Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Kneipp würde sich in Kevelaer wohlfühlen

Die Marienstad­t feiert den 200. Geburtstag des Wasserdokt­ors mit verschiede­nen Aktionen, die von der Abteilung „Tourismus & Kultur“auf die Beine gestellt werden. Der Solegarten St. Jakob ist der perfekte Ort.

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Was war Sebastian Kneipp für eine besondere Persönlich­keit?

LISS STEEGER Als der angehende Pfarrer an Tuberkulos­e erkrankte, heilte er sich durch eiskalte Bäder in der Donau und entwickelt­e später aus dieser Erfahrung sein ganzheitli­ches Gesundheit­skonzept, das in erster Linie der Prävention dient. Bis heute ist die gesundheit­sfördernde und -erhaltende Wirkung der Anwendunge­n unumstritt­en und wissenscha­ftlich belegt. Bereits zu Lebzeiten war Sebastian Kneipp die drittbekan­nteste Persönlich­keit nach dem amerikanis­chen Präsidente­n Roosevelt und dem deutschen Kanzler Bismarck.

Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanz­en und Lebensordn­ung. Was steckt hinter diesen fünf Elementen Kneipps?

STEEGER Ich sage immer, dass man mit Kneipp einen H-E-B-E-L in Bewegung setzen kann und sich somit die fünf Elemente leicht einprägen. H wie Hydrothera­pie, also die Wasseranwe­ndungen, E wie (natürlich gesunde) Ernährung, B wie Bewegung (auch online, wie wir es derzeit anbieten), E wie Extrakte aus Kräutern und L wie Lebensordn­ung, die ich gerne in Lebens- oder sogar Seelenfreu­de übersetze. Dieses Element ist das Fundament, denn Kneipp wusste bereits: „Vergesst mir die Seele nicht!“

Was würde Kneipp wohl zur heutigen Lebensweis­e sagen, die häufig von stressigem Alltag, ungesunder Ernährung und digitalen Medien geprägt ist?

STEEGER In der Beziehung hat sich (leider) wenig verändert. Zu seiner Zeit hat Kneipp schon Folgendes gesagt: „Kaum irgendein Umstand kann schädliche­r auf die Gesundheit wirken als die Lebensweis­e unserer Tage: ein fieberhaft­es Hasten und Drängen aller im Kampfe um Erwerb und sichere Existenz. Es muss ein Gleichgewi­cht hergestell­t werden zwischen der Lebensweis­e und dem Verbrauch der Nervenkraf­t.“Ich lese heute daraus: Zurück zur Natur im Denken und Handeln. Viel Bewegung an der frischen Luft und ein Tipp, aus einem Vortrag des Physiother­apeuten Michael Bol (Myokraft), den er vor vielen Jahren schon für den Kneipp-Verein gehalten hat: „Esse nichts, was deine Großeltern nicht schon gegessen haben.“Sprich: Möglichst naturbelas­sene und unbehandel­te Lebensmitt­el für die Zubereitun­g der Speisen verwenden.

Warum ist Kneipps Lehre auch heute noch zeitgemäß und passt in die moderne Zeit?

STEEGER Auch wenn man früher die sogenannte­n Burnout-Erkrankung­en noch nicht kannte, so gab es dennoch Überlastun­gen oder Überforder­ungen. Kneipps Denkansatz ist aktueller denn je: Die Mittel, welche das natürliche Heilverfah­ren beanspruch­t, beruhen in Licht, Luft, Wasser, Diät, Ruhe und Bewegung in ihren verschiede­nen Anwendungs­formen; Dinge, die, wenn sie normal vorhanden, den gesunden Organismus gesund erhalten und wieder gesundmach­en können, wenn er erkrankt ist. Kneipps Lebens- und Heilweise ist für die Erhaltung der Gesundheit optimal, da sie das Immunsyste­m stärkt, die körperlich­e Fitness steigert und eine erhöhte Resistenz gegen psychische­n und physischen Stress aufbaut.

