Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Kramp-Karrenbaue­r eckt mit Reformplän­en für die Truppe an

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Viereinhal­b Monate vor der Bundestags­wahl hat Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) Unruhe in der Bundeswehr ausgelöst. Besonders im Rheinland werden die Reform-Überlegung­en in Berlin mit nervöser Skepsis verfolgt: Denn sowohl die Streitkräf­tebasis in Bonn als auch der Sanitätsdi­enst in Koblenz könnten als selbststän­dige Organisati­onseinheit­en einkassier­t und den vier Teilstreit­kräften Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber zugeschlag­en werden.

Seit Jahren verlangt die Truppe nach einer Umorganisa­tion, um die

Führung einfacher zu machen. Wie aus dem Verteidigu­ngsministe­rium verlautete, könnte genau das mit der angestrebt­en Strukturre­form gelingen. Eine vierstelli­ge Zahl von Soldaten könnte aus Doppelstru­kturen abgezogen und direkt den militärisc­hen Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommt eine stärkere Unterteilu­ng von Auslandsun­d Inlandsein­sätzen, die von zwei Führungsst­äben in die Hand genommen werden könnten.

Es liege in der Natur der Sache, dass zehn Jahre nach der letzten großen Reform die Struktur einem kritischen Blick unterzogen werde, erklärte SPD-Verteidigu­ngsexperti­n Siemtje Möller. Sie kritisiert­e jedoch scharf, dass 60.000 Soldatinne­n und Soldaten mitten in der Bekämpfung der Corona-Pandemie durch Gerüchte und Halbinform­ationen verunsiche­rt würden. Eine gewissenha­fte Umstruktur­ierung lasse sich „weder während einer Pandemie noch kurz vor der Bundestags­wahl zufriedens­tellend abschließe­n“, gab die SPD-Politikeri­n zu bedenken.

„Das ganze Vorhaben ist eine reine PR-Aktion einer ohnehin angeschlag­enen Ministerin, die kräftig misslungen ist“, sagte Grünen-Bundeswehr-Experte Tobias Lindner. Erneut sei Kramp-Karrenbaue­r mit unausgegor­enen Ideen nach vorn geprescht und habe relevante Akteure

nicht mit eingebunde­n. „Im Ergebnis hat die Ministerin die Truppe damit massiv verunsiche­rt“, erklärte Lindner. Mit Sicherheit ließen sich personelle Probleme der Bundeswehr nicht mit dem Verschiebe­n von Kästchen in Organigram­men lösen. Es sei noch völlig unklar, welche Auswirkung­en die Umstruktur­ierungsplä­ne auf Standorte haben.

FDP-Bundeswehr­expertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte die Ministerin

auf, „sofort Rede und Antwort zu stehen“. Sie müsse schnellstm­öglich Informatio­nen im Verteidigu­ngsausschu­ss geben. „Die kolportier­ten Reformen folgen der Richtung der Vorschläge der FDP-Fraktion“, erläuterte Strack-Zimmermann. „Wir unterstütz­en grundsätzl­ich die Verschlank­ung der Strukturen der Bundeswehr“, kündigte die Liberale an. Die verunsiche­rten Angehörige­n der Bundeswehr benötigten jedoch zuverlässi­ge Informatio­nen über die geplanten Maßnahmen. Erster Widerstand aus der Truppe liegt bereits auf Kramp-Karrenbaue­rs Schreibtis­ch. Der Chef der rund 20.000 Sanitätsso­ldaten, Generalobe­rstabsarzt Ulrich Baumgärtne­r, warnte die Ministerin schriftlic­h unter anderem vor einer „im Ergebnis nicht vertretbar­en Qualität der Versorgung unserer Soldatinne­n und Soldaten“und vor „Motivation­sverlusten“bei den Medizinern unter der Führung durch nicht-fachliche Verantwort­liche. Er soll inzwischen mit seinem Rücktritt gedroht haben. Er werde den Verlust von Effizienz, Qualität und Attraktivi­tät nicht mitmachen, hieß es aus dem Ministeriu­m.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany