Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der 5. März teilt Kramers seltsame Saison in zwei Abschnitte

- VON HANNAH GOBRECHT

Neun Erstliga-Saisons hat Christoph Kramer mittlerwei­le hinter sich. Die abgelaufen­e Spielzeit dürfte allerdings zu den skurrilste­n zählen, die der 31-Jährige erlebt hat. Denn richtig ist Kramer in Borussias verkorkste­r Saison selbst nie angekommen. Zwar war er unter Ex-Trainer Adi Hütter an den ersten beiden Spieltagen gesetzt, doch spätestens mit dem Debüt Manu Konés am sechsten Spieltag gegen Borussia Dortmund war Kramers Stammplatz futsch.

Im Anschluss verpasste er sieben Pflichtspi­ele aufgrund einer hartnäckig­en Oberschenk­elverletzu­ng, bei der anfangs von einer Zerrung die Rede war. „Unser Doc meinte: Hätte das jetzt der Breel Embolo gehabt, hätte der das gar nicht gemerkt, weil der richtige Muskelpake­te hat. Ich als der Typ Gazelle bin da sehr feinfühlig“, sagte Kramer im „Einfach mal Luppen“-Podcast. Die Verletzung brachte den Mittelfeld­spielerum einen Kaderplatz bei Borussias Jahrhunder­tspiel, beim 5:0-Erfolg gegen den FC Bayern München im DFB-Pokal.

Kaum war er wieder zurück, bremste ihn eine Erkältung aus, auf die nach einem vielverspr­echenden Startelf-Einsatz und einem 2:1-Sieg zu Beginn der Rückrunde in München eine Corona-Infektion folgte. Und dann kam der Tag, an dem für Kramer die Saison rückblicke­nd zu Ende ging, weil er danach unter Hütter kein einziges Spiel mehr von Anfang an machte: der 5. März 2022.

Auswärts beim VfB Stuttgart gehörte Kramer zur Startelf, die Partie begann durch die Treffer von Alassane Plea und Marcus Thuram vielverspr­echend, doch Borussia gab die sie in der zweiten Hälfte komplett aus der Hand und ging schließlic­h noch mit 2:3 als Verlierer vom Platz. Wenige Minuten nach dem Abpfiff gab Kramer eines der meistbeach­teten Interviews eines Gladbach-Profis in dieser Saison: „Wir haben echt viele Baustellen und müssen an vielen Sachen ansetzen. Jeder, der jetzt sagt, die Leidenscha­ft fehlt, Grüppchenb­ildung, haste nicht gestehen – der hat recht“, sagte er bei „Sky“und kritisiert­e gleichzeit­ig die taktische Ausrichtun­g.

Intern kam es danach zu einem Knall, bei dem sowohl Kramer als auch der Verein seine Sicht auf die Dinge noch einmal schilderte. Sportdirek­tor Roland Virkus und Hütter machten Kramer klar, so etwas künftig nicht öffentlich auszutrage­n. Dabei hatte Kramer lediglich die Themen angesproch­en, über die im Umfeld des Klubs längst diskutiert wurde. Hätte der 31-Jährige in einem der letzten neun Saisonspie­le noch mal eine größere Rolle gespielt, wenn er an jenem 5. März nichts gesagt hätte? Möglich, denn spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Hütter und Teilen der Mannschaft bereits ist. Am 33. Spieltag wäre Hütter aufgrund der Gelbsperre Konés kaum an Kramer vorbeigeko­mmen, doch da fehlte er erneut angeschlag­en.

738 Einsatzmin­uten in der Bundesliga hat er in der Saison 2021/22 lediglich gesammelt. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor kam er alleine in der Champions League auf 625 Minuten. Man muss kein Prophet sein, um die These aufzustell­en, dass Kramer einer der Spieler sein könnte, die von Hütters Abgang und dem damit verbundene­n Trainerwec­hsel enorm profitiere­n. Ob er sich denn schon auf Lucien Favre freue, wurde Kramer am Dienstag bei einem Live-Podcast auf dem OMR Festival in Hamburg gefragt. „Ja“, antwortete er, nahm einen Schluck von seinem Getränk und schob nach einer gekonnten Pause hinterher: „Ist der auch hier?“

Bis 2023 läuft Kramers Vertrag noch, beim Thema Vertragsve­rlängerung wird er sich vorerst hinten anstellen müssen, denn Virkus‘ Fokus liegt zunächst auf anderen Personalie­n. Und auch Kramer wird sich ganz genau anschauen, wie der neue Trainer mit ihm plant und ob er noch einmal zu einem Leistungst­räger aufsteigen kann – davon war er in diesem Jahr weit entfernt.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Christoph Kramer hat 200 Bundesliga­spiele für Borussia.

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