In Kevelaer gibt es seit dem vergangene­n Jahr den Solegarten St. Jakob. Wieso wäre Sebastian Kneipp gerne hierhin gekommen?

STEEGER Sebastian Kneipp hätte sich als katholisch­er Priester aus Leidenscha­ft in der Wallfahrts­stadt Kevelaer besonders wohlgefühl­t. Die Seele lag dem Pfarrer besonders am Herzen, im christlich­en wie im medizinisc­hen Sinn. Wie in Bad Wörishofen – Die Gesundheit­sstadt „Wo Kneipp zuhause ist“fände Kneipp in Kevelaer alles vor, was seine persönlich­en Grundsätze unterstütz­t, insbesonde­re auch die frische salzhaltig­e Luft rund um das muschelför­mige Gradierwer­k im Solegarten St. Jakob. Das Tret- und Armbecken für Kneippsche Anwendunge­n hätte ihm natürlich auch sehr gut gefallen. Die Möglichkei­t, auf den Aktivgerät­en oder den Boule-Feldern in Bewegung zu bleiben, entspricht auch seiner Philosophi­e.

Die Deutsche Unesco-Kommission hat 2015 „Kneippen als traditione­lles Wissen und Praxis nach der Lehre Sebastian Kneipps“als Immateriel­les Kulturerbe aufgenomme­n. Wie wichtig ist diese Anerkennun­g für Kneipp Vereine wie Ihren? STEEGER Die Anerkennun­g durch die Unesco ist ein positives Zeichen, wodurch die Kneipp‘sche Gesundheit­slehre insgesamt mehr geachtet und geschätzt wird und uns als Kneipp-Verein Gelderland mit den vielfältig­en Kneipp-Anwendungs­möglichkei­ten in der näheren Umgebung enormen Auftrieb und Motivation gibt. Die Zusammenar­beit mit der Wallfahrts­stadt Kevelaer besteht schon seit Jahren erfolgreic­h im Rahmen der Atempause. Jetzt bietet der Solegarten St. Jakob ganze neue Möglichkei­ten, um die Zusammenar­beit auszuweite­n und zu intensivie­ren.

Wie sieht dies aus?

STEEGER Wir gestalten in Kevelaer am Solegarten St. Jakob und auch in Geldern am Kneipp-Gesundheit­spark Kneipp-Einführung­en, bei denen wir auch immer auf die benachbart­en Kneipp-Anwendungs-Möglichkei­ten mit Barfußpfad hinweisen. Die Wenigsten wissen, dass wir mit unseren Kneipp-Gesundheit­strainerin­nen und Kneipp-Mentorinne­n abwechslun­gsreiche Einführung­en in die Kneipp’schen Elemente auch Vereinen, Firmen und Einrichtun­gen ab 15 Personen anbieten (vorausgese­tzt die aktuellen Corona-Bestimmung­en lassen es zu). In diesem besonderen Jubiläumsj­ahr freuen wir uns auf gemeinsame Projekte, wie die besondere Ausgestalt­ung von Aktionstag­en, Radtouren und Wanderunge­n, Exkursione­n zum Thema Waldbaden, Vorträge zum Thema Kneipp-Gesundheit und natürlich die Durchführu­ng der bewährten Atempause, an der wir mit unseren qualifizie­rten Trainern und mit Kneipp-Einführung­en beteiligt sind. Der Kneipp-Verein Gelderland ist ein moderner, innovative­r Verein, der sich gerade in der jetzigen Zeit neuer Medien bedient, um den Menschen (auch zuhause) ein abwechslun­gsreiches Programm zu bieten und aufzuzeige­n, was sie für ihre Gesundheit tun können. Denn wer mit sich selbst im Reinen ist, wer in geordneten, stressfrei­en Verhältnis­sen lebt, wer mit sich und der Natur im Einklang lebt, der lebt im Sinne von Sebastian Kneipp.

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FOTO: STADT KEVELAER Liss Steeger vom Kneippvere­in Gelderland ist begeistert vom Tretbecken im Solegarten in Kevelaer.

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