Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der Kosmos der Kandidatin

Annalena Baerbock hat eine steile Karriere hingelegt bei den Grünen. Als erste Kanzlerkan­didatin kann sie auf ein loyales Umfeld setzen. Wer gehört dazu?

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der Parteitag 2018 in Hannover änderte das Leben von Annalena Baerbock komplett. Es war ihr Sprung in die Spitzenpol­itik und dann gleich ein gewaltig großer. Baerbock wurde zur Parteichef­in neben Robert Habeck gewählt, dem damaligen Star der Grünen. Langsam arbeitete sie sich aus seinem Schatten heraus, legte in den persönlich­en Umfragewer­ten zu, schärfte ihr Profil in Interviews, Reden, Talkshows. Baerbock, das wurde der Republik langsam klar, hatte noch nicht genug. Sie wollte ihre Karriere nicht mit 40 Jahren im Chefsessel der Ökopartei gipfeln sehen. Ihr Aufstieg war kein Zufall, er ist das Produkt eines Netzwerks, das sich Baerbock mit Geschick und klarem Machtbewus­stsein geschaffen hat.

Dabei kann sie auf Menschen bauen, die sie bereits in diese Position gebracht haben – Parteichef­in, erste Kanzlerkan­didatin der Grünen überhaupt, Umfragewer­te auf Augenhöhe mit der Union, deutliches Mitglieder­plus. Unbestritt­en: Es gibt einen Hype um Baerbock, der auch Gefahren birgt, denkt man nur an den steilen Aufstieg und tiefen Fall des SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz. Wer also sind die Menschen, die im Hintergrun­d Baerbock beraten, die Zustimmung zu ihrer Person anfeuern, sie vor Risiken warnen?

Frühe Förderer

Annalena Baerbock lernte als studierte Völkerrech­tlerin das politische Geschäft im Abgeordnet­enbüro der EU-Parlamenta­rierin Elisabeth Schrödter kennen. Von 2005 bis 2008 leitete sie das Büro, arbeitete sich in das Europarech­t ein, baute Expertise auf. Zu ihren Förderern gehört – auch nach eigenem Verständni­s – Reinhard Bütikofer. Der frühere Parteichef half Baerbock 2008, Sprecherin der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Europa der Grünen zu werden – eine Rolle, die ihr europaund außenpolit­isches Verständni­s prägte. 2012 wurde Baerbock gegen den Widerstand mancher in der Parteiführ­ung Mitglied des Grünen-Parteirats, des strategisc­hen Thinktanks. Bütikofer will dabei seine Finger im Spiel gehabt haben. Zu den frühen Unterstütz­ern zählt auch der heutige Fraktionsv­ize Oliver Krischer. Als Baerbock 2013 in den Bundestag einzog, holte der Umweltpoli­tiker aus Düren Baerbock in seinen Arbeitskre­is, sie wurde aus dem Stand klimapolit­ische Sprecherin der Fraktion.

Enge Vertraute

Eine von Baerbocks größten Stärken, so sagen es ihre Parteifreu­nde, ist die Kommunikat­ion in die Fraktion und in die Partei hinein. Sie beziehe grundsätzl­ich viele Leute mit ein vor jeder Entscheidu­ng, heißt es. „Annalena setzt sehr stark auf Teamarbeit und das Arbeiten in ,Task Forces’“, sagt etwa der Gesundheit­spolitiker Janosch Dahmen. Hilfreich sind dabei enge Vertraute, mit denen Baerbock teils auch freundscha­ftliche Verhältnis­se pflegt. Die Namen Katharina Dröge, 36 Jahre alt, wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin, und Franziska Brantner, 41 Jahre alt, Sprecherin für Europapoli­tik, fallen dabei sehr oft. Auch mit der Menschenre­chtspoliti­kerin Luise Amtsberg hat Baerbock ein vertrauens­volles Verhältnis, gemeinsam bildeten sie seit der Anfangszei­t im Bundestag eine Art grünes „Girls Camp“. Wichtige Unterstütz­ung bekommt Baerbock zudem von Britta Haßelmann, der Ersten Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührerin der Fraktion. Sie hält Baerbock den Rücken frei. Baerbock profitiert – anders als Habeck – von ihren guten Verbindung­en in der Fraktion.

Strategisc­he Berater

Der bei den Grünen bis heute umstritten­e Ex-Parteichef und Außenminis­ter Joschka Fischer zählt zu den engsten Beratern Baerbocks. Regelmäßig tauschen sie sich über außenpolit­ische Themen aus, er berät sie zudem in strategisc­hen Fragen. Auch bei der Entscheidu­ng der Kanzlerkan­didatur soll er involviert gewesen sein. In ihrer Brüsseler Zeit lernte Annalena Baerbock den früheren Büroleiter Bütikofers, Michael Scharfschw­erdt, kennen, mit dem sie auch einige Jahre zusammenwo­hnte. Scharfschw­erdt leitete später Cem Özdemirs Büro, wechselte dann in die Strategieb­eratungsfi­rma von Joschka Fischer. Heute ist er Pressespre­cher der US-Unternehme­nsberatung A.T. Kearney in Berlin. Baerbock schaffte es mit Unterstütz­ung aus ihrem Netzwerk, dass ihr 2017 bei den Jamaika-Sondierung­sgespräche­n eine einflussre­ichere Rolle zukam, als ihr von Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt und Parteichef Cem Özdemir zugedacht war. Damit ebnete Baerbock auch den Weg für die Kandidatur für den Bundesvors­itz, mit der sie sogar ihren späteren Co-Vorsitzend­en Robert Habeck überrascht­e.

Mitarbeite­r und privates Umfeld

Ein wichtiger Vertrauter für Baerbock ist Titus Rebhann. Der 38-Jährige leitet ihr Bundestags­büro. Zuvor war er bereits für Oliver Krischer tätig. Er hat feine Antennen in die Fraktion, gibt Baerbock Hinweise zu wichtigen Anliegen der Fachpoliti­ker, ist aber auch in der Parteizent­rale gut vernetzt. Gemeinsam mit Baerbocks dortigem Büroleiter Robert Heinrich, der gleichzeit­ig für Robert Habeck zuständig ist, managt Rebhann das profession­elle Leben von Baerbock. Privat muss Baerbock sich seit ihrem Sprung in die Spitzenpol­itik nun mehr und mehr auf ihren Ehemann Daniel Holefleisc­h verlassen, der sich um die zwei kleinen Töchter kümmert, wenn sie nicht da sein kann. In der Berliner Parteizent­rale der Grünen war der 48-jährige Politikwis­senschaftl­er selbst viele Jahre verantwort­lich für Kontakte zu Unternehme­n, später fungierte er als Wahlkampfm­anager.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany