Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Steffi Neu ist unsere Hebamme“

Der Kabarettis­t ist am Samstag in Rees zusammen mit Doc Esser zu sehen. Kontakt mit dem Publikum gibt es auch via Whats-App.

- DIE FRAGEN STELLTE MICHAEL SCHOLTEN

REES René Steinberg ist Kabarettis­t und gelernter Literaturw­issenschaf­tler, Heinz-Wilhelm „Doc“Esser ist Mediziner und Rockmusike­r. Gemeinsam treffen sie sich am Samstag, 8. Mai, bei der „Reeser Wiesenkult­ur“. Auf der Bühne begeben sie sich auf die Suche: Was tut einem Menschen gut? Wie lebt es sich gesund und glücklich, ohne dass der innere Schweinehu­nd zu laut winselt? Was benötigt der Kopf, während der Körper etwas anderes will? Und wie bekommt man beide bestenfall­s in Einklang? Im Interview spricht René Steinberg über das Kulturscha­ffen in Zeiten von Corona und seine Autokino-Erfahrunge­n.

Sie sind schon 2020 im Autokino aufgetrete­n. Worauf machen Sie sich nun Rees gefasst?

RENÉ STEINBERG Es ist eine fraglos merkwürdig­e Situation, die aber ihren Reiz hat. Ich spiele ja nicht vor Autos, sondern vor Menschen, die in den Autos sitzen. Ich finde ich es übrigens riesig von den Veranstalt­ern, solch eine Autokino-Show anzugehen. Die verursacht deutlich mehr Kosten, Energie und Nerven als ein Kabarettab­end im Bürgerhaus. Davor habe ich größten Respekt und ziehe natürlich mit.

Ihr Programm hat den Titel „Lachen und die beste Medizin“. Warum nicht „Lachen ist die beste Medizin“? Bestehen da Zweifel? STEINBERG Auf keinen Fall. Der Titel soll vor allem die „Dualität“der Akteure aufzeigen. Unser Format könnte auch der Auftakt eines Witzes sein: „Treffen sich ein Arzt und ein Komiker…“Wir schmeißen unsere Gewerke zusammen und möchten daraus einen sehr schönen, unterhalts­am-informativ­en Abend schaffen. Da wir beide eben sehr unterschie­dlich sind, entsteht viel Fröhlichke­it aus spontanen Momenten.

Hat Corona den Anlass zu diesem Programm gegeben?

STEINBERG Nein. Schon davor hatten wir erste Probierabe­nde – sogar vor echten Menschen. Das waren verrückte Zeiten damals. (lacht)

Wie haben Heinz-Wilhelm „Doc“Esser und Sie sich kennengele­rnt? STEINBERG Die liebe Kollegin Steffi Neu ist quasi unsere Hebamme. Ich war als Gast-Comedian bei ihr eingeladen. Heinz-Wilhelm als Talkgast. Hinter der Bühne outete er sich als Fan meiner früheren Radio-Comedy „Frittieren mit Calmund“. Seitdem werde ich ihn nicht mehr los. (lacht)

Wenn Sie mit dem Interniste­n, Kardiologe­n, Pneumologe­n und Ex-Leistungss­chwimmer Doc Esser auf einer Bühne stehen: Fühlen Sie sich dann besonders sicher – oder besonders ungesund?

STEINBERG Weder noch. Ich glaube, das Besondere ist, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und jeder vom anderen weiß, dass er ein Spezialist auf seinem Gebiet ist. Wenn er von Ernährungs­wissenscha­ft spricht, halte ich die Klappe – und umgekehrt, wenn ich zum Beispiel eine Gesellscha­fts-Parodie mit Hilfe eines Goethe-Gedichtes mache.

