Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Steffi Neu ist unsere Hebamme“
Der Kabarettist ist am Samstag in Rees zusammen mit Doc Esser zu sehen. Kontakt mit dem Publikum gibt es auch via Whats-App.
REES René Steinberg ist Kabarettist und gelernter Literaturwissenschaftler, Heinz-Wilhelm „Doc“Esser ist Mediziner und Rockmusiker. Gemeinsam treffen sie sich am Samstag, 8. Mai, bei der „Reeser Wiesenkultur“. Auf der Bühne begeben sie sich auf die Suche: Was tut einem Menschen gut? Wie lebt es sich gesund und glücklich, ohne dass der innere Schweinehund zu laut winselt? Was benötigt der Kopf, während der Körper etwas anderes will? Und wie bekommt man beide bestenfalls in Einklang? Im Interview spricht René Steinberg über das Kulturschaffen in Zeiten von Corona und seine Autokino-Erfahrungen.
Sie sind schon 2020 im Autokino aufgetreten. Worauf machen Sie sich nun Rees gefasst?
RENÉ STEINBERG Es ist eine fraglos merkwürdige Situation, die aber ihren Reiz hat. Ich spiele ja nicht vor Autos, sondern vor Menschen, die in den Autos sitzen. Ich finde ich es übrigens riesig von den Veranstaltern, solch eine Autokino-Show anzugehen. Die verursacht deutlich mehr Kosten, Energie und Nerven als ein Kabarettabend im Bürgerhaus. Davor habe ich größten Respekt und ziehe natürlich mit.
Ihr Programm hat den Titel „Lachen und die beste Medizin“. Warum nicht „Lachen ist die beste Medizin“? Bestehen da Zweifel? STEINBERG Auf keinen Fall. Der Titel soll vor allem die „Dualität“der Akteure aufzeigen. Unser Format könnte auch der Auftakt eines Witzes sein: „Treffen sich ein Arzt und ein Komiker…“Wir schmeißen unsere Gewerke zusammen und möchten daraus einen sehr schönen, unterhaltsam-informativen Abend schaffen. Da wir beide eben sehr unterschiedlich sind, entsteht viel Fröhlichkeit aus spontanen Momenten.
Hat Corona den Anlass zu diesem Programm gegeben?
STEINBERG Nein. Schon davor hatten wir erste Probierabende – sogar vor echten Menschen. Das waren verrückte Zeiten damals. (lacht)
Wie haben Heinz-Wilhelm „Doc“Esser und Sie sich kennengelernt? STEINBERG Die liebe Kollegin Steffi Neu ist quasi unsere Hebamme. Ich war als Gast-Comedian bei ihr eingeladen. Heinz-Wilhelm als Talkgast. Hinter der Bühne outete er sich als Fan meiner früheren Radio-Comedy „Frittieren mit Calmund“. Seitdem werde ich ihn nicht mehr los. (lacht)
Wenn Sie mit dem Internisten, Kardiologen, Pneumologen und Ex-Leistungsschwimmer Doc Esser auf einer Bühne stehen: Fühlen Sie sich dann besonders sicher – oder besonders ungesund?
STEINBERG Weder noch. Ich glaube, das Besondere ist, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und jeder vom anderen weiß, dass er ein Spezialist auf seinem Gebiet ist. Wenn er von Ernährungswissenschaft spricht, halte ich die Klappe – und umgekehrt, wenn ich zum Beispiel eine Gesellschafts-Parodie mit Hilfe eines Goethe-Gedichtes mache.
Corona hat Deutschland seit weit über einem Jahr im Griff. Welche Auswirkungen hat das auf Sie als Bühnenkünstler? Reicht Ihnen das Radio als „Ersatzbefriedigung“? STEINBERG Ein klares, dickes, deutliches Nein. Ich mag das Radio sehr, da komme ich ja her und ich bin sehr froh, in diesen Zeiten dort sowohl künstlerisches Ventil als auch einen kleinen wirtschaftlichen Ausgleich zu haben. Aber ich bin ja einst aus dem Radio auf die Bühne gegangen, weil ein Publikum, ein Saal, Menschen, die sich Wallung bringen, Lachen, Klatschen, live und unwiederholbar... das hat einen ganz besonderen Zauber, der mich jedes Mal neu gefangen nimmt. Das kann nichts und niemand ersetzen. Und ich hoffe sehr, dass das Publikum auch so denkt und die Ticketschalter stürmt, sobald es wieder möglich ist.
Der WDR produziert seit 2020 mit Doc Esser den Podcast „Coronavirus – Doc Esser klärt auf“. Wird es auch in Ihrem Programm am 8. Mai vorrangig um Corona gehen? STEINBERG Nein. Wir werden uns bemühen, das Thema zu umgehen. Und wenn, dann sollte man mal erleichternd über das ein oder andere lachen. Zum Beispiel erzähle ich von meinem pubertierenden Sohn, der seit mehr oder weniger einem Jahr in seinem Zimmer liegt. Ich gehe aber davon aus, dass die Menschen, die zu uns kommen, auch gern mal was anderes hören, sehen und erleben möchten als Inzidenzen, Aerosole und Ansteckungswege.
Sie sind seit vielen Jahren parodistisch der Großfamilie von der Leyen treu verbunden. Wie schlägt sich Ursula von der Leyen als EU-Präsidentin im Kampf gegen Corona? STEINBERG Lassen Sie es mich salomonisch beantworten: Sie bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten…
Doc Esser ist Mediziner und Rockmusiker, Sie sind Kabarettist und gelernter Literaturwissenschaftler: Wie „systemrelevant“sind diese vier Berufe in aktuellen Zeiten? STEINBERG Tja, da muss man die Gegenfrage stellen: In was für einem System wollen wir leben? Und was ist dafür wichtig? Geht es um das blanke Überleben, dann ist maximal der Arzt gefragt. Aber wollen wir als Gesellschaft das Wesen der Menschlichkeit – also plakativ gesagt: das, was über Essen und Ausscheiden hinaus geht – erhalten, dann braucht es meiner Meinung nach zwingend die Träumer, die Spinner und diejenigen, die mit Farben, Tönen und Worten malen.
Klatschen und Lachen werden am 8. Mai vermutlich in den schallisolierten Autokabinen verhallen. Wie sollen die Insassen ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen, damit Sie auf der Bühne was davon haben? STEINBERG Aus meinen Erfahrungen
vom letzten Jahr weiß ich, dass die Menschen auf tolle Ideen kommen. Hupen, Türenschlagen oder auch Johlen. Bei einer Show machte mal jemand den Scheibenwischer an. Ich fragte, was er macht, und seine Antwort war: „Ich lache gerade Tränen.“
Zwischen zwei Lockdowns im Jahr 2020 sind Doc Esser und Sie zweimal vor kleinem Publikum in Rheinberg aufgetreten. Damals durfte das Publikum Fragen per Whats-App schicken. Ist das auch für Rees geplant?
STEINBERG Ganz genau, das ist ein tolles Mittel, um in Kontakt zu kommen. Und man erlebt sein Publikum auch neu. Bei einer Show schrieb mir einer auf die Frage, wie sie die Zeit erleben: „Ich erlebe im Lockdown auch viel Neues und Schönes. Bei meiner Frau lerne ich ganz überraschende Seiten und neue Facetten kennen.“Nach diesen Sätzen wäre er ein zarter Poet gewesen, aber er fügte noch hinzu: „Sie kocht jetzt.“