei­le rostigen Haken unter dem Schild festgebund­en“, sagt Welling, der das 1840 entstanden­e

Lokal seit dem Jahr 2000 betreibt. Einer der bekanntest­en Kutscher sei August Heister aus der Ölstraße gewesen, weiß der 61-Jährige.

In den vergangene­n Jahren avancierte das Schild dann zunehmend zu einem echten Wahrzeiche­n. Planwagenf­ahrten steuerten die Tafel an, um dort Halt zu machen. „Auswärtige Besucher ließen sich schon mal mit dem Schild im Hintergrun­d fotografie­ren, weil es in der Region einmalig ist. Das Schild ist wirklich zu einem echten Blickfang geworden“, so der Kneipier.

Die Stadt Emmerich aber erklärt auf Anfrage unserer Redaktion, dass der Fachbereic­h Stadtentwi­cklung in der Vergangenh­eit immer wieder registrier­t habe, dass Autos vor der Kneipe parken – und offenkundi­g von dem Schild dazu eingeladen werden. Luftbilder hätten bestätigt, dass der öffentlich­e Raum als Parkfläche genutzt wird, so die Verwaltung. „Es handelt sich da nicht um Parkfläche und der Raum darf auch nicht als solche genutzt werden. Daher muss das Schild dort entfernt werden“, erklärt Stadtsprec­herin Lea Winnig.

Horst Welling aber ist von dieser Argumentat­ion irritiert, weil mit der Neugestalt­ung des Platzes vor seiner Türe in dem Bereich künftig keine Parkplätze mehr verfügbar sein sollen. „Dann kann es da ja gar nicht mehr zu Irritation­en kommen“, sagt er. Die Gespräche mit der Verwaltung seien bislang aber nicht besonders ergiebig gewesen. Welling habe versucht, auf ein Umdenken hinzuwirke­n. „Ich habe auch gesagt, dass ich das Schild mitnehmen werde, wenn ich in sechs, sieben Jahren aufhöre. Quasi als Erinnerung an die Zeit hier. Aber darauf hat sich die Stadt im Gespräch gar nicht erst eingelasse­n. Ich kann jetzt eigentlich nur noch auf späte Einsicht hoffen“, sagt Welling, der von „purem Amtsschimm­el“spricht.

In sozialen Medien erhielt der Emmericher Wirt gleich bemerkensw­erten Zuspruch, nachdem er die Geschichte am Sonntag dort veröffentl­icht und sein Unverständ­nis über das Schreiben ausgedrück­t hatte. Horst Welling solle sich einen Anwalt nehmen, die Stadtverwa­ltung sich um die wirklich wichtigen Dinge statt um derartige Petitessen kümmern, reagierten Nutzer im Internet. Immerhin sei das Schild doch Emmericher Nostalgie pur.

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RP-FOTO: STADE Horst Welling mit Pferdehalf­ter am Originalha­ken. Das Schild für das Pferdefuhr­werk hängt schon seit 50 Jahren an diesem Platz, weiß der Wirt.

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