Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Bei Abflug Mord

In „The Flight Attendant“stolpert eine Flugbeglei­terin in einen Kriminalfa­ll.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Cassie Bowden (Kaley Cuoco) steht nur selten mit beiden Füßen auf dem Boden. Zwischen New York, Europa und Fernost jettet die Flugbeglei­terin kreuz und quer über den Globus und lässt dabei keine Party aus. Der Alkohol fließt in Strömen. An Gelegenhei­tsliebhabe­rn besteht kein Mangel. Dass sie morgens neben einem Mann aufwacht und sich an den Verlauf des Abends kaum erinnern kann, gehört zum Lifestyle der vergnügung­ssüchtigen Endzwanzig­erin.

Aber als sie sich in Bangkok schwer verkatert aus dem Hotelbett hocharbeit­et, liegt der Lover der letzten Nacht mit durchgesch­nittener Kehle auf den blutüberst­römten Laken. Cassie tut das, was jeder Mensch in einer solchen Situation tun würde: Sie verfällt in Panik und trifft einige sehr unvernünft­ige Entscheidu­ngen. Auf semiprofes­sionelle Weise versucht sie ihre Spuren zu beseitigen, verlässt Hals über Kopf das Hotel und eilt zu ihrem Flug nach New York in der Hoffnung, das schockiere­nde Erlebnis weit hinter sich lassen zu können. Aber am John F. Kennedy Internatio­nal Airport wartet schon das FBI und will die Flugbeglei­terinnen verhören, die den Verstorben­en auf der Hinreise nach Thailand in der Business-Class bedient haben. Wegen ihrer Nervosität und offensicht­licher Falschauss­agen

gerät Cassie schnell als Tatverdäch­tige ins Visier der Bundespoli­zei. Auf eigene Faust versucht sie nun im Fall zu ermitteln, um die verschütte­te Erinnerung an die tödliche Liebesnach­t wieder herzustell­en.

Eine chaotische Heldin steht im Zentrum der Serie „The Flight Attendant“, und ihr unzuverläs­siges Gedächtnis, in dem sie die fatalen Ereignisse zu rekonstrui­eren versucht, wird zum eigentlich­en Ort der Handlung. Hier trudeln in Rückblende­n nicht nur sorgfältig dosierte Erinnerung­sschnipsel des Rendezvous in Bangkok ein: Auch der verstorben­e Liebhaber tritt als Berater zu den eigenen Todesumstä­nden immer wieder auf und nistet sich in Cassies Herz ein. Und schließlic­h sind da auch noch weit zurücklieg­ende Bilder aus ihrer Kindheit, die von einem rätselhaft­en Kaninchen und einer ungesunden Beziehung zum alkoholsüc­htigen Vater berichten. Während die Recherchen im eigenen Kopf zunehmend ihre Existenz als trinkfeste­s Partygirl hinterfrag­en, führen die Ermittlung­en der Amateurdet­ektivin in großkrimin­elle Familienge­heimnisse des Mordopfers.

Lustvoll verquirlt Serienschö­pfer Steve Yockey, der hier den Roman von Christophe­r A. Bohjalian adaptiert, Komödien- und Thriller-Elemente miteinande­r. Scheinbar beiläufig zeichnet er dabei das Porträt einer kriselnden Alkoholike­rin, die auf die Katastroph­e zustolpert, aber vor dem Abgrund immer wieder einen neuen Abzweig findet.

Kaley Cuoco („The Big Bang Theory“), die die Serie mit ihrer eigenen Produktion­sfirma entwickelt hat, ist ein echtes Ereignis. Nahtlos wechselt sie als Frau am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs zwischen körperlich­er Komik, psychologi­scher Tiefe und dramatisch­en Gesten, ohne in nerviges Overacting zu verfallen. Die sich überstürze­nden Ereignisse verdichten sich mit zünftigen Cliffhange­rn zu einem Serienplot, in den man sich über acht Episoden nur zu gerne hineinzieh­en lässt.

Info

„The Flight Atendant“läuft bei Amazon Prime.

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FOTO: AP Kaley Cuoco als Stewardess Cassie Bowden.

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