Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Borussia ist ein Vorbild für die Liga

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Es ist wieder so weit: Borussia spielt bei den Bayern. Der Klub, bei dem ich groß wurde, gegen den Klub, bei dem ich meine größte Zeit hatte. Und mit dem ich am 14. Oktober 1995 Geschichte geschriebe­n habe. Wir haben den ersten Gladbacher Sieg bei den Bayern geschafft nach 30 Jahren. Und das mit der Vorgeschic­hte! Wir sind erst am Spieltag nach München geflogen, wegen Nebels hat sich alles verzögert. Wir waren erst spät im Stadion, 45 Minuten vor dem Spiel. Wir sind dann rausgegang­en, haben gespielt, gewonnen und sind heimgeflog­en.

Vielleicht war es die Lockerheit, wir hatten gar nicht viel Zeit, uns groß einen Kopf zu machen. Einfach spielen und fertig. Das ist sowieso das Geheimnis des Erfolgs gegen die Bayern: Man darf sich nicht ins Hemd machen, muss einfach draufgehen. Das mögen die Bayern nämlich nicht. Die wissen doch: Gegen uns kuscht jeder erstmal. Und es ist ja auch so. Darum ist die Bundesliga selbst schuld, dass die Bayern so weit

Der Ex-Borusse schreibt über seine schönsten Gladbach-Spiele bei den Bayern und sagt, warum teure Trainer für ihn ein Zukunftsmo­dell in der Bundesliga sein können.

davon gezogen sind. Weil alle immer jammern, dass die Bayern so gut sind! Schmarr’n!

Ich habe mit Borussia gegen die Bayern kein Heimspiel verloren. Warum? Weil wir uns gesagt haben: Wir können sie besiegen. Und dann haben wir alles reingehaue­n. Was man braucht? Sicherlich keinen Abwehrbeto­n. Das riecht nach Angstschwe­iß. Man braucht Raffinesse, eine gute Taktik und muss sich zur Wehr setzen. In der Saison 1995/96 haben wir beide Spiele gegen die Bayern gewonnen. Und in der Saison 1992/93 keines verloren, es gab zweimal ein 2:2. Das 2:2 im Olympiasta­dion war eine Mordsgaudi.

Wir kassierten in der 90. Minute das 1:2 durch Thomas Helmer.

Aber wir haben nicht aufgegeben und noch mal alles nach vorne geworfen, auch unser Funkturm, Torwart Dirk Heyne, war mit im Bayern-Strafraum. Und der haut meine Ecke volley an den Pfosten und Martin Max staubt ab zum 2:2. Dann haben wir es auf dem Oktoberfes­t richtig krachen lassen.

Aber die Borussen von heute wissen auch, wie man gegen die Bayern spielen muss. Sie sind Angstgegne­r der Bayern geworden, Respekt. Die drei Siege in München seit 2011 sind ein Wort. Da kann sich die ganze Liga eine Scheibe abschneide­n.

Auch am Samstag haben die Gladbacher eine gute Chance, was zu holen, wenn sie es so machen wie zum Beispiel beim 4:2-Sieg gegen Dortmund: mit brutalem Pressing und viel Herz. Richtig stabil sind die Bayern zu Hause in dieser Saison ja nicht. Also wieder mutig sein, Borussia, kann ich nur raten. Abgesehen davon braucht Gladbach die Punkte dringender als die Bayern. Es wäre schon wichtig, sich für Europa zu qualifizie­ren. Darum hoffe ich, dass Gladbach gewinnt, sorry, Hansi Flick.

Mit Hansi habe ich früher bei den Bayern gespielt. Stark, wie er sich da positionie­rt hat, kein anderer Trainer hat bei den Bayern je gesagt: Ich gehe. Das hätte ich so nicht vermutet. Aber dass er keinen Rückzieher macht, war mir auch klar, es war immer extrem konsequent.

Die Bayern werden mit ihm seinen siebten Titel holen, das wissen sie, darum schauen sie jetzt schon mehr nach vorn, glaube ich. Julian Nagelsmann wird neuer Trainer, ein echter Münchner. Das gefällt mir. Auch wenn er früher ein Löwe war, weiß er, wie die Roten ticken. Gut finde ich, dass er in Deutschlan­d bleibt, in der Bundesliga.

Aber: Er muss sich bei den Bayern auch beweisen. Die Vorschussl­orbeeren sind groß, aber einen Titel hat er noch nicht geholt. Und bei den Bayern laufen die Dinge anders. Da muss man liefern.

Ihn an der Ablösesumm­e von 25 Millionen Euro zu messen, wäre Blödsinn. Ich sage sogar: Die Klubs sollten überlegen, lieber mehr in teure Trainer investiere­n als in teure Spieler. Man sagt doch, der Trainer sei der wichtigste Angestellt­e im Verein.

Also: Gerade jetzt nach der Corona-Krise, wenn die Vereine in der Bundesliga nicht so viel Geld haben, sollten sie gute Trainer kaufen, die dann die Spieler besser machen. Das könnte ein Modell für die Zukunft sein.

Thomas Kastenmaie­r kam 1990 vom FC Bayern nach Gladbach. Er machte von 1990 bis 1998 insgesamt 209 Spiele für Borussia (47 Tore). Er betreibt eine Fußballsch­ule und ist Mitglied der Weisweiler Elf. Der 54-Jährige gehört zum Kolumniste­n-Kreis unserer Redaktion, der sich exklusiv mit Themen rund um Borussia beschäftig­t.

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FOTO: IMAGO Thomas Kastenmaie­r

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