Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Musk, Mars und Macht
ANALYSE Elon Musk revolutionierte erst die Autoindustrie, dann die Raumfahrt – doch jetzt scheint sich der reichste Mann der Welt in der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter zu verheddern. Was treibt ihn nur? INFO Musk wehrt sich gegen Vorwürfe
Seine Krönung fand im Stillen statt. Genauer gesagt: in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht im März 2021. Darin schrieb Elon Musk, der Chef des weltgrößten Elektroauto-Herstellers, fortan trage er nicht mehr den Titel „CEO“, sondern „Technoking of Tesla“. Das war ein klassischer Musk, der in jener Woche an einem einzigen Tag seinem Vermögen 25 Milliarden US-Dollar hinzugefügt hatte.
Menschen, die Musk kennen, sehen in dem Akt mehr als einen Scherz des reichsten Mannes der Welt. Tatsächlich handelt es sich um ein Stück Selbstoffenbarung eines Menschen, der oft so auftritt wie ein offenes Buch, den meisten in seiner Widersprüchlichkeit aber ein Rätsel bleibt. Jüngstes Beispiel ist sein Verhalten bei der angekündigten Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter für 44 Milliarden Dollar. An einem einzigen Tag schaffte es Musk kürzlich, alle Beteiligten komplett zu verwirren – und das, natürlich, per Kurznachricht.
In einem Tweet beklagte er mutmaßlich falsche Angaben des Übernahmekandidaten zum Anteil sogenannter Spam- und Fake-Konten – also von Twitter-Profilen, hinter denen kein echter Mensch steckt. Der Deal sei „vorläufig auf Eis gelegt“, twitterte Musk.
War der Zukauf nur so eine Idee? Hatten die negativen Reaktionen im Twitter-Universum Musk einen Dämpfer verpasst? Oder versuchte er bloß, den Kaufpreis von 54,20 Dollar je Aktie nach unten zu drücken?
Wenn Letzteres das Ziel des Multimilliardärs war, hatte er am Dienstagmorgen ein paar zusätzliche Argumente. Der Wert der Aktie war nach Musks Äußerungen auf 36,35 Dollar abgestürzt.
Hartnäckig kam Musk auf das Thema der falschen Nutzerkonten zurück. Er gehe davon aus, dass 20 Prozent der 229 Millionen Nutzer nicht echt seien.
„Man kann nicht den gleichen Preis für etwas zahlen, das viel schlechter ist als behauptet“, sagte er bei einer Konferenz in Miami.
Ein Argument, das Twitter-Chef Parag Agrawal schlecht entkräften kann. Denn bei der Anmeldung müssen sich TwitterNutzer nicht identifizieren. Mangels anderer Kaufangebote hat Musk den Konzern nun so weit in die Ecke gedrängt, dass dieser sich am Ende tatsächlich gezwungen sehen könnte, einen kräftigen Rabatt einzuräumen.
Traurig wären dann jene Nutzer, die eine Alleinherrschaft des Technokings im Twitter-Reich fürchten. Zumal dieser bereits angekündigt hat, Donald Trump wieder auf der Plattform zulassen zu wollen. Der Rauswurf des Ex-US-Präsidenten sei „eine moralisch falsche Entscheidung“gewesen und „extrem töricht“obendrein, so Musk.
Statt Ausschlüsse auf Lebenszeit will der 50-Jährige eher Auszeiten verhängen, „illegale“Inhalte unsichtbar machen und Beiträge unterbinden, „die zerstörerisch für die Welt“oder „verkehrt und schlecht“sind. Dass er Trumps Aktivitäten auf Twitter dieser Kategorie nicht zuordnet, irritiert für jemanden, der früher sechs Stunden Schlange stand, um Barack Obama im Wahlkampf die Hand zu schütteln. Neuerdings gibt sich Musk gar als Republikaner zu erkennen. Die US-Demokraten seien zur „Partei der Spaltung und des Hasses“geworden. Er könne sie nicht mehr unterstützen und werde die Republikaner wählen.
