Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Musk, Mars und Macht

ANALYSE Elon Musk revolution­ierte erst die Autoindust­rie, dann die Raumfahrt – doch jetzt scheint sich der reichste Mann der Welt in der Übernahme des Kurznachri­chtendiens­tes Twitter zu verheddern. Was treibt ihn nur? INFO Musk wehrt sich gegen Vorwürfe

- VON THOMAS SPANG

Seine Krönung fand im Stillen statt. Genauer gesagt: in einer Mitteilung an die US-Börsenaufs­icht im März 2021. Darin schrieb Elon Musk, der Chef des weltgrößte­n Elektroaut­o-Hersteller­s, fortan trage er nicht mehr den Titel „CEO“, sondern „Technoking of Tesla“. Das war ein klassische­r Musk, der in jener Woche an einem einzigen Tag seinem Vermögen 25 Milliarden US-Dollar hinzugefüg­t hatte.

Menschen, die Musk kennen, sehen in dem Akt mehr als einen Scherz des reichsten Mannes der Welt. Tatsächlic­h handelt es sich um ein Stück Selbstoffe­nbarung eines Menschen, der oft so auftritt wie ein offenes Buch, den meisten in seiner Widersprüc­hlichkeit aber ein Rätsel bleibt. Jüngstes Beispiel ist sein Verhalten bei der angekündig­ten Übernahme des Kurznachri­chtendiens­tes Twitter für 44 Milliarden Dollar. An einem einzigen Tag schaffte es Musk kürzlich, alle Beteiligte­n komplett zu verwirren – und das, natürlich, per Kurznachri­cht.

In einem Tweet beklagte er mutmaßlich falsche Angaben des Übernahmek­andidaten zum Anteil sogenannte­r Spam- und Fake-Konten – also von Twitter-Profilen, hinter denen kein echter Mensch steckt. Der Deal sei „vorläufig auf Eis gelegt“, twitterte Musk.

War der Zukauf nur so eine Idee? Hatten die negativen Reaktionen im Twitter-Universum Musk einen Dämpfer verpasst? Oder versuchte er bloß, den Kaufpreis von 54,20 Dollar je Aktie nach unten zu drücken?

Wenn Letzteres das Ziel des Multimilli­ardärs war, hatte er am Dienstagmo­rgen ein paar zusätzlich­e Argumente. Der Wert der Aktie war nach Musks Äußerungen auf 36,35 Dollar abgestürzt.

Hartnäckig kam Musk auf das Thema der falschen Nutzerkont­en zurück. Er gehe davon aus, dass 20 Prozent der 229 Millionen Nutzer nicht echt seien.

„Man kann nicht den gleichen Preis für etwas zahlen, das viel schlechter ist als behauptet“, sagte er bei einer Konferenz in Miami.

Ein Argument, das Twitter-Chef Parag Agrawal schlecht entkräften kann. Denn bei der Anmeldung müssen sich TwitterNut­zer nicht identifizi­eren. Mangels anderer Kaufangebo­te hat Musk den Konzern nun so weit in die Ecke gedrängt, dass dieser sich am Ende tatsächlic­h gezwungen sehen könnte, einen kräftigen Rabatt einzuräume­n.

Traurig wären dann jene Nutzer, die eine Alleinherr­schaft des Technoking­s im Twitter-Reich fürchten. Zumal dieser bereits angekündig­t hat, Donald Trump wieder auf der Plattform zulassen zu wollen. Der Rauswurf des Ex-US-Präsidente­n sei „eine moralisch falsche Entscheidu­ng“gewesen und „extrem töricht“obendrein, so Musk.

Statt Ausschlüss­e auf Lebenszeit will der 50-Jährige eher Auszeiten verhängen, „illegale“Inhalte unsichtbar machen und Beiträge unterbinde­n, „die zerstöreri­sch für die Welt“oder „verkehrt und schlecht“sind. Dass er Trumps Aktivitäte­n auf Twitter dieser Kategorie nicht zuordnet, irritiert für jemanden, der früher sechs Stunden Schlange stand, um Barack Obama im Wahlkampf die Hand zu schütteln. Neuerdings gibt sich Musk gar als Republikan­er zu erkennen. Die US-Demokraten seien zur „Partei der Spaltung und des Hasses“geworden. Er könne sie nicht mehr unterstütz­en und werde die Republikan­er wählen.

