Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Wenn Maaßen blinkt
Der frisch aufgestellte CDU-Wahlkreiskandidat ist ein meisterlicher Taktierer.
BERLIN Am Vormittag des 2. Mai 2011 ist ein Jet auf dem Weg von Deutschland nach Washington: Die erste USA-Reise des neuen Innenministers Hans-Peter Friedrich von der CSU. Er wird die US-Administration dazu beglückwünschen, den meistgesuchten Terroristen Osama bin Laden zur Strecke gebracht zu haben, und sich für Hinweise bedanken, die zur Enttarnung der Düsseldorfer Terrorzelle führten. Mit an Bord ist ein öffentlich wenig bekannter Unterabteilungsleiter, zuständig für Terrorabwehr. Der Minister schätzt seine Expertise und wird ihn 15 Monate später zum neuen Verfassungsschutzpräsidenten machen: Es ist der Mönchengladbacher Jurist Hans-Georg Maaßen.
Nach seinem Amtsantritt beginnen die Zahlen illegal einreisender Asylbewerber ins zuvor Unvorstellbare zu wachsen. Seit zwei Jahrzehnten kennt sich Maaßen im deutschen Ausländerrecht aus wie kein zweiter. Einer, der die Migration steuern und begrenzen will und die Regierung vor potenziell gefährlichen Islamisten warnen soll, findet 2015 angesichts von 800.000 Migranten keinen ruhigen Schlaf mehr. Unüberprüft ins Land, akzeptiert als „Donald Duck“oder „Muhammed Ali“, achselzuckend durchgewunken. So stellt sich Maaßen nicht den Umgang der Sicherheitsbehörden mit Asylbewerbern vor.
Nachdem Maaßen öffentlich die Darstellung von Medien und Kanzleramt über fremdenfeindliche „Hetzjagden“in Chemnitz in Zweifel gezogen hat, entschuldigt er sich. Innenminister Horst Seehofer sieht im September 2018 zunächst keinen Anlass für Konsequenzen. „Als er diese Aussagen danach noch einmal wiederholte, war das für mich nicht mehr hinnehmbar, und ich musste handeln“, erläutert Seehofer jetzt.
Den Verdacht einer originellen Weltsicht nährt Maaßen seinerzeit in seiner Abschiedsrede vor internationalen Nachrichtendienstlern, denen er seinen Sturz als das Werk von „linksradikalen Kräften in der SPD“beschreibt. Umgehend findet sich Maaßen im einstweiligen Ruhestand wieder. Den nutzt der 55-Jährige für Sport und eine Wiederbelebung seiner Anwaltstätigkeit. Bis zum 16. Februar des folgenden Jahres. Da lässt er sich durch die konservative CDU-Strömung Werteunion in einem Kölner Hotel feiern.
Der Auftritt wirkt wie ein Testballon. Maaßen scheint sich in seine neue Rolle hineinzufinden, tritt der Werteunion bei, die von vielen auch in der CDU als problematisch empfunden wird. Und Maaßen sorgt für Zitate, die sich in Windeseile verbreiten. Eines davon: „Ich bin vor 30 Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.“Dass er mit solchen Signalen „in die rechte Ecke“gestellt wird, empfindet er als „unverschämt“– und verweist auf Misshandlungen und Verfolgung von Opa und Onkel durch die Nazis.
Es ist eine bewährte Taktik, die Maaßen fortan zu großer Meisterschaft entwickelt: In den Handlungen konsequent geradeaus zu fahren, beizeiten aber immer mal wieder rechts zu blinken. Etwa mit der Andeutung, dass die AfD vielleicht nur „derzeit“nicht für Koalitionen infrage komme. „Es kann sein, dass die AfD in zehn Jahren eine ganz andere Partei ist“, gibt Maaßen zu bedenken.
Ähnliches bei seiner Bewerbungsrede in Suhl. Er habe sich beim Vorgehen gegen die AfD als Verfassungsschutzpräsident an Recht und Gesetz und nicht an Opportunität gehalten, sagt Maaßen. Handelt etwa sein Nachfolger nach politischen Vorgaben? Gesagt hat Maaßen es nicht, nur mal geblinkt. Die Delegierten sind von ihm begeistert – 37 von 43 stellen ihn als Kandidaten auf. Maaßen weiß, dass sein Wahlkampf nun unter besonderer Beobachtung stehen wird. An den nächsten Blinkzeichen dürfte ihn das nicht hindern. Sein Publikum sehnt sich danach.