Der Exzentriker mit einem geschätzten Vermögen von 267 Milliarden Dollar versteht sich als aufgeklärter Herrscher, der nicht weniger als die Menschheit retten will: „Was ich mache, muss einen Nutzen für die Welt haben“, postulierte Musk bereits 2007 in einem Interview. Das war lange, bevor er Tesla zum wertvollsten Automobilkonzern der Welt machte und mit SpaceX der USWeltraumagentur Nasa den Rang ablief.
„Weil es Spaß macht“Elon Musk Vorwurf
Als „völlig unwahr“hat Elon Musk Vorwürfe sexueller Belästigung zurückgewiesen. Das Nachrichtenportal „Business Insider“hatte am Donnerstag berichtet, der Milliardär habe 2016 eine Flugbegleiterin in einem Privatjet sexuell belästigt. Seine Raumfahrtfirma SpaceX habe 2018 250.000 Dollar gezahlt, um eine Klage der namentlich nicht genannten Frau beizulegen, die ihn unter anderem beschuldigte, sich vor ihr entblößt und ihren Oberschenkel gerieben zu haben. Der Bericht zitierte dabei eine ebenfalls anonyme Freundin der Flugbegleiterin, die im Rahmen des außergerichtlichen Vergleichs eine Erklärung abgegeben hatte. Der Bericht von „Business Insider“konnte bislang nicht verifiziert werden. Weder Musk noch SpaceX antworteten zudem auf Anfragen nach einer Stellungnahme.
Reaktion
Auf Twitter schrieb der Tesla-Gründer jedoch: „Und fürs Protokoll: Diese wilden Anschuldigungen sind absolut unwahr.“In einem anderen Beitrag zuvor hatte Musk geschrieben, dass die Angriffe gegen ihn politisch motiviert seien. Der Bericht solle seine Pläne für die Übernahme des Kurznachrichtenanbieters Twitter durchkreuzen. (rtr) Musk wollte nicht nur schöne und schnelle Autos bauen, sondern mithelfen, den Klimawandel zu stoppen. Ein Anspruch, über den damals noch viele lachten.
Musk-Biograf Ashlee Vance macht neben dem genialen Verständnis komplexer technischer Sachverhalte den eisernen Willen des gebürtigen Südafrikaners für dessen Erfolg verantwortlich: „Er hört nicht auf, bis er hat, was er will.“Davon können viele ein Lied singen, die mit ihm aneinandergeraten sind. Nur einmal ist es anders gelaufen: Damals, als sein Partner bei Paypal, Peter Thiel, ihn aus dem Geschäft drängte. Seitdem strebt Musk in seinen vielen Unternehmungen die Alleinherrschaft an. Er sicherte sich die Mehrheit bei Tesla und SpaceX und besetzte die Führung der Unternehmen mit loyalen Gefolgsleuten. Besonderes Kennzeichen des inneren Zirkels: Geduld und Gefolgschaft.
„Wenn Elon etwas sagt, ist es besser, innezuhalten, statt loszulegen“, sagt Gwynne Shotwell, die für die Raketenentwicklung bei SpaceX zuständig ist. „Klappe halten und nachdenken, wie das umzusetzen ist. Dann öffnen sich Wege, etwas zu erreichen.“Die Besiedlung des Mars ist eine dieser Visionen, die Musk wie besessen seit Kindheitstagen verfolgt, als er Science-FictionRomane verschlang. Musk nahm sich vor, es der Nasa zu zeigen. Er wusste, dass er dafür viel Geld benötigen würde. Schritt für Schritt arbeitete er darauf hin. Er baute eine Rakete, die den Orbit erreichte, konstruierte eine Raumkapsel und schießt heute Satelliten zu einem Bruchteil der einstigen Kosten ins All. Der Mars kommt näher.
Heute lacht niemand mehr über Musk. Für ihn dient wohl auch die Twitter-Übernahme zur Erfüllung seiner Vision, die Menschheit zu retten. Den Kurznachrichtendienst betrachtet er als Marktplatz der freien Rede, mit der auf Erden die Demokratie gesichert werden soll. Auf die Frage, warum er so viel Energie auf Twitter investiere, sagte er: „Weil es Spaß macht.“
auf die Frage, warum er so viel Energie für Twitter aufwende