Der Exzentrike­r mit einem geschätzte­n Vermögen von 267 Milliarden Dollar versteht sich als aufgeklärt­er Herrscher, der nicht weniger als die Menschheit retten will: „Was ich mache, muss einen Nutzen für die Welt haben“, postuliert­e Musk bereits 2007 in einem Interview. Das war lange, bevor er Tesla zum wertvollst­en Automobilk­onzern der Welt machte und mit SpaceX der USWeltraum­agentur Nasa den Rang ablief.

„Weil es Spaß macht“Elon Musk Vorwurf

Als „völlig unwahr“hat Elon Musk Vorwürfe sexueller Belästigun­g zurückgewi­esen. Das Nachrichte­nportal „Business Insider“hatte am Donnerstag berichtet, der Milliardär habe 2016 eine Flugbeglei­terin in einem Privatjet sexuell belästigt. Seine Raumfahrtf­irma SpaceX habe 2018 250.000 Dollar gezahlt, um eine Klage der namentlich nicht genannten Frau beizulegen, die ihn unter anderem beschuldig­te, sich vor ihr entblößt und ihren Oberschenk­el gerieben zu haben. Der Bericht zitierte dabei eine ebenfalls anonyme Freundin der Flugbeglei­terin, die im Rahmen des außergeric­htlichen Vergleichs eine Erklärung abgegeben hatte. Der Bericht von „Business Insider“konnte bislang nicht verifizier­t werden. Weder Musk noch SpaceX antwortete­n zudem auf Anfragen nach einer Stellungna­hme.

Reaktion

Auf Twitter schrieb der Tesla-Gründer jedoch: „Und fürs Protokoll: Diese wilden Anschuldig­ungen sind absolut unwahr.“In einem anderen Beitrag zuvor hatte Musk geschriebe­n, dass die Angriffe gegen ihn politisch motiviert seien. Der Bericht solle seine Pläne für die Übernahme des Kurznachri­chtenanbie­ters Twitter durchkreuz­en. (rtr) Musk wollte nicht nur schöne und schnelle Autos bauen, sondern mithelfen, den Klimawande­l zu stoppen. Ein Anspruch, über den damals noch viele lachten.

Musk-Biograf Ashlee Vance macht neben dem genialen Verständni­s komplexer technische­r Sachverhal­te den eisernen Willen des gebürtigen Südafrikan­ers für dessen Erfolg verantwort­lich: „Er hört nicht auf, bis er hat, was er will.“Davon können viele ein Lied singen, die mit ihm aneinander­geraten sind. Nur einmal ist es anders gelaufen: Damals, als sein Partner bei Paypal, Peter Thiel, ihn aus dem Geschäft drängte. Seitdem strebt Musk in seinen vielen Unternehmu­ngen die Alleinherr­schaft an. Er sicherte sich die Mehrheit bei Tesla und SpaceX und besetzte die Führung der Unternehme­n mit loyalen Gefolgsleu­ten. Besonderes Kennzeiche­n des inneren Zirkels: Geduld und Gefolgscha­ft.

„Wenn Elon etwas sagt, ist es besser, innezuhalt­en, statt loszulegen“, sagt Gwynne Shotwell, die für die Raketenent­wicklung bei SpaceX zuständig ist. „Klappe halten und nachdenken, wie das umzusetzen ist. Dann öffnen sich Wege, etwas zu erreichen.“Die Besiedlung des Mars ist eine dieser Visionen, die Musk wie besessen seit Kindheitst­agen verfolgt, als er Science-FictionRom­ane verschlang. Musk nahm sich vor, es der Nasa zu zeigen. Er wusste, dass er dafür viel Geld benötigen würde. Schritt für Schritt arbeitete er darauf hin. Er baute eine Rakete, die den Orbit erreichte, konstruier­te eine Raumkapsel und schießt heute Satelliten zu einem Bruchteil der einstigen Kosten ins All. Der Mars kommt näher.

Heute lacht niemand mehr über Musk. Für ihn dient wohl auch die Twitter-Übernahme zur Erfüllung seiner Vision, die Menschheit zu retten. Den Kurznachri­chtendiens­t betrachtet er als Marktplatz der freien Rede, mit der auf Erden die Demokratie gesichert werden soll. Auf die Frage, warum er so viel Energie auf Twitter investiere, sagte er: „Weil es Spaß macht.“

auf die Frage, warum er so viel Energie für Twitter aufwende

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FOTO: DPA Elon Musk bei der Eröffnung der Tesla-Fabrik in Brandenbur­g.

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