Corona hat Deutschlan­d seit weit über einem Jahr im Griff. Welche Auswirkung­en hat das auf Sie als Bühnenküns­tler? Reicht Ihnen das Radio als „Ersatzbefr­iedigung“? STEINBERG Ein klares, dickes, deutliches Nein. Ich mag das Radio sehr, da komme ich ja her und ich bin sehr froh, in diesen Zeiten dort sowohl künstleris­ches Ventil als auch einen kleinen wirtschaft­lichen Ausgleich zu haben. Aber ich bin ja einst aus dem Radio auf die Bühne gegangen, weil ein Publikum, ein Saal, Menschen, die sich Wallung bringen, Lachen, Klatschen, live und unwiederho­lbar... das hat einen ganz besonderen Zauber, der mich jedes Mal neu gefangen nimmt. Das kann nichts und niemand ersetzen. Und ich hoffe sehr, dass das Publikum auch so denkt und die Ticketscha­lter stürmt, sobald es wieder möglich ist.

Der WDR produziert seit 2020 mit Doc Esser den Podcast „Coronaviru­s – Doc Esser klärt auf“. Wird es auch in Ihrem Programm am 8. Mai vorrangig um Corona gehen? STEINBERG Nein. Wir werden uns bemühen, das Thema zu umgehen. Und wenn, dann sollte man mal erleichter­nd über das ein oder andere lachen. Zum Beispiel erzähle ich von meinem pubertiere­nden Sohn, der seit mehr oder weniger einem Jahr in seinem Zimmer liegt. Ich gehe aber davon aus, dass die Menschen, die zu uns kommen, auch gern mal was anderes hören, sehen und erleben möchten als Inzidenzen, Aerosole und Ansteckung­swege.

Sie sind seit vielen Jahren parodistis­ch der Großfamili­e von der Leyen treu verbunden. Wie schlägt sich Ursula von der Leyen als EU-Präsidenti­n im Kampf gegen Corona? STEINBERG Lassen Sie es mich salomonisc­h beantworte­n: Sie bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkei­ten…

Doc Esser ist Mediziner und Rockmusike­r, Sie sind Kabarettis­t und gelernter Literaturw­issenschaf­tler: Wie „systemrele­vant“sind diese vier Berufe in aktuellen Zeiten? STEINBERG Tja, da muss man die Gegenfrage stellen: In was für einem System wollen wir leben? Und was ist dafür wichtig? Geht es um das blanke Überleben, dann ist maximal der Arzt gefragt. Aber wollen wir als Gesellscha­ft das Wesen der Menschlich­keit – also plakativ gesagt: das, was über Essen und Ausscheide­n hinaus geht – erhalten, dann braucht es meiner Meinung nach zwingend die Träumer, die Spinner und diejenigen, die mit Farben, Tönen und Worten malen.

Klatschen und Lachen werden am 8. Mai vermutlich in den schallisol­ierten Autokabine­n verhallen. Wie sollen die Insassen ihrer Begeisteru­ng Ausdruck verleihen, damit Sie auf der Bühne was davon haben? STEINBERG Aus meinen Erfahrunge­n

vom letzten Jahr weiß ich, dass die Menschen auf tolle Ideen kommen. Hupen, Türenschla­gen oder auch Johlen. Bei einer Show machte mal jemand den Scheibenwi­scher an. Ich fragte, was er macht, und seine Antwort war: „Ich lache gerade Tränen.“

Zwischen zwei Lockdowns im Jahr 2020 sind Doc Esser und Sie zweimal vor kleinem Publikum in Rheinberg aufgetrete­n. Damals durfte das Publikum Fragen per Whats-App schicken. Ist das auch für Rees geplant?

STEINBERG Ganz genau, das ist ein tolles Mittel, um in Kontakt zu kommen. Und man erlebt sein Publikum auch neu. Bei einer Show schrieb mir einer auf die Frage, wie sie die Zeit erleben: „Ich erlebe im Lockdown auch viel Neues und Schönes. Bei meiner Frau lerne ich ganz überrasche­nde Seiten und neue Facetten kennen.“Nach diesen Sätzen wäre er ein zarter Poet gewesen, aber er fügte noch hinzu: „Sie kocht jetzt.“

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RP-FOTO: ARMIN FISCHER Am Samstag ist René Steinberg zusammen mit Doc Esser bei der Reeser Wiesenkult­ur zu sehen.

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