Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Frieden ist Techno“
Der Erfinder der Loveparade kommt nach Kleve. Im Interview spricht Dr. Motte über Spiritualität und seine neue Technoparade.
KLEVE Dr. Motte ist der Erfinder der Loveparade. Nach dem Verkauf der Marke an eine Fitnessstudiokette im Jahr 2006 schied der DJ, der mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh heißt, aus. Den Geist der Loveparade und die Liebe zu elektronischer Musik hat er jedoch nie verloren. Am 9. Juli, seinem 62. Geburtstag, plant er mit der „Rave the Planet“-Parade eine Neuauflage in Berlin. Zuvor ist Dr. Motte jedoch in Kleve. Am Samstag legt er im XLR8 auf.
Am Samstag geht’s nach Kleve. Waren Sie schon mal hier?
DR. MOTTE Das ist ja ein neuer Club, XLR8. Da war ich noch nicht. Ich kenne natürlich den Jan. [Jan Holtfester ist einer der zwei Geschäftsführer.] Und ich kenne auch den Drumcomplex. [DJ Arnd Reichow aus Emmerich.] Ich bringe mit Drumcomplex jetzt auch einen neuen Release raus. Und ich freue mich auf Kleve, aufs XLR8.
Und Sie spielen auch neue Songs in Kleve?
DR. MOTTE Auf jeden Fall. Ich habe alles, was von mir existiert, immer mit dabei. Es wird ein schöner Mix aus Musik, die mir Kollegen schicken und Musik, die ich selber mache. Ich mache jetzt bald seit 40 Jahren Musik. Da hat man natürlich auch Erfahrung. Ich spiele in der Regel erst mal für mich. Und dann kommt bei mir Freude auf und das ist dann das, was ich vermittle.
Und die Freude steckt dann auch andere an?
DR. MOTTE Ganz genau. Das ist ja ein Teilen von positiver Energie. Der DJ spielt die Musik und die Leute tanzen dazu.
Tanzen im Club, das war durch die Pandemie ja lange nicht möglich. Wie ist die Situation aktuell?
DR. MOTTE Ich habe 2021 und 2020 auch ein bisschen gespielt, aber trotzdem saß ich monatelang nur zuhause rum. Und das entfernt einen ganz schön. Ich liebe, was ich mache. Und es ist gut, was ich mache. Aber irgendwas fehlt. Ich kann es nicht beschreiben. Aber wahrscheinlich ist es verloren gegangen während der Pandemie, wegen dem langen Lockdown und der großen Unsicherheit. Wir sind nun mal soziale Wesen und brauchen den Austausch. Und dann kann es sein, dass Menschen – und so war das bei mir auch – Depressionen bekommen. Ich hatte das auch. Depressionen. Ich kann nicht immer nur zuhause rumsitzen und darauf warten, dass etwas passiert. Ich war natürlich auch beschäftigt und wir hatten mit der „Rave the Planet“gGmbH genug zu tun. Und der Planung der Parade. Das ist auch kein leichter Job. Aber mir geht es nicht um das beschäftigt sein. Ich will etwas erleben.
Wie sieht es denn aktuell mit der Planung der Parade aus?
DR. MOTTE Als wir das bekannt gegeben haben, hatten wir über 300 Anmeldungen für Wagenmacher, für „Floats“, wie wir das nennen. Dann haben wir aussortiert, und jetzt haben wir 20 Kandidaten, die wir noch bekannt geben. Auf unserem Facebook-Event haben wir über 60.000 Teilnehmende. Viele Junge wollen es auch endlich mal erleben und viele Alte wollen natürlich auch mit dabei sein.
Die „Rave the Planet“-Parade ist wie die ursprüngliche Loveparade als Demonstration geplant. Was soll im Fokus stehen?
DR. MOTTE Es ist als Demonstration bei der Versammlungsbehörde angezeigt, ja. Im Fokus stehen Themen, die verknüpft sind mit unserer elektronischen Musikkultur. Und diese Kultur ist bedroht durch die Umstände, die existieren. Zum Beispiel durch Clubschließungen. Eine Forderung von Dimitri Hegemann, dem Geschäftsführer des Tresor in Berlin, ist, dass in jeder Stadt ein Club besteht. Weil Menschen, die in Clubs gehen und diese Musik lieben und dazu tanzen, finden Frieden. Frieden ist Techno. Ich bin auch der Meinung, dieses Universum ist von Gott geschaffen. Also ist der Geist dieses Erschaffers in allem. Also auch in dem, was man hört, im Rhythmus, in den Klängen, in den Menschen, die diese Musik machen, in den Instrumenten, die diese Musik erzeugen, in den Aufnahmegeräten, in der Luft, die die Schwingungen überträgt, in meinem Trommelfell, in meinem Körper. Und wenn man tanzt, dann ist da auch der Geist von Gott drin.
Waren Sie schon immer ein spiritueller Mensch?
DR. MOTTE Das habe ich schon Mitte der 90er für mich entdeckt. Ich habe für mich einiges an Wahrheiten gefunden. Wenn man so will, könnte man sagen, ich habe das Universelle in mir. Die universelle Weisheit hat zu mir gesprochen. Und das steckt dann auch in der Musik.
Frieden ist Techno. Das Thema Frieden ist Ihnen sehr wichtig?
DR. MOTTE Wir bereiten eine große Demonstration vor, auf der die Menschen zusammenkommen und miteinander tanzen und das schafft Frieden. In uns. Für alle. Mit allen. Und das ist auch die Vision: Irgendwann wird es ganz viele Technoparaden geben und alle Menschen werden auf diesen Technoparaden tanzen und dann werden diese Menschen herausfinden, dass sie alle ein Teil dieser Familie sind und daraus wird dann vielleicht irgendwann Weltfrieden entstehen. Das ist die Urvision und die wollen wir wieder aufleben lassen mit der „Rave the Planet“-Parade und deshalb auch das Motto: „Together Again“.
Die „Rave the Planet“-gGmbH organisiert aber nicht nur die Parade, sondern setzt sich auch für den Erhalt der Clubkultur ein.
DR. MOTTE Absolut. Deswegen haben wir auch im November einen Antrag an die Unesco abgegeben, Techno als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen. Das wäre noch mal ein Beleg, um zu sagen: ‚Wir sind anerkannte Kultur. Wir hätten gern die gleichen Fördermaßnahmen wie Konzerthäuser, wie klassische Musik und so weiter.‘ Techno ist Teil der deutschen Kultur. Und eine Gesellschaft ohne Kultur ist keine Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur Geld ausgeben für Waffen oder gar kein Geld ausgeben für Waffen, sondern Geld ausgeben für Kultur, für Zwischenmenschlichkeit, Miteinander, Liebe und Vielfalt. Das ist eigentlich, was Techno ausmacht.