Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Lehrer wollen mehr Einfluss bei Schulwahl
Die Meinung der Pädagogen, ob ein Kind zum Beispiel aufs Gymnasium gehen sollte, soll mehr Gewicht haben, fordert der zuständige Verband.
DÜSSELDORF Der Lehrerverband NRW stellt Forderungen an die Schulpolitik der nächsten Landesregierung. Dabei geht es auch um die Freiheit der Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule. Die Familien sollten das letzte Wort behalten, betont der Verbandspräsident Andreas Bartsch: „Nicht, dass man den Eltern die Wahlfreiheit durch die Hintertür wegnimmt.“Aber man könne „eine gewisse Verbindlichkeit hineinbringen in die Gutachten, die an Grundschulen geschrieben werden, und den Schulleitern an den aufnehmenden Schulen mehr Rechte zubilligen“. Etwa durch verpflichtende Beratungsgespräche.
Aus wissenschaftlicher Sicht wäre das sinnvoll, sagt die Bildungsforscherin Claudia Schuchart, Professorin an der Uni Wuppertal: „Die Effekte sozialer Ungleichheit können dadurch reduziert werden.“Eltern neigten stärker dazu, die Schulwahl dem eigenen sozialen Status anzupassen. Also: Akademiker schicken den Nachwuchs aufs Gymnasium. Zwar wirkten die Stereotype auch auf die Profis: „Auch Lehrer unterliegen diesem Einfluss. Aber sie sind besser darin als Eltern, auf Leistungsbasis zu entscheiden.“Voraussetzung sei aber, dass sie selbst um die Macht der Vorurteile wissen und gegensteuern.
Der Lehrerverband fordert weiterhin eine „Stärkung des differenzierten Schulsystems“: mehr Ressourcen,
gerade für Haupt- und Realschulen. Und er sieht die Regierung in der Pflicht, für bessere Lehrer-Fortbildungen zu sorgen, vor allem beim Thema Digitalisierung. „Wir wollen Unterricht methodisch neu konzipieren, und da gibt es enormen Nachholbedarf“, so Bartsch. Auch dafür gibt es Rückenwind von der Bildungsforscherin. Sie wäre für klare Vorschriften. „Ich persönlich halte es für sehr bedauerlich und kann gar nicht nachvollziehen, dass das in einem so wichtigen Beruf der Freiwilligkeit anheim gegeben ist“, sagt Schuchart. Derzeit können Lehrer frei entscheiden, ob und in was sie sich weiterbilden.
Ebenfalls eine Forderung des Lehrerverbands ist die nach mehr Personal für die Schulen: „In dieser Legislaturperiode 10.000 bis 15.000 Neueinstellungen.“Und nicht zuletzt pocht der Verband auf eine Reform: „Die Finanzierung der Schulen durch Bund, Länder und Kommunen muss in komplett neuer Konzeption erstellt werden“, so Bartsch. „Wir haben erlebt, dass es absolut nicht funktioniert. Wir sahen das bei den Fördergeldern für die Digitalisierung, Luftfilter, Gebäude, Ausstattung.“Die Bürokratie sei in diesen Bereichen mitunter so aufwändig, dass die Städte sich an Förderprogramme gar nicht heranwagten.
Mit vielen seiner Vorstellungen könnte der Lehrerverband sich in einer CDU-geführten neuen Landesregierung recht gut aufgehoben fühlen. Die Junge Union hat das Bildungsministerium im Wahlkampf bereits für die CDU reklamiert – und will das dreigliedrige System stützen, Lehrer zu Fortbildungen in Digitalthemen verpflichten und den Schulen mehr Einfluss bei der Schulempfehlung verschaffen. Sollte sich die CDU allerdings in einer Koalition mit den Grünen darüber einigen müssen, dürfte es knirschen. „Das Elternrecht ist ein hohes Gut und die Aussagekraft von Prognosen für den Erfolg auf dem Bildungsweg begrenzt“, heißt es dort. Das zeigten die Quoten junger Menschen, die keine Gymnasialempfehlung bekamen und dann auf der Gesamtschule das Abitur machten. Auch sieht man das dreigliedrige System nicht als Zukunftsmodell. Es seien „alle Versuche über die Jahre gescheitert, die Hauptschule wieder zu beatmen“.