Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Miss France als „sexistisches Spektakel“
Eine Frauenrechtsgruppe geht juristisch gegen den Schönheitswettbewerb vor. Der Vorwurf: Die Organisatoren diskriminieren Bewerberinnen.
Amandine Petit erfüllt mit ihren 1,75 Metern, den langen blonden Haaren und blauen Augen alle Klischees einer Schönheitskönigin. Die 24-jährige Studentin wurde im vergangenen Jahr zur Miss France gewählt, doch wenn es nach der Frauenrechtsvereinigung Osez le Féminisme („Feminismus wagen“) geht, sollen bald andere die Siegerschärpe umgehängt bekommen. Die Organisation zog zusammen mit drei Frauen, deren Bewerbung abgelehnt worden war, gegen die Produktionsfirma Endemol und den Organisator des Wettbewerbs vor das Arbeitsgericht. „Diese Unternehmen beuten die Frauen aus, die jedes Jahr ein sexistisches, diskriminierendes und lukratives Spektakel aufführen, das Millionen an Einnahmen sichert“, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung.
Seit 100 Jahren wird die „schönste Frau Frankreichs“unter den Schönheitsköniginnen der einzelnen Regionen ausgewählt. Dem Fernsehsender TF1, der die Show live überträgt, sind dadurch hohe Einschaltquoten sicher. Zugelassen werden nur Bewerberinnen zwischen 18 und 24 Jahren, die ledig, kinderlos und mindestens 1,70 Meter groß sind. Ihnen ist es außerdem verboten, größere
Tattoos oder Piercings zu tragen, in der Öffentlichkeit zu rauchen oder sich ironisch über die Politik zu äußern. Osez le Féminisme will diese Kriterien nun aufbrechen. „Das Ziel ist es, die Frauen nicht mehr nach der Schönheit auszuwählen“, sagte die Anwältin der Frauenrechtlerinnen, Violaine De Filippis, der Zeitung „Libération“. Als Beispiel führte sie Deutschland an, wo im Frühjahr die 33-jährige Anja Kallenbach gewann – eine Mutter von zwei Kindern. „Hier sind wir näher am Modell einer ‚reellen Frau‘ dran.“
Die Organisatorin des Wettbewerbs, Alexia Laroche-Joubert, wies die Kritik zurück. Die Miss-FranceWahl sei bereits moderner geworden und zeige weniger Haut, bemerkte sie im Fernsehsender BFM. Künftig müssten die Bewerberinnen mehr über sich und ihre Motivation erzählen, denn auch die Ausdrucksfähigkeit sei wichtig. Bereits 2019 hatte der Gleichstellungsrat HCE in seinem Jahresbericht zum Sexismus den Miss-France-Wettbewerb als „archaische Karikatur“der Rolle der Frau in der Gesellschaft kritisiert. Es gehe bei der Veranstaltung nicht darum, die Frau voranzubringen, sondern sie in Stereotypen einzuschließen.
Der Vorwurf der Diskriminierung, den Osez le Féminisme erhebt, kann nur geltend gemacht werden, wenn das Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis zwischen Frauen und Organisatoren anerkennt. 2013 wurde ein solches Verhältnis für die Männer-Wahl zum Mister France akzeptiert. Bei den Frauen sind die Bewerberinnen wochenlang für die Wahl im Einsatz und müssen dabei strenge Regeln befolgen. Laroche-Joubert gibt zu, dass die Kandidatinnen ihr Leben sechs Wochen lang „in Klammern setzen“. Einen arbeitsrechtlichen Anspruch sieht sie aber nicht. „Das ist ein Wettbewerb ähnlich wie die Koch-Wettbewerbe. Jeder hat die Freiheit, sich zurückzuziehen.“