Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die Gemeinde Kerken und ihr Meereskünstler
Jan Göller hat mit seiner Foto-Serie „Verve“den Staatspreis NRW gewonnen, als er vorübergehend in Aldekerk lebte. Mittlerweile ist die junge Familie in einem Dorf in der Bretagne gelandet.
ALDEKERK So schnell kann’s gehen: Auf einmal hat die Gemeinde Kerken einen im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichneten Künstler in ihren Reihen. Dabei ist der Fotograf Jan Göller, der jetzt für seine Arbeit „Verve“den Staatspreis Kunsthandwerk NRW in der Kategorie „Bildund Druckmedien“erhalten hat, rein zufällig am Niederrhein gelandet. Seine Frau Lea Lehmann-Göller stammt aus Aldekerk. Töchterchen Romy-Mali ist inzwischen 20 Monate jung. „Kurz nach ihrer Geburt kam die Corona-Geschichte auf. Da haben wir uns gedacht, dass es in Köln vielleicht etwas zu eng werden könnte und wir bei meinen Schwiegereltern auf dem Land wahrscheinlich besser aufgehoben sind“, sagt Göller. Und so kam es schließlich, dass Landesministerin Ina Scharrenbach am 24. April in Dortmund den mit 10.000 Euro dotierten Kunstpreis „Herrn Jan Göller aus Kerken“überreichte.
Inzwischen ist die junge Familie bereits weitergezogen. In Kerginou, einem Dörfchen in der Bretagne, nur einen Steinwurf vom Strand entfernt, ist der Künstler gerade damit beschäftigt, ein uraltes Haus wieder bewohnbar zu machen. Dort können beide wieder optimal ihren jeweiligen Passionen nachgehen. Lea Lehmann-Göller arbeitet als Meeresbiologin. Und ihr Mann ist an der Atlantikküste auf das Sujet seiner Arbeiten gestoßen, für die er den Staatspreis erhalten hat: Algen. Jan Göller hat unzählige Einzelaufnahmen der drei bis fünf Zentimeter kleinen Meeresorganismen gemacht und so zu einem Ganzen gefügt, dass faszinierende Bilder von bis zu 1,60 Meter Größe entstanden sind. „Die Bilder in schaukastenartigen Rahmen erinnern an botanische Zeichnungen und Drucke aus dem 18. Jahrhundert, machen uns aber auf die Fragilität und den heutigen Zustand unserer Gewässer aufmerksam“, heißt es in der offiziellen Würdigung der Jury.
Zur Kunst ist Jan Göller auf Umwegen gelangt. Der 35-Jährige ist in Esslingen am Neckar aufgewachsen. Nach dem zehnten Schuljahr hatte er genug vom Unterricht und entschloss sich zu einer Schreinerlehre. Damals war der Abenteurer in ihm bereits geweckt. In der Zimmermannstracht
ging der junge Baden-Württemberger kurzzeitig auf die Walz und später auch noch bei einem Steinmetz in die Lehre. Das Drechsler-Handwerk eignete er sich ganz nebenbei ebenfalls an. „Ich habe da schon gemerkt, dass ich mich unbedingt künstlerisch betätigen und ausdrücken wollte“, sagt Göller.
Den entscheidenden Tipp bekam er schließlich von einem Freund. Dieser machte ihn darauf aufmerksam, dass der bekannte Bildhauer Tony Cragg, lange Jahre Leiter der Düsseldorfer Kunstakademie, Mitarbeiter suchte. Göller bewarb sich erfolgreich und entschied sich endgültig für die künstlerische Laufbahn. Er startete ein Studium in Köln, lernte das Einmaleins der Fotografie beim Essener Künstler Thomas Zika und verließ die Hochschule schließlich als Diplom-Designer mit Schwerpunkt Fotografie.
Mit seiner Bilderserie „Verve“, die dem Betrachter die Schönheit und Zerbrechklichkeit der Natur unmittelbar vor Augen führt, erreicht Jan Göller jetzt erstmals eine breite Öffentlichkeit. Im Rahmen der Preisverleihung wird die Serie bis zum 27. Juni im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund gezeigt, das nach Möglichkeit mit entsprechendem Hygiene-Regelwerk am 15. Mai wieder geöffnet werden soll.
Jan Göller verfolgt mit seiner Kunst ein Konzept. Dieses lässt sich so auf den Punkt bringen: Die bedrohte Natur hat ihm die Inspiration
geliefert, ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Arbeiten soll deshalb auch in den Naturschutz fließen. „Meine Frau und ich unterstützen ein Projekt auf den Philippinen, das dem Schutz der dortigen Walhaie dient“, erklärt Göller.
Der Wahlbretone und Allround-Handwerker ist in der neuen Heimat nicht nur mit dem Hausbau beschäftigt. Das nächste größere Kunst-Projekt ist bereits in der Ideenphase. „Ich werde mich mit der
Energie des Wassers beschäftigen“, sagt der begeisterte Wellenreiter und Künstler, den die Kerkener als einen der ihren betrachten dürfen.
Ob die junge Familie noch einmal auf Dauer an den Niederrhein zurückkehrt, steht noch nicht fest. Töchterchen Romy-Mali ist jedenfalls schon so etwas wie der Sonnenschein von Kerginou. „Die Menschen hier freuen sich immer, wenn die Kleine Merci sagt“, berichtet der stolze Vater.